Hauptseite.Projekte.DDR-Kirche Übersicht         Autor: Pfarrer  Peter  Zillmann

Kirchen-Gemeinde im Internet:
Darstellung der Kirchengeschichte der DDR von 1945-1990 in 4 Teilen Übersicht

 DDR-Kirche  IV  (1978 - 1990)  Wende

Inhalt

1. Gesellschaft
 
 
 
 
 

2. Staat-Kirche
 
 
 

3. Kirche
 
 
 

4. Theologie

4.1.1. Kontinuität - Stagnation
4.1.2. Ökonomie
4.1.3. Staatssicherheit
4.1.4. Fluchtbewegung
4.1.5. Opposition
4.1.6. Wende

4.2.1. "Thron und Altar"
4.2.2. Geschäftspartner
4.2.3. Friedensbewegung
4.2.4. Gruppen

4.3.1. Konkursverwaltung
4.3.2. Resignation
4.3.3. Erneuerung von Unten
4.3.4. Neue EKD

4.4.1. status confessionis
4.4.2. Friedenserziehung
4.4.3. Gesellschaftsveränderung
4.4.4. Schuldfrage

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4.1.1.  Kontinuität und Stagnation
 
Souveränität Seit der Unterzeichnung der KSZE-Schlußakte in Helsinki und der allgemeinen Anerkennung der DDR als ein souveräner Staat hat sich die innen- und außenpolitische Lage kontinuierlich harmonisiert. Durch vielfältige Abkommen und Handelsverträge erweist sich die DDR als ein zuverlässiger Partner und Staat. Bis 1987 setzt sich die innenpolitische Entwicklung ohne tiefgreifende Veränderungen fort. (1)

Im Zusammenhang mit dem Doppelbeschluß über die Aufstellung der Pershing II und Cruise missiles in Westeuropa und den Aufrüstungsmaßnahmen des Warschauer Paktes gibt es zwar zeitweilige Spannungen, jedoch betreffen sie das gesellschaftliche System der DDR nicht direkt und haben somit keine Auswirkung auf dessen Stabilität.

Perestroika Dagegen wirkten die Veränderungen in der Sowjetunion mit der Machtergreifung Gorbatschows und der Einleitung der Perestroika folgenschwer auf die DDR-Politik ein. Die Propagandaparole “Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen“, mit der über Jahre hinweg die DDR-Bürger manipuliert wurden, erwies sich nun als ein Bumerang. Die Regierung Honecker war nicht bereit, die veränderten politischen Realitäten anzuerkennen und für die DDR theoretische oder gar praktische Schlußfolgerungen zu ziehen. Sie hoffte bis zuletzt, daß der sowjetische Reformprozeß zusammenbrechen würde und die alten stalinistischen Strukturen sich in der DDR behaupten können. Die Sozialpolitik avancierte dann zum Kernstück eines “Sozialismus in den Farben der DDR“ und wurde gegen den Verfall realsozialistischer Prinzipien im Ostblock propagiert. (2)


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4.1.2.  Ökonomie
 
Mangelwirtschaft Ende der siebziger Jahre spitzten sich die permanenten Versorgungsschwierigkeiten der Bevölkerung zu. Der beginnende Unmut kam jedoch nicht zum unkontrollierten Ausbruch. Die zeitgleiche Entwicklung in Polen mit dem dort folgenden Generalstreik der polnischen Arbeiter und der Ausrufung des Kriegsrechts bewirkten durch Einschüchterung eine abwartende Haltung in der DDR. 

Der Honecker Regierung gelang es dann, die ökonomische Stabilität wiederherzustellen. Zahlreiche Handelsabkommen und Kreditverträge ermöglichten es, die desolaten Wirtschaftsverhältnisse zu verschleiern (Inflationsrate vor der Wende 12%). (3)   Die Politbürokratie entwickelte mittlerweile beachtliche Fähigkeiten, ihre größten Fehlplanungen in Planungserfolge umzudeuten (z.B. Wohnungsbau, Erziehungswesen, Energiewirtschaft), oder Mängel als Errungenschaften zu bezeichnen (soziale Absicherungen, Gesundheitswesen). (4)

Lebensstandard Das Versagen des real existierenden Sozialismus blieb deshalb vielen Menschen verborgen, zumal die DDR gegenüber den östlichen Nachbarn wirtschaftlich noch immer gut abschnitt. Nur durch den Vergleich mit dem Lebensstandard in der Bundesrepublik, besonders nach der Lockerung der Reiseregelungen ab 1987, wurde den meisten DDR-Bürgern deutlich, daß die soziale Marktwirtschaft ihren Wünschen mehr entsprechen würde, als die sozialistischen Produktionsverhältnisse es je könnten. Die sozialen Spannungen, die aus dieser Erkenntnis erwuchsen, fanden seit 1987, nun nicht wie in Polen in einer Oppositionsbewegung, sondern in einem rasanten Anstieg der Ausreiseanträge ihren Niederschlag. (5)


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4.1.3.  Staatssicherheit
 
Schild-und-Schwert Mit der Person Erich Mielkes und dem Ministerium für Staatssicherheit, dessen Minister er seit 1957 war, verbindet sich ein wesentlicher Teil der DDR-Geschichte. Unter Leitung dieses Sicherheitsapparates, der einen enormen Material- und Personalaufwand betrieb, sind die gesamte Gesellschaft verwaltet und die Bürger entmündigt worden. Als “Schild und Schwert der Partei“ entwickelte die Stasi ein Macht- und Überwachungssystem, das in der Geschichte ohne Beispiel ist. (6)

Das Ministerium für Staatssicherheit war die Sicherheitszentrale der SED. Es sicherte also nicht den Staat, sondern die Diktatur dieser Partei. Ohne parlamentarische Kontrolle war es in allen gesellschaftlichen Bereichen und natürlich auch in der Kirche vertreten. Jeder Bürger wurde letztendlich als potentielles Sicherheitsrisiko betrachtet. Unter der Devise ‘Sicherheit geht vor Recht‘ war der Willkür und dem psychologischen Terror die Legitimität erteilt. (7)

Herrschaft der Apparate............ Infolge der wachsenden Sicherheitshysterie der SED-Führung Mitte der achtziger Jahre wurde eine totale flächendeckende Überwachungsarbeit angestrebt. Die Staatssicherheit war noch vor der Volksarmee zum größten Arbeitgeber im Lande geworden. Mit 85000 festangestellten und wenigstens 109000 inoffiziellen Mitarbeitern (Schätzungen behaupten das zehnfache), mit einem riesigen Waffenarsenal für einen Bürgerkrieg und mit einem Datenmaterial, das ein Drittel der Bürger erfaßte, avancierte sie sich zum Staat im Staate.
Zum Schluß kam es der Stasi gar nicht mehr darauf an, ‘politisch negative Personen‘ zu observieren und auszuschalten, sondern es ging ihr lediglich darum, durch offensichtliche und allgegenwärtige Präsenz Angst zu verbreiten. (8)

Diese permanente Angst vor dem totalen Staat verwischte die Grenze zwischen Täter und Opfer. Es entwickelte sich ein unauflösliches System von Abhängigkeiten, eine Art Komplizenschaft. in der jeder DDR-Bürger verstrickt und gefangen war. Es entstand die Herrschaft der Apparate. (9) “Für das Volk der DDR war mehr noch als das Wissen um die reale Macht der Stasi die paranoide Phantasie ihres Einflusses von Bedeutung. Die Stasi galt als eine unangreifbare Übermacht, jeder durchschnittliche Bürger zeigte Scheu vor dieser Organisation.“ (10)

Unterwanderung der Kirchen...... SynodaleAuf diesem Hintergrund haben viele Entscheidungen innerhalb der Kirchen und bezüglich der Kirchen, nicht nur politische sondern auch psychologische Aspekte. (11)   Zudem muß man davon ausgehen, daß kirchliche Institutionen und die gesamte kirchliche Arbeit in den letzten beiden Jahrzehnten mit Mitarbeitern der Stasi durchsetzt werden konnten. Die kirchliche Entwicklung wurde somit i m m e r von der Staatssicherheit beeinflußt und oftmals sogar direkt von ihr gesteuert. (12)

(Bild: 5. Synode 1987 in Görlitz. v.l.nr. Rosemarie Cynkiewicz, Präses Gäbler und Synodaler Lothar de Maiziere (IM "Czerny")

Ihr zu Diensten waren besonders Kreise der CDU, der CFK, der Weißenseer Arbeitskreis, der Gossner Mission und der Sächsischen Bruderschaft. Sie wurden von der Stasi unterstützt und langfristig, gezielt gegen solche kirchliche Arbeit eingesetzt, die den von der SED vorgegebenen Rahmen überschritt. (13) Durch theologisieren politischer Sachverhalte und durch politisieren der Theologie sollten sie die Wirksamkeit kirchlicher Gruppen schwächen. (14)

Bündnispolitik Die Leitungen der Landeskirchen standen unter anhaltendem Druck und konnten sich oftmals den Erpressungen der SED und der Staatssicherheit nicht widersetzen. Darüber kam es zeitweilig (1988), besonders in der Berlin-Brandenburgischen Landeskirche, zu ernsthaften Meinungsverschiedenheiten innerhalb der kirchlichen Leitung. Aber erst nach der Wahlfälschung von 1989 und der blutigen Zerschlagung der chinesischen Demokratiebewegung mußte die Staatssicherheit feststellen, daß sie ihren Einfluß innerhalb der Kirchen nicht mehr kalkulieren konnte. (15)

Das System zeigte die ersten Zersetzungserscheinungen. Die Kirchen wollten die ihr von der Partei zugewiesenen ordnungs- und moralpolitischen Aufgaben nicht mehr erfüllen. Sie begannen, sich langsam aus jahrelang geübter Bündnispolitik zurückzuziehen. (16)


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4.1.4.  Fluchtbewegung
 
Übersiedlung In der DDR konnte man vor allen wichtigen politischen Ereignissen (1953, 1961, 1989) eine ständig wachsende Ausreisebewegung beobachten. Der Unmut über die gesellschaftlichen Verhältnisse fand darin seinen breitesten und stärksten Ausdruck. Somit wurden die Flüchtlinge und Übersiedler, die nichts mehr mit der DDR im Sinn haben wollten, gleichzeitig und ungewollt zu ihrer einflußreichsten Oppositionsbewegung. Sie erwiesen sich als “die eigentlichen Motoren aller gesellschaftlichen Veränderungen in der DDR“ (Ministerpräsident H. Modrow). (17)

Der massenhafte und nachhaltige Wunsch nach einer Ausreise führte den Staat und die Identität der übrigen Staatsbürger immer wieder in unlösbare Konflikte. 1953 konnte das Regime noch durch sowjetische Panzer gerettet werden. 1961 wurde mit Hilfe des Warschauer Paktes die Abgrenzung gegenüber dem Westen mit dem Bau der Mauer zementiert. Aber 1989 konnte dem Ausreisedruck nichts mehr entgegengesetzt werden. Das politische und wirtschaftliche System der DDR brach zusammen. (18)

Vertreibung Mit dem Anwachsen der unabhängigen Friedensbewegung Anfang der achtziger Jahre betrieb die SED in Verbindung mit der Staatssicherheit gegenüber oppositionellen Kräften eine präventive Ausbürgerungspolitik. Durch Angst, Verunsicherung und Isolation sollten kritische Bürger zermürbt und zur Kapitulation vor den Verhältnissen gezwungen werden. Als letzte Maßnahme stand dann der zunehmende Druck zur Ausreise. (19) Diese spezifische Art der Vertreibung ermöglichte es, die sich immer wieder auf bauenden Strukturen innerhalb der Opposition (kirchlichen Gruppen) ohne großes Aufsehen zu zerschlagen. Die präventive Ausbürgerungspolitik erreichte im Jahre 1984 mit der Übersiedlung von 41000 DDR-Bürgern ihren Höhepunkt.
Massenflucht Langfristig gesehen erwies sie sich aber als ein nicht wieder gut zu machender Fehler. Die Ausbürgerungspolitik des Staates wandelte sich in den folgenden Jahren zur eigenständigen Ausreisebewegung breiter Bevölkerungsschichten und konnte von der Staatssicherheit nicht mehr unter Kontrolle gehalten werden.

Nachdem im Jahre 1987 vermehrt auch jüngere Menschen besuchsweise in den Westen fahren konnten, erlebte das ideologische System einen für viele Bürger schockierenden Einbruch. Die Angst vor einem “sinnlosen“ Leben wurde größer, als die Angst vor dem totalitären Staat. In einem Bericht der Staatssicherheit heißt es: “Seit Inkrafttreten der Reiseverordnung ist eine deutliche Zunahme des aggressiven, fordernden und verleumderischen Verhaltens und Auftretens sowie eine sinkende Hemmschwelle zur Androhung und Durchführung von feindlich negativen Aktivitäten festzustellen.“ (20)

Im Jahre 1988 wurde dann durch die Genehmigung von 40000 Ausreiseanträgen versucht, den innenpolitischen Druck abzubauen. Jedoch wurde nur das Gegenteil erreicht. Die sozialen und psychologischen Konflikte innerhalb der DDR-Gesellschaft zwischen denen, die gehen und denen, die bleiben wollten, wuchs ins Unerträgliche. Mit dem Abbau der ungarischen Grenzanlagen am 2.5.1989 setzte eine massenhafte Fluchtwelle ein, die schließlich das Honeckerregime stürzte und am 9. 11.1989 zur Öffnung der Westgrenzen führte. Danach setzten die anhaltenden Übersiedlerzahlen die Politik der beiden deutschen Staaten so unter Druck, daß die Vereinigung nicht mehr aufgehalten werden konnte.

Motive........... Die Handlungsmotive für das Verlassen der DDR haben sich “in der Regel im Ergebnis eines längeren Prozesses“ (21)   herausgebildet und sind starr verfestigt. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Ausreisewilliger seinen Antrag zurücknahm, lag trotz aller Bemühungen der staatlichen Organe nur bei 1%. (22)   Die komplexen Ursachen für das Wachsen der Übersiedlerzahlen können unter Beachtung der Rangordnung in drei Gruppen eingeteilt werden. Nach der Grenzöffnung überwiegen bei den Übersiedlern Handlungsmotive der dritten Gruppe. (23)
  1. psychologisch/soziologische Gründe (Hospitalismus, Subalternität, Schizophrenie, Resignation)
  2. politisch/historische Gründe (keine Staatsidentität, feudale Obrigkeitsstrukturen, Antikommunismus, Freizügigkeit)
  3. wirtschaftlich/ökonomische Gründe (Vergleich zum Westen - geringer Lebensstandard, Konsum- und Besitzstreben, Karrieredenken)
“Gründe, dieses Land zu verlassen, gab es so viele, wie es Einwohner im ‘Ersten Deutschen Arbeiter- und Bauernstaat‘ gab. Kränkungen und Demütigungen war jeder ausgesetzt, und viele waren in ihrer Existenz real bedroht, gar nicht zu reden von der politischen, religiösen, moralischen und weltanschaulichen Einengung und Verfolgung. Allein der eigenen Identität wegen war es gerechtfertigt, diesem Land den Rücken zu kehren, da ausnahmslos die Würde eines jeden DDR-Bürgers in diesem Gesellschaftssystem beschädigt wurde." (24)
Ohnmacht der Kirchen Die Kirchen standen der Ausreiseproblematik hilflos und konzeptionslos gegenüber. Zwar hatten sie seit den siebziger Jahren immer wieder einzelnen diskriminierten Antragstellern die Möglichkeit geboten, im kirchlichen Dienst “Unterschlupf“ zu finden, jedoch konnten und wollten sie sich nicht mit dem politischen und soziologischen Phänomen Ausreise auseinandersetzen. 

Das letzte, umfangreichere theologische Gutachten stammte daher aus dem Jahre 1961 und war, da es bereits vor dem Mauerbau erstellt worden war, der Situation in den achtziger Jahren nicht mehr angemessen. Mit der belanglosen Formulierung “In der DDR werden alle Menschen gebraucht“ ließen sie nicht nur die Ausreisewilligen im Stich, sondern verhinderten darüber hinaus auch eine Auseinandersetzung mit den Ursachen, die zum millionenfachen Wunsch nach der Flucht aus den DDR-Verhältnissen führten. (25)

Geduldsvermahnungen Im Ergebnis dieser ohnmächtigen und konzeptionslosen Haltung der Kirchen, kam es dann Anfang März 1988, nachdem mehrere hundert Familien von Antragstellern das Konsistorium in Ost-Berlin belagert hatten, zum opportunistischen Verhalten gegenüber dem Staat. (26) Wurde Monate vorher noch eine seelsorgerliche und betreuerische Pflicht bezüglich der Ausreisewilligen angemahnt, so setzte man sich jetzt innerhalb der kirchlichen Arbeit heimlich von den Antragstellern ab. Durch öffentliches Herunterspielen der Problematik und ständige Geduldsvermahnungen kamen die Kirchen dann ihrer moralpolitischen Ordnungspflicht gegenüber dem Staat nach.

Im September 1989, als der Staat faktisch schon nicht mehr regierungsfähig war und sich die Ausreisewelle zur Massenpsychose entwickelte (27), wurde in einem Gemeindebrief die Fehleinschätzung der Ausreiseproblematik und das Versagen der Kirchen gegenüber dem in den achtziger Jahren wichtigsten gesellschaftlichen Konflikt offensichtlich: “Beunruhigt und betroffen sieht die Konferenz der. Evangelischen Kirchenleitungen, daß die Zahl derer, die einen Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR stellen, nicht abnimmt ... Die Konferenz ist im Blick auf diese Situation ratlos.“ (28)

Berufsverbote Über Jahre hinweg ratlos waren die Kirchenleitungen auch über den Verlust vieler kirchlicher Mitarbeiter (Pfarrer, Katecheten, Diakone), die durch ihr politisch, oppositionelles Engagement oder durch zunehmende Resignation aus dem Lande getrieben wurden. (29)  In Absprache zwischen den Ost- und Westkirchen wurden sie nach der Übersiedlung mit einem kirchlichen Berufsverbot bestraft. Der Fürsorgepflicht für diese Mitarbeiter entzog sich die Kirche mit der ungerechtfertigten Begründung, daß “persönliche Entscheidungen Einzelner“ auch in den Konsequenzen persönlich zu tragen sind. (30)


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4.1.5.  Opposition
 
Nischengesellschaft Bis zur Wende hat es in der Geschichte der DDR keine breit organisierte Oppositionsbewegung gegeben. (Ausreisebewegung als Opposition siehe oben) Die politische und gesellschaftliche Realität, in der der Staatssicherheitsdienst ein bedeutender Faktor war, ließ Formen des Widerstandes oder der Kritik nur unter erheblichen persönlichen, beruflichen oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu. (31)  Opposition war daher individuell gestaltet und zum Scheitern verurteilt (Harich, Biermann, Havemann, Bahro). Eine Massenbewegung, wie zum Beispiel in Polen, konnte nicht entstehen. Die DDR-Bürger zogen sich in apolitische private Nischen zurück oder paßten sich dem System an.
Gruppen...... Seit Beginn der achtziger Jahre gab es dennoch eine anhaltende Sammlungs- und Formierungsbestrebung vorwiegend intellektuell und christlich geprägter Menschen, die fast ausschließlich in Strukturen der evangelischen Kirchen eingebunden waren. Diese Gruppen waren überschaubar und konnten vom Staat und von den Kirchen kontrolliert werden. (32)   1989 gab es ca. 160 verschiedene Zusammenschlüsse, in denen ca. 2500 Personen (Kern 600) fest eingebunden waren. Eine Massenwirkung konnten sie bis zur Wende nicht ausüben.

Über die Hälfte aller derartigen Gruppierungen wurde vor dem Jahre 1985 gebildet. Der territoriale Schwerpunkt war Ost-Berlin. Im Ergebnis staatlicher und gesellschaftlicher Anstrengungen gelang es nicht, ihre Gesamtzahl zu verringern. Aufgelösten Gruppen stand immer eine gleich große Anzahl neugebildeter gegenüber. (33)   Einen rasanten Zulauf erhielten sie erst im Vollzug der Wende. 

Indentitätsprobleme In einem Bericht der Staatssicherheit vom Juni 1989 werden diese oppositionellen Gruppen charakterisiert: “Die in der DDR wirkenden feindlichen, oppositionellen und anderen negativen Kräfte verfügen über kein einheitliches politisches Konzept bzw. über kein in sich geschlossenes ‘alternatives‘ Gesellschaftsmodell. Sie nutzen und mißbrauchen vor allem die internationale Systemauseinandersetzung um Frieden und Abrüstung, die Menschenrechtsproblematik und globale Probleme des Umweltschutzes für die inhaltliche Ausrichtung ihrer antisozialistischen Aktivitäten, für die inhaltliche und organisatorische Profilierung der personellen Zusammenschlüsse und für deren weitere Zusammenführung (Vernetzung).“(34)

Bezeichnend ist aber auch eine Selbstdarstellung in der oppositionellen Zeitung “Grenzfall“: “Mit einer antikapitalistischen Grundhaltung, und diese ist für die DDR-Friedensbewegung vorauszusetzen, muß eben nicht zwingend die Entscheidung für den hiesigen Staatsbürokratismus einhergehen.“ (35)

Die Kritik an den bestehenden Verhältnissen war deshalb oftmals inkonsequent und halbherzig. Zudem mußte der Spielraum, den Staat und Kirche den Gruppen zubilligten, als Maßstab des eigenen politischen und theologischen Widerstandes angenommen und für Radikalere dann zur ausschließlichen Bedingung erklärt werden. 

Feindbilder Vor dem Sturm der Staatssicherheit auf die Umweltbibliothek, waren die einzelnen Gruppen deshalb stark zerstritten. Es einte sie dann jedoch das gleiche Feindbild und es setzte eine erhebliche Solidarisierung ein, welche nicht zuletzt die Offenlegung der Wahlfälschungen 1989 ermöglichte. Als aber der Staatsbürokratismus mit seiner Staatssicherheit nach der Wende zerschlagen war, gab es eben um dieses Feindbild erhebliche Identitätsprobleme. Die antikapitalistische Grundhaltung führte dann zur endgültigen Isolierung vom größten Teil des Volkes.
Sektierertum  Ein tragischer Fehler dieser Gruppen bestand auch darin, daß sie die Bedeutung der Ausreisebewegung verkannten. (36) Indem sie die Gesellschaft einteilten in die, die bleiben und die, die gehen wollten, spalteten sie die latente Opposition und glitten oftmals ins intellektuelle Sektierertum ab. 

Für viele innerhalb der Gruppen wurde zwar die Ausreise selbst das zwanghafte Ergebnis ihrer oppositionellen Arbeit, jedoch verdrängten sie dieses Problem und die bestehende Gemeinsamkeit mit den Übersiedlern ins Unbewußte. Jeder, der übersiedelte, wurde für sie zum Mißerfolg und zur sozialen Frustration. (37)   Sie übersahen, daß die angeblich individuellen Ziele der Übersiedler in Wirklichkeit ein Ausdruck gesamtgesellschaftlicher Not waren und damit ihrem Wesen nach ebenso Ausdruck von Opposition bedeuteten - ja letztendlich eine konsequentere Opposition waren, die nicht nur von Programmen und intellektuellen Ideen, sondern mit der ganzen persönlichen und sozialen Existenz getragen und erlitten wurde. (38)

Darüber hinaus stellten die “Ausreiser“ eine Massenbewegung dar. Den vielfältigen oppositionellen Gruppierungen gelang die Identität mit großen Bevölkerungschichten nur wenige Wochen lang im Zusammenhang mit dem Sturz der Honeckerregierung. Ansonsten waren sie gesellschaftlich und sogar innerhalb der Kirchen isoliert. (39)

Konspiration  Zur Differenzierung der vielfältigen Zusammenschlüsse geben die Unterlagen der Staatssicherheit wesentliche Anhaltspunkte. (40)   Bedingt durch ihr konspiratives Verhalten waren die einzelnen Gruppen oftmals nicht miteinander in Kontakt, arbeiteten selbständig und ohne Wissen voneinander, wodurch ein Überblick lange Zeit erschwert war. Dabei ist aber andererseits zu beachten, daß in nicht wenigen Fällen bei den aktiven Kräften der Gruppen personelle Identität bestand und die Sympathisanten mehreren Gruppen gleichzeitig angehörten. Nach einer grundsätzlichen Ausrichtung wird zwischen “Kirchlichen Basisgruppen“ (1 - 5) und Gruppen mit koordinierenden Funktionen (6 - 12) unterschieden.
kirchliche Basisgruppen
"Friedenskreise" ab 1979 DDR unabhängige Friedens- und Oppositionsbewegung; ab 1984 wechselnde Zielstellungen; traditionell kirchlich geprägt und von der Kirche getragen; Friedenswochen, Friedensseminare und Werkstätten
“Ökologie- und Umweltgruppen“ ab 1983 DDR zum Teil aus Friedenskreisen entstanden; nicht unbedingt als Opposition gegründet; Umweltbibliothek; Verbindung zu Grünen
“Frauengruppen“ ab 1982 DDR alternative Frauenbewegung; stark  Personengebunden geprägt; wenig kirchlich
“Christliche Mediziner“ ab 1983 Halle
Berlin
Erfurt
pazifistische Grundhaltung; gegen  Militärmedizin; unabhängig von DDR Sektion des IPPNW
“Menschenrechtsgruppen“ ab 1987 DDR Vielschichtige Zusammensetzung und  Ziele; stark oppositionell; auch Ausreisegruppen;
Basisgruppen zur
Koordinierung
“Konkret für den Frieden“ ab 1984 ........ Vernetzung von kirchl .Basisgruppen
“Solidarische Kirche“(AKSK) ab 1986 .. Kirchl. Mitarbeiter; Gegen Thron u. Altar; Basisbewegung 
"Kirche von Unten" (KvU) ab 1987 .. Kirchentag von unten; Berlin-Brandenburg; Basisbewegung gegen Kirchenleitungen
“Umweltbibliothek“ ab 1986 .. Information und Vernetzung
“Arche“ ab 1988 .. Basisdemokratisch, ökologisch
“Initiative Frieden u. Menschenrechte“ (IFM) ab 1984 .. International; keine kirchliche Anbindung
 “Freundeskreis Totalverweigerer“ ab 1986 .. totale Abrüstung; sozialer Friedensdienst


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4.1.6.  Wende
 
sozialer Unfriede Infolge der gelockerten Reiseregelungen und des positiven Eindrucks, den der “real existierende Kapitalismus“ bei vielen hinterließ, begannen die ideologischen Feind- und Katastrophenbilder der SED-Regierung zusammenzubrechen. Es enstand sozialer Unfriede. 

Die Fälschung der Kommunalwahlen im Mai 1989 und die Zustimmung des SED-Politbüros sowie der gesamten Volkskammer zur blutigen Zerschlagung der Demokratiebewegung in China hatten bei vielen Menschen Wut und Zorn ausgelöst. Dennoch wurde von der Regierung beharrlich jeder Gedanke an Reformen des politischen oder wirtschaftlichen Systems zurückgewiesen.

Massenpsychose “Den entscheidenden Faktor, der zur akuten Krise und zum Zusammenbruch des Honecker-Systems führte, bildeten jedoch der enorme Ausreisedruck und die hilflose, wirklichkeitsfremde Reaktion der Führung darauf, die die politischen Spannungen in bis dahin unbekannter Weise anheizte. Durch den Abbau der Sperranlagen an der österreichisch-ungarischen Grenze geriet die gesamte nach dem Mauerbau geschaffene Statik des politischen und wirtschaftlichen Systems in der DDR ins Wanken, weil das Legitimationsdefizit der Mächtigen in seiner ganzen Dramatik deutlich wurde.“ (41)

Die Demonstrationen der Ausreisewilligen mit der Parole “Wir wollen raus“ wurden im September von der nunmehr provokativ wirkenden Forderung “Wir bleiben hier“ abgelöst. Innerhalb der vom katholischem Bischof Wanke (Erfurt) bezeichneten “Massenpsychose des Weggehens aus der DDR“ überschlugen sich die Ereignisse. (42)   Nichts schien die Massen mehr aufzuhalten. Schlagartig formierten sich die Oppositionsgruppen und kamen aus den ihnen zugewiesenen Nischen heraus. In Leipzig demonstrierten im Anschluß an den Gottesdiensten hunderttausende von Menschen und forderten Reformen und eine Erneuerung der DDR.

Neue Parteien.. Daß es nicht zu einem blutigen Bürgerkrieg kam, war unter anderem auch dem beruhigenden Einfluß der Kirchen und der ideologischen Ohnmacht des Staates zu verdanken. Erich Honecker, Günter Mittag und weitere führende Personen müssen zurücktreten. In der “Wende-Zeit“ übernimmt Egon Krenz die wichtigsten Machtpositionen. Es kann jedoch nicht verhindert werden, daß die Demonstrationen an Stärke und Zahl zunehmen. Am 4.11.1989 finden sich in Ost-Berlin etwa eine Millionen Menschen zusammen und klagen Meinungsfreiheit und freie Wahlen ein. 

Nach und nach gründen sich Parteien und Oppositionsgruppen und treten mit Erneuerungskonzepten für eine Umgestaltung der DDR an die Öffentlichkeit (Neues Forum, Demokratischer Aufbruch, Bürgerbewegung Demokratie Jetzt, Sozialdemokratische Partei, Grüne Partei, Vereinigte Linke, u.a.)

Maueröffnung Am Abend des 9.11.1989 öffnet die DDR vollkommen unerwartet und unkontrolliert die Grenzübergänge in den Westen. Bereits in der Nacht eilen aber Tausende nach West-Berlin und werden dort begeistert empfangen. Berlin feiert das große Fest des Wiedersehens. In den nächsten Tagen fahren Millionen DDR-Bewohner in die Bundesrepublik. 60 km lange Autoschlangen stauen sich vor den Grenzübergängen. Es spielen sich unbeschreibliche Szenen der Freude ab.

MaueröffnungMit der Öffnung der Mauer wird das Trauma der DDR-Gesellschaft offenbar. “Der Fall der Mauer war der emotionale Höhepunkt der Entladung, ein kathartischer Durchbruch des Unbewußten: Die Menschen weinten und lachten, trunken vor Ekstase, taumelten sie sich in die Arme, alle deutsche Scheu, Vorsicht, Distanz, Zwanghaftigkeit und Kontrollsucht in einem Rausch der schmerzlichen Freude wegschwemmend. Der Gefühlsstau öffnete sich, das Verdrängte kam an die Oberfläche und die abgespaltenen Teile vereinigten sich. Ein kollektiv-emotionaler Prozeß wahrhaft historischer Dimension - aber eben kollektiv und nicht individuell geerdet, eine Überschwemmung von Gefühlen, eine Art ‘Massenpsychose‘. Das am häufigsten geäußerte Wort zu dieser Zeit war: ‘Wahnsinn! Ich begreife das nicht! Ich kann das nicht fassen! „‚ (43)  (Bild: Auf der Mauer vor dem Brandenburger Tor)

Die Parolen bei den anhaltenden Demonstrationen wandeln sich erneut. Nicht mehr die Feststellung “W i r sind das Volk“, sondern die Erkenntnis “Wir sind e i n Volk“ prägen den Fortgang der Ereignisse. Der Vereinigungsprozeß nimmt seinen Lauf. Er wird beschleunigt durch die anhaltenden Flüchtlingszahlen, die mittlerweile in die Hunderttausende gehen. (44)

neue Regierung Unter der Übergangsregierung des ehemaligen SED-Bezirksparteisekretärs Hans Modrow treffen sich auf Einladung der Kirchen in Ost-Berlin die fünf alten Blockparteien mit führenden Vertretern der Oppositionsgruppen an einem “Runden Tisch“. Zu den ersten praktischen Übereinkünften zählen die Aufforderung, den Staatssicherheitsdienst aufzulösen und im Frühjahr 1990 freie Wahlen durchzuführen.
Ab Januar 1990 setzt dann eine rapide Auflösung der staatlichen Machtstrukturen ein. 

Die alten Blockparteien der Nationalen Front, vor allem die CDU, ändern grundlegend ihre politische Ausrichtung. Gegen den Widerspruch der “alten“ Oppositionsgruppen werden von Politikern zunehmend Erklärungen über den Weg zur deutschen Einheit abgegeben. Wegen der Unterschätzung der nationalen Frage entfremden sich die Oppositionsbewegungen langsam von der überwiegenden Zahl der Bevölkerung. Als es am 18.3.1990 zu den ersten freien Volkskammerwahlen kommt, spielen sie politisch keine Rolle mehr.

Ergebnisse der Volkskammerwahlen:

CDU 40,9%; SPD 21,8%; PDS(SED) 16,3%; DSU 6,3%; Liberale 5,2%; Bündnis 90 2,9%
 

Vereinigung Der Prozeß zur Vereinigung ist nun nicht mehr aufzuhalten. Mit der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion am 1.7.1990 löste sich die DDR als wirtschaftlich und politisch eigenständiger Staat faktisch auf. Als real gescheiterter Sozialismus hat ein 40 Jahre altes poststalinistisches Gesellschaftsmodell sein friedliches Ende gefunden. Am 3. Oktober 1990 gibt es dann auch völkerrechtlich nur noch einen deutschen Staat. Die alliierten Truppen ziehen aus Deutschland ab.
Rolle-der-Kirche Den evangelischen Kirchen kann bei den gesellschaftlichen Veränderungen eine beträchtliche Rolle zugewiesen werden. Spätestens nach den Wahlfälschungen im Mai 1989 konnten sich Synoden, Kirchenleitungen und Kirchenbehörden nicht mehr den Fragen zur gesellschaftlichen Situation verschließen oder mit unkonkreten Mahnungen und Bitten ausweichen. Die Ökumenische Versammlung von Kirchen und Christen in der DDR nannte das Problem beim Namen und forderte: “Mehr Gerechtigkeit in der DDR - unsere Aufgabe, unsere Erwartungen“ (45)

Es wurde ein innergesellschaftlicher Dialog nicht nur angemahnt sondern gefordert und praktiziert. Geschah dies vorerst ausschließlich in kirchlichen Räumen, so weitete sich später die Diskussion auf breite Schichten der Bevölkerung aus. Die katastrophale Lage im Spätsommer und die Massenauswanderungen zwangen dazu, Ursachen zu benennen und Reformen einzuklagen. Die Kirchen taten dies nachdrücklich.

Option für den Sozialismus Allerdings zogen sie eine deutliche Grenze. Der Sozialismus sollte reformiert und nicht abgeschafft werden. Nach dem Sturz Honeckers stimmten der neue Generalsekretär des ZK der SED Egon Krenz und der Vorsitzende der KKL Landesbischof Werner Leich darin überein, “daß es gilt, die DDR, deren Geschichte auch ein Stück Geschichte der evangelischen Kirchen unseres Landes und des gesellschaftlichen Mittuns christlicher Bürger ist, zu bewahren.“ und der Generalsuperintendent von Ost-Berlin, Günter Krusche, erklärte: „... wenn es auch gerade in den letzten kritischen Monaten Überlegungen gegeben hat, den Begriff ‘Kirche im Sozialismus zu verabschieden, wird es bei aller Kritik am real existierenden Sozialismus bei der Option für eine sozialistische Gesellschaft bleiben. Darin sind sich viele Kirchenglieder mit den Vertretern der Reformgruppen einig.“ (46)

Diese Option für den Sozialismus war aber lediglich der alte Fehler der führenden Kirchenvertreter - der Graben zwischen Kirchenführung und Kirchenvolk. Die Mehrzahl jener christlichen Bürger und Kirchenglieder, auf die man sich jahrzehntelang zur Legitimierung einer Kirche im Sozialismus berufen hatte, war nämlich vollkommen anderer Meinung.

"Pfarrerregierung" Ein Spezifikum dieser politischen Wende, die zum Teil revolutionäre Züge trägt, besteht darin, daß viele kirchliche Mitarbeiter durch die Übernahme von staatlichen Ämtern und politischen Funktionen maßgeblichen Einfluß auf die weitere Entwicklung der Gesellschaft nehmen. Allein in der Regierung der DDR haben vier Pfarrer ein Ministeramt inne und weitere sitzen als Abgeordnete in der Volkskammer. Der Anteil der Pastoren, die politische Funktionen übernahmen, schwankt in den Landeskirchen von 15 bis über 40 Prozent. In der Pommerschen Evangelischen Kirche (ehemals Greifswalder Landeskirche) haben bei der Kommunalwahl am 6. Mai 1990   42 Prozent aller Pastorinnen und Pfarrer ein politisches Mandat erhalten. Die Konferenz der Ev. Kirchenleitungen beschloß daraufhin, die Dienstverhältnisse dieser Mitarbeiter auszusetzen. (47)


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4.2.1.   "Thron und Altar"
 
Burgfrieden Bei dem Gespräch zwischen Staat und Kirche vom 6. März 1978 wurde ein Burgfrieden geschlossen. Auf Grund der angespannten internationalen Lage und der innenpolitischen Stagnation konnte es sich die SED-Führung nicht leisten, gegenüber der Kirche auf Konfrontationskurs zu gehen. In dieser Situation erschien es angebracht, gemäß ihrer Dialektik von Diktatur und Bündnispartner, die Kirche, da sie nicht “absterben‘ wollte, als hilfsbereite gesellschaftliche Kraft zu gewinnen.

Manfred Stolpe, der das Sekretariat des Kirchenbundes bis 1981 leitete, beschrieb die Situation: “Der Kirche ist heute als eigenständiger Größe in aller Form gesellschaftliche Bedeutung und Mitspracherecht zuerkannt worden. Ihre eigene Mitverantwortung für die Zukunft aller ist unbestritten. Die Kirche wird demzufolge heute nicht als Institution des Klassengegners, sondern als eigenständige gesellschaftliche Kraft gewertet.“ (48)

Bündnispartner Honecker und Leich(Foto März 1988, Honecker links und rechts der Vorsitzende des Ev. Kirchenbundes Bischof Werner Leich "Wachsende Annäherung")

Dieser Status der eigenständigen gesellschaftlichen Kraft konnte von der SED einem traditionellen Klassengegner aber nur zugebilligt werden, wenn die Kirche in entsprechend ausgehandelten Kompromissen als Bündnispartner von Nutzen war. Innerhalb des politischen Systems der DDR fand eine neue Strukturbildung statt. (49)   Da die Ideologie der Partei es nicht schaffte, sozialistische Normen und Werte für das Volk annehmbar zu machen, besann sie sich auf ihre klassische Religions- und Kirchenkritik und inaugurierte, eingedenk des Marxschen Satzes, daß Religion Opium fürs Volk sei, die Kirche zu ihrem Bündnispartner für die achtziger Jahre.

Vertrauenspartner Die SED-Führung machte sich dabei den bestehenden Graben zwischen Kirchenleitungen und Kirchenvolk geschickt zu nutze. Mit Geheimdiplomtie und Staatssicherheitsintrigen schaffte sie es immer wieder, diesen Graben für ihre politischen Sicherheitsinteressen zu erhalten. 

Noch am 24.10.1989, als die Honeckerregierung bereits gestürzt war, konnte es ein führender SED-Politiker als Vertrauensbruch bezeichnen, daß es dem stellvertretenden Vorsitzenden des Bundes, dem Konsistorialpräsidenten Stolpe nicht gelungen war, eine der Regierung unangenehme Veranstaltung zu verhindern. (50)   Dieses Vertrauen, das die SED gegenüber den Kirchenleitungen hatte und das das SED-Politbüromitglied Schabowski noch beim Untergang beschwor, war nicht blindlings, sondern über Jahre hinweg gewachsen und bewährt (51).

Der Bündnispartner Kirche hatte in den achtziger Jahren für die SED moralpolitische und ordnungspolitsche Aufgaben zu erfüllen. "Die Partei benutzte die Kirche als kontrolliertes Auffangbecken für Ideen und Menschen. Wer den parteibürokratisch gesteuerten Politrummel nicht mitmachen will, der hat damit die Gelegenheit, ‘alternativ‘ zu sein - im genau vorgegebenen Rahmen der evangelischen Landeskirche. Wo dieser Rahmen nicht eingehalten wird, da kommt es nach wie vor zum Konflikt mit der Staatsmacht.“ (52)

Selbstgerechtigkeit Diese Konflikte haben dann nach außen hin den Eindruck entstehen lassen, daß die Kirche in der DDR eine von Partei und Staatsmacht verfolgte Opposition sei. Ein solches Zerrbild wurde, besonders gegenüber den West-Kirchen gepflegt, um den moralischen Anspruch der finanziellen Abhängigkeit zu begründen und nach innen in ein evangelisches Selbstbewußtsein umgewandelt, daß in seinem “christlichen Leiden“ oftmals zur weinerlichen Selbstgerechtigkeit  (53) verkam. 

Darüber hinaus wurde der tatsächliche und vermeintliche Schutz oppositioneller Kräfte als eine Chance verstanden   “...um die ‘Kirche im Sozialismus‘ durch ein ehrenwertes Protestmaterial zu stärken und an Inhalten aufzufüllen, was an religiöser Kraft verloren gegangen war, und auch um eine mögliche Kollaboration mit dem sozialistischen System zu verschleiern.“ (54)

Kollaboration Öffentlich wurde eine Kirchenverfolgung aber stets verneint. Man befand sich in trauter Eintracht mit der “gesetzmäßigen Entwicklung des Sozialismus“ Im Juni 1989 konnte dann der Greifswalder Bischof und EKU-Vorsitzende Gienke den Parteichef Honecker erstmalig zum Gottesdienst einladen und mit den bezeichnenden Worten begrüßen: “Die neuen Türen des Domes sind gemeinsam für uns geöffnet.“(55)

Gegenseitiges Vertrauen und Hochachtung voreinander waren nicht nur Floskeln. Ein Tag vorher hatte Altbischof Schönherr zum wiederholten Male deutlich ausgesprochen, daß die Kirche kein Sammelbecken der Opposition sei. (56)  Stabile Verhältnisse, in denen Straßendemonstrationen keinen Platz haben und in denen der Staat der DDR eine gute Entwicklung nehmen möge, waren wenige Tage später der Wunsch von Konsistorialpräsident Manfred Stolpe und der Konferenz der Kirchenleitungen. (57) Und beim Kirchentag in Leipzig im Juli 1989 mahnte der Staatssekretär für Kirchenfragen, Löffler, die “wahrhafte Verantwortungsgemeinschaft“ zwischen Staat und Kirche an.

Aber es war bereits zu spät. Die Kirchenführer versuchten dann heil und unbeschadet aus dieser Verantwortungsgemeinschaft herauszukommen. Die Staatssicherheit meldete, daß einzelne anfangen zu taktieren und für die Staatspolitik nicht mehr verläßlich sind (58).


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4.2.2.   Geschäftspartner
 
Westgeld... Für die SED-Führung waren neben den moral- und ordnungspolitischen Funktionen der Kirchen besonders ihre finanziellen Bindungen an die West-Kirchen von Bedeutung. Wegen ihres permanenten Devisenmangels ließ die DDR keine Gelegenheit außer acht, auch verhältnismäßig kleine Beträge zu erlangen. Das Besondere an den Westgeldern der Kirchen lag darin, daß alle Transferierungen nicht dem Staat, sondern der Partei zu Gute kamen. Ob es Bauvorhaben, Geschenksendungen oder Bruderhilfen waren, sie flossen letztendlich den parteieigenen Betrieben zu. Jeder kirchliche Mitarbeiter und Pfarrer, jeder Anstaltsleiter und jeder Konsistorialrat war mehr oder weniger, unbewußt oder bewußt in diese Parteigeschäfte der SED-Handelsunternehmen LIMEX und GENEX verwickelt.(59)
Machtmißbrauch Schätzungen gehen davon aus, daß ein großer Teil (bis 50%) des kirchlichen Haushaltes aus Devisen bestritten wurde. (60) Von einer Synode einzusehende Haushaltspläne wurden darüber aber nie geführt oder gar verantwortet. Zwar mußte minutiös jede Ostmark, jeder Kollektenpfennig dreimal verzeichnet und verrechnet werden, aber Tausende von Westmark wanderten geheimnisvoll über die Tische der Konsistorialräte. Dem Machtmißbrauch war Tür und Tor geöffnet. Mit der Verteilung dieser Gelder konnte belohnt oder diszipliniert werden, je nach den Erfordernissen der Kirchenpolitik oder den Interessen der Partei.
Schweigen Forderungen nach Offenlegung dieser Gelder wurden von den Konsistorien immer wieder mit dem Hinweis auf die Geheimhaltung vor dem Staat verhindert. Bis ins unbedeutendste Pfarramt und kirchliche Altersheim hinein wurde ein Mantel des Schweigens ausgebreitet. Das, was die Partei selber als einträgliches Geschäft betrieb, sollte irrsinnigerweise vor ihr verborgen bleiben. Die Kirchengemeinden und unteren kirchlichen Mitarbeiter haben diese Verbindung zwischen SED und Kirche nie wahrgenommen oder durchschaut. Sie sahen nur die positiven Seiten dieser Unterstützungen, denn viele Aufgaben der Kirchen wären ohne diese Gelder undenkbar gewesen.

“So war das Agreement zwischen Staat und Kirche kirchenerhaltend und stärkte dabei auch das politische System. Vor allem die finanzielle Abhängigkeit vom Westen, die noch verschärft wurde durch die sogenannte ‘Bruderhilfe‘, eine direkte materielle Zuwendung an kirchliche Mitarbeiter in der DDR, hat die wirkliche ökonomische Lage der evangelischen Kirche verschleiert, und ein kritisches Nachdenken oder Bemühen um geistliche Erneuerung konnte damit vermieden werden. Die spirituelle Kraft der evangelischen Kirchen war sichtbar erlahmt.“ (61)


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4.2.3.   Friedensbewegung
 
Stellvertretung Die Eigenständigkeit der christlichen Weltverantwortung der Kirchen ist nach dem Grundsatzgespräch vom 6. März 1978 von der Regierung der DDR akzeptiert worden. Die Friedensfrage wurde aber wegen ihres politischen Charakters unmittelbar danach zur Belastungsprobe des Verhältnisses von Staat und Kirche. “Aus der Sicht des Staates war dies so, weil die Ablehnung von ‘Geist und Logik der Abschreckung‘ gegen ein wesentliches Element des sozialistischen Verteidigungskonzeptes gerichtet scheint und in den Verdacht gerät, die Verteidigungsbereitschaft zu schwächen.“ (62)

Der lang ausgehaltene Konsens mit den Friedensvorstellungen des Staates, der von der CFK für den kirchlichen Bereich theologisiert wurde, konnte viele Christen nicht mehr befriedigen. Spätestens seit Einführung des Wehrkundeunterrichtes wurde die permanente Millitarisierung der Gesellschaft unerträglich. Es schlossen sich viele Christen, Theologen und kirchliche Mitarbeiter zu den verschiedenartigsten Friedensgruppen zusammen. Diese Gruppen fanden allein in kirchlichen Räumen Möglichkeiten sich zu versammeln und zu artikulieren. Sie zogen von Anfang an auch Menschen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen an, da eine von unten initiierte Meinungsäußerung sonst in der DDR nicht geduldet wurde. Die Kirche ist somit ungewollt in eine Stellvertreterfunktion hineingedrängt worden.

Repressionen “Zu Auseinandersetzungen um das Friedenszeugnis der Kirche kam es auch dadurch, daß die zahlreichen Friedensaktivitäten auf allen Ebenen kirchlichen Lebens ... oft bis zur Ununterscheidbarkeit mit Menschen, vor allem Jugendlichen, durchsetzt sind, für die solche Aktivitäten gleichzeitig ein Ausdruck von Staatsverdrossenheit, politischer Opposition oder innerer Emigration ... sind.“ (63)  Staatsverdrossenheit oder versteckte Anarchie war aber für den Staat ebenso wie für die Amtskirche eine untragbare Haltung, die mit allen Mitteln der Repression unterdrückt wurde.
Basisinitiativen Dennoch bildeten sich nach und nach Basisinitiativen für unterschiedliche gesellschaftliche Anliegen heraus. Die Kirche übernahm gemäß ihren eigenen Synodenbeschlüssen für die Friedensaktivitäten die Verantwortung und geriet zunehmend in Konflikt mit dem Staatsapparat, der nicht selten mit erheblichen Erpressungsversuchen eine Spaltung der Gruppen und der Kirchenleitungen versuchte. (Konflikt um das Friedenssymbol “Schwerter zu Pflugscharen“ 1982, Antikriegsmuseum, Verbot der Friedenswerkstatt 1987) (64)

Friedenswochen, Friedenswerkstätten, Friedensseminare, Friedensmärsche, Beratung für Wehrdienstverweigerer, Antikriegsausstellungen, Bluesmessen, Schweigemärsche, Fastenaktionen und noch viele andere Initiativen veranstalteten Gemeindeglieder gemeinsam mit Nichtchristen. Sie wendeten sich in den folgenden Jahren auch den Themen der Ökologie, der Gerechtigkeit und der Menschenrechte zu. Im Jahr des Umbruchs spielte dann die Friedensfrage nur noch eine bescheidene und kaum zu erkennende Nebenrolle.

Friedensfrage Die Synode des BEK hatte auf ihren Tagungen 1982 und 1985 dem Geist, der Logik und der Praxis der Abschreckung abgesagt. Dies gab der Friedensbewegung Anlaß zum weiterfragen, denn wer das Abschreckungsprinzip ablehnt, muß auch die Abgrenzungen, die einen friedlichen Dialog behindern, zu beseitigen versuchen. So wurde die Friedensfrage zu einer konkreten gesellschaftliche Forderung erweitert und gleichzeitig präzisiert. 1987 hieß es in einer Initiative: “Die Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung und das Einstehen für diese Forderungen können helfen, unser Leben aus verengten Perspektiven herauszuführen. Erst dann werden wir unsere Existenz nicht mehr als bevormundet und zweitrangig erfahren, sondern uns als freie und mündige Bürger betrachten.“(65)  Die Wende 1989 war damit theoretisch vorbereitet.


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4.2.4.   Gruppen
 
Scheinkirche Mit der Entwicklung innerhalb der als Friedensbewegung begonnenen Basisbewegung war die Kirche oftmals überfordert. Sie sah mit den Aktivitäten der Gruppen den in Barmen zitierten Kampf zwischen wahrer Kirche und Scheinkirche in ihre ausgehandelte Staatsloyalität hereinbrechen. (66) Da es ihr mit der bewährten Geheimdiplomatie nur im begrenzten Umfang gelang, die vor westlichen Fernsehkameras ablaufenden Demonstrationen und Polizeimaßnahmen zu relativieren, stand die Amtskirche in aller Öffentlichkeit konzeptionslos zwischen den Fronten. 
Zerwürfnisse Besonders in Ost-Berlin gab es zwischen den Gruppen und der Kirchenleitung schwere Zerwürfnisse (Friedenswerkstatt, Kirchentag 1987, Auftrittsverbote für die Künstler Krawczyk und Klier). (67)  Die Synode der Landeskirche im April 1988 spiegelt diese Problematik deutlich wieder, und im “Grenzfall“, der einzigen in der DDR erschienenen Untergrundzeitung, war zu lesen, daß die Kirche die Gruppen über Jahre “mit billigsten Mitteln bürokratischer Arroganz immer wieder abgespeist und hingehalten“ hat und ständig durch geschicktes Taktieren versuchte, die Gruppen “aufzuweichen“. (68)

Kirche von UntenAls die Problematik Ende 1987 wegen des Sturms der Staatssicherheit auf die Berliner Umweltbibliothek eskalierte, mußte der Generalsuperindenten von Berlin Günter Krusche auf der folgenden Landessynode erklären: “Wir sind zu Elementen einer Strategie geworden, die wir nicht mehr in der Hand halten. Wir mußten reagieren, haben punktuell einmal hier, einmal da Schlimmes toleriert, um Schlimmeres zu verhüten und haben dabei unser Profil verloren und uns mehr von Krisen als von Kriterien leiten lassen! Nicht nur der Staat, sondern - was mich viel mehr beunruhigt - auch unsere Gemeinden fragen jetzt nach der Position der Kirche.“ (69) Und diese Frage war berechtigt. Über ihre Beantwortung kam es innerhalb der Kirchenleitungen, besonders in Berlin-Brandenburg, zu heftigen Kontroversen, So ergab sich die Situation, daß auf der einen Seite kirchliche Amtsträger die Interessen der Gruppen zu schützen versuchten und sich auf der anderen Seite Superintendenten und Konsistorialräte wie Staatsanwälte aufführten. (70) (Bild: Berliner Kirchentag 1987 Transparente des "Kirchentags von Unten")

Verdrängung Da viele Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Kirchen nur selten an die Öffentlichkeit gelangten, ist eine gerechte Einschätzung der Rolle der Kirchen in diesem Dreiecksverhältnis Staat - Kirche - Gruppen erschwert. Gerade im Zusammenhang mit der Wende im Herbst 1989 ist nach außen sichtbar geworden, daß die Formation von Demonstrationszügen ihren Anfang in Kirchen und kirchlichen Räumen gefunden hat. Verborgen blieb dagegen, daß es für die Demonstranten oftmals sehr kompliziert war, in diese Kirchen hineinzugelangen, da die Kirchenleitungen z.B. Demonstrationen als nicht geeignete Mittel ansahen, gesellschaftliche Veränderungen durchzusetzen und grundsätzlich einer politischen Opposition ablehnend gegenüber standen. (71)

Es bleibt deshalb festzuhalten, daß nicht die Kirchen diesen Gruppen ein Dach gegeben haben, sondern daß die Gruppen sich dieses Dach unter großen Schwierigkeiten und gegen den Widerstand des größten Teils der Amtskirche selbst genommen haben. “Kirchentüren öffneten sich, weil Menschen von außen daran pochten. Und jene, die sie aufmachten, hatten nicht selten einen kräftezehrenden Kampf mit staatlichen   u n d   mit kirchlichen Autoritäten zu führen.“ (72)

Identitätskrise Von daher ist es auch zu verstehen, daß viele Anhänger dieser Gruppen die Räume der Amtskirche fluchtartig verließen, als sich ihnen bessere Möglichkeiten boten, ihre christliche und gleichzeitig politische Weltverantwortung zu artikulieren. Die evangelischen Kirchen in der DDR haben sich oppositionellen Gruppen aber letztendlich nur deshalb geöffnet, weil diese Gruppen die DDR reformieren und nicht abschaffen wollten. Mit dem Zusammenbruch des Sozialismus sind viele Mitglieder der Gruppen und manche Theologen der Kirche in eine Identitätskrise geraten, Die Hoffnung auf die Reformierbarkeit des DDR-Sozialismus erwies sich als ein Traum. (73)

Die einzelnen Kirchengemeinden, in denen die Turbulenzen und Auseinandersetzungen mit den Basisgruppen stattfanden, haben die Erlebnisse mit diesen Gruppen als lästig empfunden und ihr Kirchenverständnis in keiner Weise verändert. Man war nach der Wende froh, wieder auf die althergebrachte Weise Gott loben, preisen und danken zu können. Ein gesellschaftliches oder politisches Engagement widersprach nach wie vor ihrem christlichen Selbstverständnis.

(Zur Systematik der Gruppen siehe Abschn. Opposition)


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4.3.1.   Konkursverwaltung
 
Substanzverlust Die Kirche in der DDR verstand sich als Zeugnis- und Dienstgemeinschaft mit den Elementen der Sammlung und Sendung. In den achtziger Jahren wurde diese Bestimmung allgemein angenommen. Sie hatte als Kriterium der Gemeinde aber mehr den Charakter einer Zielvorstellung als den eines empirischen Kennzeichens. Die kirchlichen Mitarbeiter arbeiteten gegen den Trend der kleiner werdenden Gemeinden an. Nicht wenige opferten sich auf und gaben ihr letztes. 

Der Substanzverlust war aber trotzdem allerorten spürbar und konnte in nur wenigen Ausnahmefällen aufgehalten werden. In den Großstadtgemeinden schien der Tiefpunkt bereits erreicht zu sein. In den ländlichen Gemeinden mit ihren traditionellen Ausprägungen schrumpften die Mitgliederzahlen zwar langsamer aber dennoch kontinuierlich weiter. Nach der Wende bekannten sich 22,5% der DDR-Bevölkerung zur Evangelischen Kirche und 4,2% zur Katholischen Kirche. 0,7% gehörten einer anderen Konfession an. (74)

VersöhnungskircheSichtbarer Ausdruck des Substanzverlustes war der ständig zunehmende Zerfall der kirchlichen Gebäude. Zwar wurden einige ausgewählte Objekte restauriert oder wiederaufgebaut, aber der überwiegende Teil verfiel von Jahr zu Jahr mehr. Dazu muß aber gesagt werden, daß der Verfall der Bausubstanz nicht nur ein kirchliches Problem war, sondern ein hausgemachtes DDR-Charakteristikum darstellte. Die wirtschaftlichen und ökonomischen Möglichkeiten der Gesamtgesellschaft waren desolat und ließen nur einen minimalen Spielraum für innovative Entscheidungen zu. 

(Bild: Sprengung der Berliner Versöhnungskirche 1985 zur Erweiterung der Grenzanlagen in der Bernauer Straße.)

Amt und Gemeinde Es wurde ständig nach neuen Wegen gesucht, aus der permanenten Konkursverwaltung herauszukommen. Theologische oder soziologische Konzepte konnten aber nur sehr selten in die Praxis der kirchlichen Arbeit umgesetzt werden. (75)

Die natürlichen Grenzen der Gemeindearbeit waren verfestigt und schienen unüberwindbar. Die bestehenden Formen des kirchlichen Lebens, die überlieferten Strukturen von Amt und Gemeinde galten bei den meisten Gemeindegliedern als verbindlich. Ihre Relativität und Veränderbarkeit wurden nicht erkannt oder oft sogar heftig bestritten. Im vorgefundenen Gemeindeaufbau, besonders in den ländlichen Gemeinden, nahm das Pfarramt, das als Gegenüber zur Gemeinde verstanden wurde, immer noch die zentrale Stellung ein. Mit dem starren Festhalten der Kirchenbehörden an der flächendeckenden Gemeindearbeit wurden die alten Strukturen gestützt. (76)  Der Gemeindeaufbau wurde nach wie vor als Wirkung der Predigt, der Sakramentenspendung und der Seelsorge verstanden.

Strukturerhalt Neben finanziellen traten vermehrt personelle Probleme auf. Gerade die flächendeckende Gemeindearbeit kostete enorme Mittel und Arbeitskräfte. Es wurden Gemeinden gehalten und gestützt, in denen es faktisch kaum noch kirchliche Lebensäußerungen gab. Landpfarrämter mit 400 registrierten Gemeindeglieder, von denen vielleicht 20 zum inneren Kreis gezählt werden konnten, waren keine Seltenheit. 

Der in traditioneller Form abgehaltene Gottesdienst hatte seinen Öffentlichkeitscharakter vollkommen verloren. Als Mittelpunkt des Gemeindelebens angesehen, war es nur möglich, unter großen Schwierigkeiten die älteren Gemeindeglieder zu sammeln. Den wenigen Gottesdienstbesuchern stand dann ein riesiges Kirchengebäude gegenüber, daß krampfhaft erhalten werden mußte, obwohl es seine ursprüngliche Funktion als Sammelort der ganzen Gemeinde bereits vor Jahrzehnten verloren hatte. 

Konzepte, die den offensichtlichen wirtschaftlichen und geistlichen Konkurs vieler Gemeinden akzeptiert hätten, und darauf aufbauend neue Wege in die Praxis hätten finden können, gab es nicht oder wurden nicht ernst genommen. (77)


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4.3.2.   Resignation
 
lautloses Ausbluten Bei Gemeindegliedern und kirchlichen Mitarbeitern breitete sich Resignation aus. Es gab zwar nirgends dramatische Zusammenbrüche von Ortsgemeinden, aber das lautlose Ausbluten der Christengemeinschaft bedeutete für die Betroffenen Trauer, wehmütiges Zurückschauen, Mutlosigkeit und eine verschlossene Zukunft. (78)

So mußte die Konferenz der Kirchenleitungen in ihrem Bericht vor der Bundessynode im September 1987 in Görlitz feststellen: “Nach der Debatte in den vergangenen Jahrzehnten hat kaum jemand Interesse oder Kraft zum Nachdenken über Strukturen. Angesichts der veränderten und sich verändernden Situation der Kirche ist es jedoch auch nicht denkbar, die überkommenden Strukturen einfach fortleben zu lassen.“ (79) Ein Ausweg aus der Situation der bestehenden Kirchenverfassung wurde jedoch nicht aufgezeigt. 

Realitätsverlust Hier setzte sich auch ein altes Dilemma der “Kirche im Sozialismus“ fort. Der Graben zwischen Kirchenführung und Gemeindegliedern, der bereits bei der Kirchenbundgründung 1968 und dann bei der Selbstverbrennung von Pfarrer Brüsewitz 1976 sichtbar wurde, konnte nicht überwunden werden. Auf beiden Seiten stellte sich ein erheblicher Realitätsverlust ein. Fatalistisch erwarteten die Gemeinden von den Synoden und Kirchenleitungen einen Ausweg aus ihren Identitätskrisen. Und die Kirchenführung sah, mit anderen Dingen beschäftigt, über die Trostlosigkeit der Ortsgemeinden hinweg.

Kirchliche Mitarbeiter und Gemeindeglieder mußten oftmals den Eindruck gewinnen, daß zwar mit dem Staat ein konstruktiver Dialog geführt wurde, Offenheit und Vertrauen sichtbar waren und eine Kooperation positive Ergebnisse brachte, daß aber für die konkreten Nöte und Sorgen der Gemeinden nur billige Bibelsprüche und Durchhalteparolen als Trost zur Verfügung gestellt wurden. Beschämend mußte die Konferenz der Kirchenleitungen 1986 zugeben: “So haben Mitglieder von Leitungsgruppen (Kirchenleitende Organe) kaum noch Anteil an bedrückenden Erfahrungen von Gemeindegliedern in schrumpfenden Gemeinden.“ (80)

Fatalismus Innerhalb der Kirchen wird die Entfremdung der Leitung von der Basis zum Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse des Sozialismus. Die Resignation in der Kirche potenzierte eigentlich nur die Resignation der Gesellschaft. Der Fatalismus der Kirchengemeinden war somit überwiegend Ausdruck einer sozialistischen Lebensweise, die von Passivität und Unterwerfung, von Depressivität und Hilflosigkeit gekennzeichnet war. Eine Kirche im Sozialismus konnte nur “Kirche im Sozialismus“ sein, nicht mehr und nicht weniger. Aus der Auftragsbestimmung dieser Kurzformel, wurde ein Wesensmerkmal. 

Wenige Wochen vor dem Zusammenbruch des Sozialismus formuliert die Synode des Bundes: “Wir stellen fest, daß unser Reden viele nicht mehr erreicht. ... Uns gelingt es nur schwer, die Hoffnung zu vermitteln, die uns Christen gegeben ist, und auf den vom Evangelium eröffneten Weg einzuladen, der jeden zur Erfüllung seines Lebens führt. ... Der Gegensatz zwischen Anspruch und Wirklichkeit unseres Kirchenseins steht uns vor Augen.“ (81)


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4.3.3.   Erneuerung von Unten
 
Strukturwandlung Mit dem Zerfall der kirchlichen Traditionen innerhalb der Landgemeinden, die bis dahin die Stütze eines Volkskirchenkonzeptes waren, ergab sich aber auch eine grundlegende Strukturwandlung. Die Kirche kehrte in die Stadt zurück, denn nur dort, so schien es, konnte Hoffnung auf einen Wandlungsprozess gefunden werden, der den Christen in der DDR Mut und Kraft gab, der zersetzenden Resignation zu widerstehen.

Von der Amtskirche, die über Jahre hinweg nicht in der Lage war den Gemeinden mit Wort und Tat über ihre Enttäuschungen wirksam hinwegzuhelfen, spalteten sich zwei grundsätzlich verschiedene und in ihrer Erscheinung diametral entgegengesetzte Richtungen ab. Einmal war das die charismatische Erneuerungsbewegung, die mit religiöser und pietistischer Verinnerlichung gemeinschaftliche Strukturen aufbauen wollte, und zum anderen die Basisgruppen, welche die Weltverantwortung des einzelnen Christen mit politischer Opposition gegen Staats- und Kirchenhierarchie zur Geltung bringen wollten.

Charismatiker Die charismatische Erneuerungsbewegung (charismatische Gruppen, Geistliche Gemeindeerneuerung, landeskirchliche Gemeinschaften) geriet mit den bestehenden Strukturen der Kirche und der Gesellschaft in nur geringe Konflikte. Da sie grundlegend unpolitisch war und primär die Erneuerung des inneren Menschen mit einer verbindlichen persönlichen Christusnachfolge anstrebte, wurde sie toleriert und zum Teil gegen die Basisgruppen ausgespielt. Verdächtig machte sie sich nur, weil sie nach außen den Anschein eines konspirativen und von der Amtskirche unkontrollierten Zusammenschlusses erweckte. (82)
"linke Gruppen" Die schillernde Vielfalt der sogenannten Gruppen (Basisgruppen, Friedensbewegung, Ökogruppen usw.) bereitete der Kirche und dem Staat erhebliche Schwierigkeiten. Sie ließen sich nicht ohne weiteres in die althergebrachten Vorstellungen von Kirchlichkeit, Christlichkeit oder Parteilichkeit einordnen. Da es um diese Gruppen aber immer wieder Streit und öffentlichkeitswirksame Konfrontationen gab, hatten sie einen großen Zulauf besonders aus der jüngeren Generation zu verzeichnen. Oftmals füllten tausende Menschen die Kirchen und es war besonders bei Musikveranstaltungen (Bluesmessen) zu erleben, daß nicht einmal die großen Stadtkirchen ausreichten, um dieser neuen kirchlichen Lebensäußerung Platz zu geben.
Kerngemeinde Dennoch war der Einfluß der charismatischen Bewegung und der Basisgruppen auf die herkömmliche kirchliche Arbeit gering. Sie selber standen sich verständnislos und vollkommen ablehnend gegenüber. Und die “evangelische Kerngemeinde“, in die die geistlich bewegten und sozial engagierten Gruppen ihre Impulse der Kirchenerneuerung hineintragen wollten, empfand diese neuen Bewegungen für ihr lutherisches und obrigkeitshöriges Selbstverständnis als eine Zumutung. Bei den Anhängern der Bewegungen konnte die allgemeine Resignation gedämpft werden, bei den Gemeinden bestand sie jedoch fort. (83)


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4.3.4.   Neue EKD
 
Zusammenwachsen Der gescheiterte Sozialismus konnte nach der Wende nicht mehr zur Positionsbeschreibung der Kirchen herangezogen werden. Das DDR-kirchliche Selbstverständnis stand im luftleeren Raum. Eine Kirche im Sozialismus ohne die Existenz des Sozialismus warf Fragen auf, die nicht nur die zukünftige Entwicklung betrafen, sondern auch die kirchliche Vergangenheit kritisch beleuchten mußten.

In einer besonderen Situation stand dabei die Kirche in Berlin-Brandenburg. Die Ost- und Westregion war kirchenrechtlich eine Kirche geblieben. Sobald die Situation, die ein Zusammenkommen der leitenden Kirchenführer verhinderte, aufgehoben war, hatte der an Jahren älteste Synodalpräsident entsprechend ihrer Notverordnung eine gemeinsame Synode einzuberufen. 

Auf dieser ersten Synode der Ost-West Region wurde das Problem der Kirche im Sozialismus aber nicht angesprochen. Im Mittelpunkt standen juristische Fragen. Ohne Vergangenheitsbewältigung ging man geschäftig - aber irritiert an die Probleme der gemeinsamen Zukunft heran. (84)

Probleme... Führende Vertreter der EKD und des BEK sprachen sich am 17.1.1990 in Loccum für ein Zusammenwachsen der seit 1969 getrennten Kirchen aus. Es wurde eine gemeinsame Kommission vereinbart, die im Mai dann faktisch als ein gesamtdeutsches evangelisches Leitungsgremium auftrat. Die Unterschiede zwischen der EKD-Grundordnung und der DDR-Kirchenbundsatzung mußten aufgearbeitet werden. Schwierige Fragen waren darüber hinaus die Kirchensteuerhebung, der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen und der Militärseelsorgevertrag. (85)
Vereinnahmung Die Loccumer Erklärung mit ihrer kirchlichen Neuvereinigung war aber nicht unumstritten. In einer “Berliner Erklärung von Christen aus beiden deutschen Staaten“ wird vor einem neuen Nationalismus, einer Verdrängung der Geschichte und einer Vereinnahmung der DDR mitsamt ihrer Kirchen gewarnt. “Es darf nicht geschehen, daß nach dem Aufbruch des DDR-Volkes zur Selbstbestimmung und einen neuen Selbstbewußtsein eine neue Fremdbestimmung an die Stelle der SED-Herrschaft tritt. ... Wir müssen der irreführenden Alternative von Kapitalismus und Sozialismus widerstehen, die das deutsch-deutsche Gespräch immer stärker beherrscht. Im konziliaren Prozeß für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung ist unübersehbar geworden, daß beide Systeme nicht in der Lage waren, die Frage des Überlebens der Menschheit und der Erde zu beantworten.“ (86)
Identitätswahrung Auf der Synode des BEK vom Februar 1990 wurde dann eine gemäßigte Gangart zur Vereinigung der Kirchen angestrebt. Keine Seite sollte ihre Identität aufgeben müssen. Die Synodalen waren oberflächlich mit der Vergangenheit beschäftigt, machten sich Sorgen um die soziale Entwicklung und um die “menschliche Wärme“ in der DDR und fragten sich, was als Eigenes in einer größeren Gemeinschaft bewahrt werden müßte. (87)
Verzögerungen Eine Kommission von EKD und BEK nahm dann im Juni 1990 in Iserlohn ihre Beratungen auf, um die Schritte zur Zusammenführung der beiden Kirchen zu präzisieren. Damit wurde faktisch wieder ein gesamtdeutsches evangelisches Leitungsgremium geschaffen, jedoch machte die eigentliche Vereinigung der Kirchen keine Fortschritte. 

Mitglieder dieser Leitung wurden von der Westseite der EKD-Ratsvorsitzende und Westberliner Bischof M. Kruse, Bischof H.-G. Jung, Präses Schmude, Altbischof H. von Keler und Oberkirchenrat W. Hofmann und auf der Ostseite der Kirchenbund-Vorsitzende und Magdeburger Bischof C. Demke, Landesbischof J. Hempel, Konsistoriumsleiter H.-M. Harder, R. Cynkiewicz, und B. Klingbeil. (88)

Die bewußte Verzögerung der kirchlichen Einheit konnte aber angesichts der politischen Realitäten nicht lange durchgehalten werden. Der Vorsitzende des DDR-Kirchenbundes Bischof Demke rechnete noch im Juni 1990 mit einem Zeitraum von fünf Jahren bis zur endgültigen Kircheneinheit. Diese künstlich auf rechterhaltene Trennung stieß aber bei fast allen evangelischen Christen auf Unverständnis. Die entscheidende Phase des deutschen Einigungsprozesses lief somit ohne Beitrag der evangelischen Kirche ab. Erst nach der staatlichen Vereinigung wurde auf der Herbstsynode der EKD in Travemünde eine schnellere Gangart eingelegt. Ende 1991 sollten die Kirchen vereinigt sein. (89)


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4.4.1.   status confessionis
 
Friedensfrage Schon seit der Friedenssynode von Berlin-Weißensee im Jahre 1950 stand das Friedensproblem mit der umfassenden Frage “Was kann die Kirche für den Frieden tun?“ in der theologischen Diskussion. Wie sich aber theologische Erkenntnis und politische Einsicht sachgemäß miteinander verbinden lassen, um dann wirksam werden zu können, war lange Zeit umstritten. 

Die Probleme, die sich aus der Eskalation des atomaren Wettrüstens und aus dem Verteidigungskonzept der Abschreckung ergaben, zwangen die Kirchen in den siebziger und achtziger Jahren, Entscheidungen zu treffen. Es hatte sich gezeigt, daß die allgemeine Krise auf einer Krise der politischen und moralischen Werte beruhte und damit eine Herausforderung für die Kirchen wurde. Die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen hat dann im Dezember 1975 (Nairobi) dem neuen Friedensgespräch wichtige Impulse gegeben. Der Rat der EKD und der Bund der Ev. Kirchen in der DDR bemühten sich um gemeinsame Aussagen und Schritte in der Friedensfrage und veröffentlichten 1979, zum 40. Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkrieges, ein gemeinsames Wort zum Frieden.

Bekenntnisfrage Als im Juni 1982 die Erklärung des Reformierten Moderamens in der BRD die Friedensverantwortung mit dem status confessionis in Verbindung brachte, wurde erneut eine komplexe politische und theologische Diskussion ausgelöst. “Angesichts der Bedrohung des Friedens durch die Massenvernichtungsmittel ... erkennen wir: Die Friedensfrage ist eine Bekenntnisfrage. Durch sie ist der status confessionis gegeben, weil es in der Stellung zu den Massenvernichtungsmitteln um das Bekennen oder Verleugnen des Evangeliums geht. ... Es ist zwar Aufgabe des Staates, für Recht und Frieden zu sorgen und das Leben seiner Bürger zu schützen. Aber Massenvernichtungsmittel zerstören, was sie zu verteidigen vorgeben. Ihnen gilt von seiten der Christen ein aus dem Bekenntnis zu Gott dem Schöpfer, Versöhner und Erlöser gesprochenes bedingungsloses ‘Nein‘, ein ‘Nein ohne jedes Ja“ (90)

Damit war die Formel “Friedensdienst mit und ohne Waffen“, die von den Staaten in Ost und West für ihre jeweilige Machtpolitik als moralische Stütze ausgenutzt wurde, disqualifiziert.

christliche-Existenz Inwieweit politische Entscheidungen auf die Ebene von Bekenntnisfragen gebracht werden können, wurde für die Kirchen in der Bundesrepublik und für die Kirchen in der DDR zum schwierigen Problem, denn anders als bei der Entscheidung zur Politik der Apartheid mußten hier Konsequenzen für die Christen in beiden deutschen Staaten gezogen werden. Das alte Dilemma aus den Fünfziger Jahren war wieder auf der Tagesordnung. Nur ging es diesmal nicht nur um die Militärseelsorge der Kirchen, sondern um die christliche Existenz jedes einzelnen Kirchenmitglieds. (91)

Die kirchlichen Basis- und Friedensgruppen in der DDR übernahmen die Erklärung des Moderamens und setzten dann, gegen den erheblichen Widerstand des Staates, diesen status confessionis durch. Wehrdienstsverweigerung mußte gegenüber dem Dienst mit der Waffe von den DDR-Kirchen als adäquateres christliches Friedenszeugnis anerkannt werden.

Befreiungstheologie Die Verantwortung des einzelnen Staatsbürgers für die Erhaltung des Friedens wurde von der DDR-Politik zwar ständig betont, in der Praxis aber so gehandhabt, daß sie zur Unmündigkeit und Farce verkam. Es entstand daraufhin eine unabhängige Friedensbewegung in der DDR. “Die immer stärker werdende Militarisierung des gesellschaftlichen Lebens und die totale Vereinnahmung und Bevormundung des einzelnen durch die ‘Friedenspolitik‘ der DDR lösten einen Prozeß aus, eine Bewegung des Protestes, des Suchens nach alternativen Wegen zum Frieden.“ (92)

Diese Basisbewegung, die mit wichtigen theologischen Prämissen der ökumenischen Bewegung im Einklang stand, kann als Ausdruck einer latenten Befreiungsbewegung angesehen werden. Sie ließ sich schon bald nicht mehr von Staat und Kirchenhierarchie auf das Thema Ruhe und Frieden begrenzen, sondern stellte den Zusammenhang von Frieden und Gerechtigkeit in das Zentrum ihres politischen Denkens und Handelns. Der “faule Friede“ der DDR-Gesellschaft und damit der Status quo der gesellschaftlichen Verhältnisse wurde konsequent in Frage gestellt. (93)

Gerechtigkeit Anders als die Kirchen, die erst ab 1984 gegen “Geist, Logik und  P r a x i s der Abschreckung“ votierten und 1985 das Thema der Friedensdekade “Frieden wächst aus Gerechtigkeit“ benannten, wurde in der unabhängigen Friedensbewegung bereits Jahre früher formuliert: “Das Suchen nach dem Frieden in der ganzen Welt kann nicht losgelöst vom Fragen nach dem Frieden im eigenen Land, nach gerechteren Verhältnissen und Strukturen in der eigenen Gesellschaft erfolgen.“ (94)

Die Friedensfrage wurde lange Zeit von der SED benutzt, um den Problemen der Ungerechtigkeit innerhalb der DDR-Diktatur aus dem Wege zu gehen. Dem Bündnispartner Kirche wurde deshalb auch bis zur Entstehung der unabhängigen Friedensbewegung ein Mitspracherecht zu Friedensfragen eingeräumt. Als sich aber in Übereinstimmung mit der ökumenischen Entwicklung die Erkenntnis durchsetzte, daß Frieden ohne Gerechtigkeit nicht Frieden genannt werden kann, führte diese theologische Herausforderung die Kirchen in kontinuierliche Konflikte mit den gesellschaftlichen Machtträgern. Die kirchliche Friedensbewegung und die aus ihr entstandenen Basisgruppen waren bei diesem Prozeß der treibende Motor. (95)


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4.4.2.   Friedenserziehung
 
Friedensaufgabe Der Bund gab im Jahre 1979 eine Erklärung zur weltpolitischen Situation ab, in der er anzweifelte, daß die vorhandenen politischen Mittel ausreichen würden, die Krisensituationen der Welt zu meistern und den Frieden zu erhalten. Das internationale Klima ließ deutliche Symptome der Destabilisierung erkennen und forderte die Kirchen heraus, sich für eine verstärkte Entspannungspolitik einzusetzen. Sie nahmen deshalb für sich in Anspruch, einen “eigenen, unverwechselbaren Auftrag zu haben, zum Frieden zu helfen“. (96)

Diese Friedensaufgabe, wurde nicht nur als kirchenpolitische oder humanistische Forderung verstanden, sondern “folgt grundsätzlich und unmittelbar aus der Verkündigung des Evangeliums“ (97). Sie wurde als eine der wichtigsten Herausforderung an ihr Zeugnis und ihren Dienst interpretiert und sollte praktische Auswirkung haben.

Wort zum Frieden In dem gemeinsamen “Wort zum Frieden“ hatten zum 40. Jahrestag des Beginns des zweiten Weltkrieges der BEK und die EKD die Gemeinden in Deutschland zur Besinnung aufgerufen und eine konsequente Erziehung zum Frieden gefordert. “Die Erziehung wird sich darauf richten müssen, dem Gefühl der Ohnmacht entgegenzuwirken und zur friedlichen Lösung von Konflikten zu befähigen, im persönlichen Bereich ebenso wie im Umgang der Staaten miteinander. Laßt uns für den Frieden in der Welt denken, arbeiten und beten.“ (98)
Erziehung zum Frieden Im September 1980 wurde dann in den DDR-Kirchen das bereits zwei Jahre vorher beschlossene Studien- und Aktionsprogramm “Erziehung zum Frieden“ konkretisiert und von der Konferenz der Kirchenleitungen gebilligt. Ein Rahmenkonzept gab einen Überblick über Aufgaben, Inhalte und Ebenen der Friedenserziehung. Allein schon mit der Definition der Begriffe “Frieden“ und “Erziehung“ waren die Konflikte in der politischen und ideologischen Auseinandersetzung mit dem Staat vorprogrammiert. 

Die theologischen Fragestellungen und Problemlösungen wurden, anders als beim Antirassismusprogramm, mit Konsequenzen für das Christsein in der DDR-Gesellschaft formuliert und führten dann zur eigenständigen, daß heißt vom Staat und zum Teil auch von den administrativen Kirchenleitungen losgelösten Friedensbewegung der DDR.

Information, Reflexion und Handlungsanweisung wurden dann die drei Eckpfeiler einer kirchlichen Friedensstrategie (99)  und bildeten den Rahmen der “Erziehung zum Frieden“. Vielfältige Initiativen, kirchliche Gruppen und theologische Ausschüsse beschäftigten sich fortan mit dem Thema Frieden und dem politischen Wirken von christlichem Friedensdienst.

politische Verantwortung In dem “Wort zum Frieden“ des BEK und der EKD wird das Ziel der Friedenserziehung lediglich auf den zwischenmenschlichen und auf den internationalen Bereich fixiert. Das Rahmenkonzept “Erziehung zum Frieden“ schließt jedoch die gesellschaftliche Ebene als gleichberechtigt neben den beiden anderen Bereichen ein. 

“Friedenserziehung setzt sich auseinander mit allen Formen von Unfrieden, Ungerechtigkeit, Gewalt und Unfreiheit in der Gesellschaft. Sie findet in der eigenen Gesellschaft einen bevorzugten Ort des Lernens und der Veränderung, weil Frieden hier auf vielfältige Weise als Aufgabe erlebt werden kann und die Folgen von Friedlosigkeit nicht überwiegend anonym bleiben wie auf der globalen Ebene.“(100) Die politische Verantwortlichkeit des einzelnen Christen erreichte damit ein neue Dimension und konnte nicht mehr vom Staat oder kirchlichen Amtsträgern theologisch legitim okkupiert werden.


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4.4.3.   Gesellschaftsveränderung
 
Mündigkeit  Mit der Forderung, daß Friedenserziehung im Blick auf die gesellschaftliche Ebene vor allem Erziehung zu Mündigkeit und Verantwortung sein soll und Hilfestellung geben muß, den Menschen aus seiner Gleichgültigkeit zu wecken und kritikfähig zu machen, wurde eine unmittelbare Gesellschaftsverantwortung und Gesellschaftsveränderung anvisiert. (101)

Innerhalb der Friedenserziehung sollte Wissen vermittelt, Einstellung verändert und zum Handeln befähigt werden. Damit stand dieses Konzept im krassen Gegensatz zu der von Staat und Partei angestrebten unmündigen Gesellschaft der DDR, in welcher der einzelne Bürger, besonders in der Stagnationsphase der achtziger Jahre, durch Propaganda, Lüge und Subalternität vom eigenständigen Handeln abgehalten werden sollte.

Verantwortung Der gesellschaftsverändernde Impuls innerhalb der kirchlichen Friedensbewegung der DDR erwies sich dann auch nach der Resignationsphase, die bedingt durch die Stationierung der amerikanischen Mittelstreckenraketen die europäische Friedensbewegung erfaßte, als stark genug, um in anderen Bereichen (Ökologie, Menschenrechte, politische Opposition) weitergeführt zu werden. Er fand dann in den drei Ökumenischen Versammlungen von Kirchen und Christen der DDR zu “Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ und besonders in den Basisbewegungen der kirchlichen Gruppen seinen stärksten Niederschlag.

“Angesichts der Verheißung des Reiches Gottes gehört es zu unseren Auf gaben, unser kirchliches und gesellschaftliche Zusammenleben daraufhin zu überprüfen, wo sich ungerechte, unmenschliche und unsoziale Strukturen und Verhaltensweisen finden. ... Die Christen werden ermutigt, in ihrer persönlichen und gesellschaftlichen Umgebung Schritte zu mehr Gerechtigkeit zu gehen und bereit zu sein, dafür auch Opfer zu bringen und Nachteile auf sich zu nehmen.“ (Ökumenische Versammlung April 1989) (102)

Befreiungstheologie Die gesellschaftspolitische Bedeutung der Ökumenischen Versammlung und der kirchlichen Basisgruppen war zwar gering, aber während des Zusammenbruchs der SED-Herrschaft konnte alleine hier an vorgedachte und gesellschaftsverändernde Konzepte angeknüpft werden. Dadurch bekam die Kirche insgesamt, wenn auch ungewollt so doch notwendig, über ihre theologische Reflexion des Reiches Gottes hinaus, eine praktische Befreiungstheologie aufgesetzt. (103)
friedliche Wende Die Kirchenleitungen versuchten zwar ihre staatstragende Funktion bis zum Schluß aufrechtzuerhalten und zu legitimieren, jedoch waren ihnen auf Grund der Eigendynamik der “revolutionären“ Prozesse und auf Grund der theologischen Festlegungen zur Friedensfrage die Hände gebunden. Sie mußten mit ansehen, daß viele kirchliche Mitarbeiter und Pfarrer plötzlich zu Politikern wurden, weil kaum jemand da war, der sonst hätte Politik machen können. Die ersten Gründungen von oppositionellen Parteien und Bewegungen hatten in ihren Programmatiken deshalb überwiegend christliche und theologische Entwürfe als Ausgangspunkte berücksichtigt. 

Die Friedlichkeit der Wende ist somit nicht nur ein Ergebnis des dämpfenden Einflusses der Kirchenleitungen und der Ohnmacht des Staates, sondern auch eine Auswirkung der Theologie, die mit ihrer christlichen Friedenserziehung nun zum Tragen gekommen war.

Protestantismus “Im Laufe der Herbstrevolution war in den Fragen der individuellen Menschenrechte keine Instanz in der Gesellschaft wirksam, die eine mit den Evangelischen Kirchen vergleichbare Tradition aufzuweisen gehabt hätte. Die Erwartungshaltung in der Bevölkerung versetzte die Protestanten in den oppositionellen Gruppierungen und in den Kirchen in die Lage, an ihr eigenes Erbe anzuknüpfen und es lebendig werden zu lassen.“ (104)

Die im Protestantismus entwickelten und überlieferten kulturellen Muster (Liberalismus, Menschenrechte, Aufklärung, rationale Wirtschaftsführung des Kapitalismus) waren mit dem Stalinismus und dessen religiös erscheinender Dogmatik unverträglich. “Dadurch hatte der Protestantismus in der DDR noch einmal die große Chance als Medium der Rationalisierung, der Entzauberung, der Entmythologisierung und der Aufklärung auftreten zu können.“ (105)

revolutionäre Katastrophe Gleichzeitig setzte aber auch eine Kapitalismuskritik ein. Die neuen Abhängigkeiten und Unfreiheiten der westlichen Konsumgesellschaft sollten nicht in die “reformierte DDR“ übernommen werden. Als sich dieser Wunsch nach einer eigenständigen DDR infolge der Maueröffnung als Illusion erwies, gerieten die einzelnen Gruppen, die in der Befreiungsbewegung eine treibende und intellektuelle Kraft waren, in die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit. Die Wende wurde von ihnen als Revolution bezeichnet, aber als Katastrophe empfunden und die Kapitalismuskritik konnte nur noch theoretisch weitergeführt werden.


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4.4.4.   Schuldfrage
 
Rechtgläubigkeit Die Kirchen in der DDR hatten durch vielfache Loyalitätserklärungen und durch die Übernahme politischer Verpflichtungen den sozialistischen Verhältnissen erheblich Vorschub geleistet. Als Bündnispartner ist die Kirche im Sozialismus der DDR für die Partei und Staatsmacht unersetzlich gewesen, denn nur die Kirche konnte als bürokratische Institution den radikalen Humanismus der Bergpredigt als Orientierungsgröße für eine mögliche Opposition relativieren. 

Staatspartei und Landeskirchen haben sich gegenseitig ihrer Rechtgläubigkeit versichert und spätestens ab 1978 in einer ideologisch-moralischen Arbeitsteilung die DDR gegen Reformen von unten abgesichert. “Rückblickend kann man ohne Übertreibung die von Staat und Kirche damals ausgehandelten Kompromisse als neue Strukturbildung innerhalb des politischen Systems des Sozialismus verstehen, die es in der Folgezeit ermöglichte, die wechselwirkend mit dem Helsinkiprozeß und den Moskauer Reformen im deutschen Staatssozialismus aufbrechenden Konflikte zu beherrschen.“ (106)

Selbstgefälligkeit Der Umgang mit der Schuldfrage wurde deshalb nicht leicht und geschah überwiegend nur halbherzig. Die Konferenz der evangelischen Kirchenleitungen ließ am 8.12.1989 verlauten: “Niemand, auch wir nicht, können unsere Hände in Unschuld waschen. Das sagen wir als evangelische Kirche von uns selbst. Wir haben schon vor Jahren öffentlich geredet als viele noch schwiegen. Aber wir haben auch oft geschwiegen, wo wir hätten reden sollen.“ (107)

Auf der Kirchenbundsynode Ende Februar 1990 war dann die Darstellung des zurückgelegten Weges unkritisch und selbstgefällig. (108) Von Schuld war überhaupt nicht mehr die Rede. In einer Entschließung war lediglich in einem Satz zu vernehmen: “Zu unserer Identität gehören aber auch die Versäumnisse und Fehler, die wir im Laufe unserer Geschichte begangen haben und die uns wohl nur zum Teil bewußt sind.“ (109)

Die gemeinsame Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg im März 1990 war nicht einmal zur Formulierung solch eines Satzes in der Lage. Eine Vergangenheit, in der gerade die Ostregion dieser Landeskirche in der rigidesten Art und Weise die ihr vom Staat übertragende ordnungspolitische Aufgabe erfüllte und sich die Westregion in brüderlicher Eintracht mit Schweigen bedeckte, - eine solche Vergangenheit gab es nicht. (110)

Eingeständnisse Die Kirchenprovinz Sachsen nahm die Schuldfrage auf : ".... unser Versuch ‘Kirche im Sozialismus‘ zu sein, bedarf unserer gründlichen Besinnung darauf, worin wir versagt und was wir aus den Erfahrungen dieses Weges zu lernen und weiterzuführen haben. .. .Die Ehrlichkeit gegenüber unserer Geschichte zwingt uns, unsere eigene Verstrickung durch Tun und Unterlassen, durch unklares Reden oder ängstliches Schweigen, durch Gutgläubigkeit oder Vorteilsnahme einzugestehen. ... Wir alle bedürfen der Heilung von allem, was uns deformiert hat.“ (111)

Erst Ende April 1990 gab es auf der Synode der Ostregion der Berlin-Brandenburgischen Kirche heftige Debatten über die Rolle der Kirche vor und beim Umbruch der DDR. Bischof Forck gestand ein, daß es eigentlich die kirchlichen Basisgruppen waren, die das “gute Ansehen der Kirche“ begründet haben. Wenn überhaupt von einem Verdienst der Kirche geredet werden kann, dann in dem Sinne, daß diese Gruppen trotz aller Schwierigkeiten nicht aus der Kirche herausgedrängt wurden. Das repressive Verhalten von Repräsentanten der Kirche gegenüber Mitgliedern dieser Gruppen und gegenüber Ausreisewilligen und das gleichzeitig wohlwollende Verhalten gegenüber dem Staat wurde der Kirchenleitung als Schuld vorgehalten. (112)

Rechtfertigung Für die Art und Weise der Schuldbewältigung kann Manfred Stolpe, seit der Gründung des Kirchenbundes in führender Position, Konsistorialpräsident der Berlin-Brandenburgischen Kirche und später Ministerpräsident des Landes Brandenburg, exemplarisch zitiert werden: 
“Wir haben immer, bei unseren Bemühungen Freiraum zu schaffen in der ehemaligen DDR-Gesellschaft, uns kritisch zu prüfen gehabt, ob wir die Nähe zum Staat, die das Verhandeln ja erfordert - man muß ja mit den Gefängnisaufsehern reden, wenn man etwas für die Gefangenen erreichen will - daß wir dabei nicht eine zu große Nähe haben, die nach außen mißverständlich war. 
    Dies ist eine ständige Gefahr gewesen, der sind wir streckenweise in der Optik erlegen, das muß so gesehen werden. Und wir haben uns bemüht, diese Balance zu halten, die Menschen, um die es ging, auch die für die damalige Gesellschaft auflüpfigen Menschen, aber nicht loszulassen, nicht alleinzulassen, bei ihnen zu bleiben.
    Im Nachhinein, würde ich sagen, schwerwiegende Fehler, die das Vertrauen zur Kirche erschüttert hätten, und darum wäre es ja im wesentlichen gegangen, die die Botschaft der Kirche verdunkelt hätten, hat es nach meinem Eindruck nicht gegeben. Im Einzelfall schon mal Schwächen, ganz sicher, aber im ganzen ist es doch eine Kirche bei den Menschen gewesen.“ (113)
Persilschein und Wendehälse Die Kirche suchte einen neuen “Persilschein“. Die Verdrängung der Schuld wurde deshalb bewußt oder unbewußt unterstützt. Der Kirchenpolitiker M. Stolpe schaffte es innerhalb weniger Monate in seinen Reden aus dem gewachsenen Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Kirche eine "Christenverfolgung" zu machen und die Repräsentanten eines Staates, dem die Kirche noch im Juni 1989 eine gute Entwicklung wünschte, zu "Gefängnisaufsehern" zu erniedrigen.

Der Theologe Heino Falcke hatte bereits im November 1989 gewarnt: “Es gibt keine Befreiung ohne Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. "... Diese Befreiung zum offenen Umgang mit der Schuld sollte von uns Christen ausgehen. Wir sind ja nicht nur zur Anpassung, zur Heuchelei und zum Mitmachen gezwungen worden, w i r haben uns angepaßt, geheuchelt und mitgemacht. Darin können wir uns selbst nicht leiden, und nun sind wir in der Gefahr, die Abscheu am eigenen Verhalten auf die zu werfen, die uns dazu gedrängt haben.“ (114)

Trauerarbeit Daß das Problem der Schuldbewältigung eine immense Bedeutung für den weiteren Weg der Christen in einem vereinten Deutschland hat, und damit ist der Bogen zur Situation der Kirchen im Jahre 1945 gespannt, hat der DDR-Psychologe Maaz deutlich gemacht, wenn er nach der Wende schreibt: 
“Man bedenke nur, mit welcher Leichtigkeit, trotz der abgrundtiefen Schuld des deutschen Volkes, die faschistische Lebensweise in die sozialistische übergegangen war: der Führerkult, die Massenaufmärsche, die religionsartigen Rituale und Fetische, der Fremdenhaß und die Feindbildmechanismen, der psychische Terror durch Bespitzelung, Ängstigung und Überwachung, das dummdreiste Spießertum und die Arroganz der Macht, die Verherrlichung von Stärke, Beherrschung, Disziplin und Ordnung, das verlogene Frauenbild, die falsche Mutterverehrung, die sexuelle Prüderie, die repressive Erziehung, die Gehirnwäsche - alles Charakteristika, die sowohl für die. ‘faschistische‘ wie auch für die ‘stalinistische‘ Gesellschaftsstruktur typisch waren. Die faschistische Lebensweise ist praktisch ohne Bruch übernommen und fortgeführt worden.“ 

Und so folgert der Psychologe: “Ich traue keiner ‘Wende‘, solange nicht glaubhafte Zeugnisse des Versagens, der personalen Verantwortung und persönlichen Schuld zur Alltagskultur zählen. Ohne diese ‘Trauerarbeit‘ werden unweigerlich alte psychische Strukturen ins neue Gewand gekleidet, die die Restauration der Verhältnisse erzwingen.“ (115)

Erblast der Wende  Die Fehler bei der Schuldbewältigung nach der Wende im Jahr 1989/90 waren oftmals zu vergleichen mit denen in der Nachkriegszeit nach 1945. Der Zusammenschluß der Christen in einem vereinten Deutschland wird dadurch im voraus belastet. Auf die neue und zugleich alte EKD wirft die “Kirche im Sozialismus“ ihre Schatten voraus. Diese “Kirche im Sozialismus“ ist die Erblast einer plötzlichen Wende, die die offizielle DDR-Kirche nicht wollte, die sie trotzdem mitgehen mußte und die in den Köpfen der DDR-Bürger dennoch nie stattgefunden hat. 

Politische, ökonomische und soziale Veränderungen belasten und befreien die Christen in der ehemaligen DDR. Die psychischen Strukturen dieser Menschen blieben dagegen unangetastet. Sie wurden bewahrt und in die Einheit eingebracht. Aus Buße und Umkehr wurde Selbstgerechtigkeit und eine Wende um 180 Grad. Die Kirchen konnten ihre mahnende Stimme über lange Zeit nicht erheben, denn der Knebel alter und neuer Schuld verstümmelte jeden Laut - in Ost wie in West.

alter und neuer     Irrtum Das Volk der DDR befand sich auf dem Weg des Irrtums, als es sich nach dem Mauerbau in der stalinistischen Diktatur einzurichten begann und seinen politischen Weg auf Autoritätshörigkeit und Untertanengeist gründete. Das psychische Elend, das daraufhin die Menschen in diesem Teil Deutschlands befiehl, ist eine Folge dieses Irrtums. Die Kirchen in Ost und West haben sich oftmals durch falsche Weisungen und durch falsches Schweigen solidarisch für diesen Irrtum verantwortlich gemacht. (116)
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  Übersicht

Inhalt

Vorwort
Teil I
Teil II
Teil III
Teil IV
(1945 - 1949)  Neubeginn 
(1949 - 1961)  Konfrontation 
(1961 - 1978)  Entspannung
(1978 - 1990)  Wende
Literatur
Personenverzeichnis
Abkürzungen

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Anmerkungen Teil IV (1978-1990)
 
  ........... Anmerkung Gesellschaft (1978-90)
(1) Vgl. K. Lau, a.a.O. S.22.
(2) Vgl. W. Süß: Revolution und Öffentlichkeit in der DDR. In: Deutschland Archiv Nr.6/1990 S.907-921. Zur Krise der Legitimation des politischen Systems vgl. S.909. „... der schleichende Verfall hätte sich auch noch einige Jahre fortsetzen können, hätte es nicht den Auslöser der Öffnung der ungarischen Grenze gegeben. Die Frage nach den Ursachen der Fluchtwelle machte nach und nach die gesamte Verfaßtheit des DDR Systems zum Gegenstand einer Debatte.“ a.a.O. S.910.
(3) Vgl. DDR, Fischer Weltalmanach (Sonderband), S.26.
(4) Vgl. Rolf Henrich, a.a.O. S.136.
(5) 5 Vgl. Voigt/ Belitz/ Meck: Die innerdeutsche Wanderung und der Vereinigungsprozeß. Soziodemographische Struktur und Einstellung von Flüchtlingen/ Übersiedlern aus der DDR vor und nach der Grenzöffnung. In: Deutschlandarchiv Nr.5/1990 S.732-746.
(6) Zeitweise wurde sogar von 500000 inoffiziellen Mitarbeitern ausgegangen. Vgl. “Das am besten organisierte Geheimdienstsystem der Welt - Diestel legt Bilanz zur Auflösung des Staatssicherheitsdienstes vor“ In: “Tagesspiegel“ vom 8.9.90, S.5.
(7) Der wirksamste Vollstrecker der Willkürherrschaft war die Justiz. Im politischen Strafrecht wurde die Rechtsstaatlichkeit aufgehoben. “Mit der ideologischen Phrase vom ‘Klassenkampf‘, der höher gestellt wurde als das Recht, konnte fortan jedes real verübte juristische Unrecht ‘legitimiert‘ werden.“ H.-J.Maaz, a.a.0. S.23.
(8) “Die Macht der Stasi beruhte auf Angst ... latente Angst. Darunter versteht die Psychotherapie einen unbewußten seelischen Spannungszustand, der aus unbefriedigten Grundbedürfnissen und verbotenen Gefühlen besteht.“ H.-J.Maaz, a.a.0. S.19.
(9) Vgl. Nachrichtenmagazin “Der Spiegel“ Nr.6/1990 S.50.
(10) H.-J.Maaz, a.a.0. S.23.
(11) Zur psychischen Ghettofunktion der Kirche vgl. ebd.S.49f u. S.242.
(12) Vgl. A.Mitter (Hrsg.): Ich liebe euch doch alle - Befehle und Lageberichte des MfS. Berlin/DDR 1990, S.21f. Die ersten Akten, die in der Staatssicherheitszentrale vernichtet wurden, waren die Akten über die Observierungen der Kirchen. Als nach dem Sturm der Bürgerbewegung auf die Berliner Zentrale am 15.1.90 die Bürgerkomitees zur Auflösung der Stasi ihre Arbeit aufnahmen, fanden sie in der Hauptabteilung XX Bereich Kirche nur leere Regale vor. Oberkonsistorialrat Schröter, der als Stellvertreter von Bischof Forck Beauftragter für die Auflösung der Stasizentrale war, ließ am 4.4.90 verlauten, daß in den Kirchenleitungen nach biblischen Muster unter Zwölfen immer der Eine gesehen wurde, der im Dienst der Staatssicherheit stand. Die Kirchenleitungen und Konsistorien wurden bespitzelt, mit Wanzen angezapft und ihre Entscheidungen und Beschlüsse waren für die Stasi nie ein Geheimnis gewesen. Selbst ganz interne Dinge konnten nicht abgesichert werden. Symptomatisch ist die Person des Rechtsanwalts Schnur. Als Vertrauter und Beauftragter der Kirchen hatte er lange Jahre in politisch heiklen Missionen gearbeitet. Als er sich als wichtiger Mitarbeiter der Stasi offenbaren mußte, war der Schock bei kirchlichen Mitarbeitern groß. Man fing an zu ahnen, welche Bedeutung die Staatssicherheit innerhalb der Kirchen gespielt haben muß.
“Zwar hatte die Kirche in der ehemaligen DDR entscheidenden Anteil an der friedlichen und demokratischen Revolution, im Miteinander von Kirche und Sozialismus mußte sie aber dem Unrechtstaat manch Zugeständnis machen, das sie heute reut. Einige Pfarrer, Superintendenten und Oberkirchenräte hatten sogar einen Packt mit dem Teufel geschlossen - mit der Stasi. Sie hatten sich als geistliche Agenten beim Geheimdienst verdingt. ... Die Folgen waren, daß wesentliche Beschlüsse der Kirchenleitungen, aber auch Synodenbeschlüsse, zum Teil durch die Staatssicherheit manipuliert wurden. .. .Nach Aussagen eines ehemaligen Führungsoffiziers der Staatssicherheit ... war Bischof Leich von mindestens vier inoffiziellen Mitarbeitern geradezu umstellt.“ A.Ortt: Stasispitzel im Talar. In: “Panorama“ ARD-Fersehen vom 6.11.90. 

Erst im November 1990 begannen Kirchenleitungen sich betroffen zu zeigen und die Verstrickungen kirchlicher Mitarbeiter mit der Staatssicherheit zu bedenken. Vgl. “Stasi vergiftet und belastet das Zusammenleben“ in “Berliner Sonntagsblatt“ vom 25.11.90, S.2. Schnell begann man auch über eine Rehabilitierung der Stasipfarrer nachzudenken. Ihnen sollte vergeben werden (Bischof Forck). Es ergab sich nun bei dieser “Schuldbewältigung“ das Paradox, daß Pfarrer die gegen die Staatssicherheit gearbeitet hatten und aus der DDR vertrieben wurden, immer noch mit Berufsverbot belegt waren, und Pfarrer, die für die Stasi gearbeitet hatten de facto rehabilitiert wurden!

(13) Vgl. A.Mitter (Hrsg) a.a.0. S.26 und S.54.
(14) Vgl. a.a.O. S.56.
(15) Vgl. a.a.O. S.53.
(16) Vgl. a.a.O. S.122 und vgl. R.Henrich, a.a.0. S.234.
(17) Interview mit Ministerpräsident Hans Modrow. In: Nachrichtenmagazin “Der Spiegel“ Nr.6/1990 S.29.
(18) Vgl. H.Knabe (Hrsg): Aufbruch in eine andere DDR. Reinbeck 1989, S.15.
(19) Vgl. Nachrichtenmagazin “Der Spiegel“ Nr.6/1990 S.70.
(20) Information über die Lage und Entwicklungstendenzen der ständigen Ausreise von Bürgern der DDR nach der BRD und Westberlin sowie des ungesetzlichen Verlassens der DDR in der Zeit vom 1.Januar bis 30.Juni 1989. (MfS,ZAIG,Nr.3933/89). In: A.Mitter (Hrsg), a.a.0. S.82.
(21) Vgl. A.Mitter (Hrsg), a.a.0. S.141.
(22) Vgl. a.a.0. S.82.
(23) Die primären Gründe für eine Übersiedlung werden recht verschieden beurteilt. Statistische Untersuchungen und Umfragen ergeben als Rangfolge:
1. persönliche Unfreiheit 2. politische Bedingungen 3. niedriger Lebensstandard. Die Wünsche nach einem besseren Lebensstandard (Wirtschaftsflüchtlinge) werden oftmals überbewertet. Sie müssen aber aufgrund der von dem Psychoanalytiker H.-J.Maaz aufgestellten Analysen als sekundär eingestuft werden. Vgl. Voigt/Belitz/Meck: Die innerdeutsche Wanderung und der Vereinigungsprozeß. Soziodemographische Struktur und Einstellung von Flüchtlingen/Übersiedlern aus der DDR vor und nach der Grenzöffnung.
In: Deutschlandarchiv Nr.5/1990 S.732-746.
(24) H.-J.Maaz, a.a.O. S.129. “Je stärker das System den repressiven Druck anzog, desto mehr Ausreiseanträge kamen als Quittung zurück und desto größer wurde wieder die Repression. Je größer der innere Mangel, desto heftiger wurde der Ausreisegedanke als ein unbewußter Wunsch, vor sich selbst zu entfliehen, und desto größer wurde damit wieder die innere Not.“
A.a.0. S.129.
(25) Vgl. “Leben und Bleiben in der DDR“ Informationen und Texte der Theologischen Studienabteilung beim Bund d.Ev.Kirchen i.d.DDR - Referat Weltanschauungsfragen. Nr.14/Juli 1985. Und vgl. L.Dress, in: S.Bickhardt (Hrsg): Recht ströme wie Wasser. Christen in der DDR für Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung. Berlin 1988, S.45.
(26) Vgl. Erklärung des Genralsuperintendenten von Berlin (Dr.Krusche) vom
8.2.1988 (K Ia Nr.345/88) zu den Seelsorgemöglichkeiten an Antragstellern für Ausbürgerungsanträge; Ebenso Berichterstattung von der Berlin- Brandenburger Synode vom 8.-12.April 1988 vom Präses der Synode M.Becker. Die Reaktionen der Kirchen stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit den Beschlüssen des Politbüros der SED vom 16.2.88. Vgl. Nachrichtenmagazin “Der Spiegel“ Nr.8/1988 und Nr. 11/1988 hier S.19.
(27) Vgl. A.Mitter (Hrsg), a.a.0. S.173.
(28) Brief der KKL an den Staatsratsvorsitzenden Honecker vom 2.9.1990, In: “Tagesspiegel“ vom 10.9.90, S.3.
(29) Beachtenswert ist, daß, prozentual auf die Gesamtzahl der Bevölkerung gesehen, die Menschen mit einer religiösen Bindung überdurchschnittlich unter den Übersiedlern vertreten waren. Vgl. Voigt/Belitz/Meck, a.a.O. S.736.
(30) Vgl. Evangelischer Pressedienst epd, Nr.128 vom 06.07.1990.
(31) Vgl. D.Pollack: Außenseiter oder Repräsentanten. Zur Rolle der politisch alternativen Gruppen im gesellschaftlichen Umbruchprozeß der DDR. In: Deutschland Archiv Nr.8/1990, S.1218.
(32) Vgl. A.Mitter (Hrsg), a.a.0. S.46.
(33) A.a.0. S.47.
(34) A.a.0. S.51.
(35) “Grenzfall“ Nr.2/1987. In: Hirsch/Kopelew (Hrsg): Grenzfall. Vollständiger Nachdruck aller in der DDR erschienenen Ausgaben (1986/87), Berlin 1989, S.30. Die Zeitschrift “Grenzfall“ war die einzige kontinuierlich erschienene Oppositionszeitschrift der DDR. Sie wurde von Mitgliedern der Initiative “Frieden und Menschenrechte“ herausgegeben und im Untergrund gedruckt. Kirchliche Mitarbeiter und kirchliche Druckmaschinen ermöglichten die Herausgabe unter ständigen Repressionen der Stasi. Der Sturm auf die Umweltbibliothek in der Zionskirchgemeinde in Ostberlin im Herbst 1987 muß im Zusammenhang mit dieser Zeitschrift gesehen werden.
(36) Vgl. A.Mitter (Hrsg), a.a.0. S.48 und S.62.
(37) Vgl. Freya Klier: Abreißkalender. München 1988, S.233.
(38) Vgl. auch H.-J.Maaz, a.a.0. S,124f.
(39) Der überwiegende Teil der kirchl. Amtsträger und fast alle Gemeindekirchenräte wollten mit den Gruppen und ihren oppositionellen Ideen nichts zu tun haben. Sie störten die protestantische Untertanenfrömmigkeit. Zudem vermehrte die Stasi den Druck auf Mitglieder der Gemeindekirchenräte so stark, daß viele nicht die Kraft hatten, diese Gruppen zu unterstützen. Vgl. auch D.Pollack, a.a.0. S.1217 und S.1222. “Die Kirchenleitungen und die Gemeinden waren einem Loyalitätsdruck ausgesetzt und rangen um die Bewahrung ihres Besitzstandes. Sie haben daher versucht, die unruhigen Gruppen und ihre veränderungswilligen Initiatoren zu neutralisieren.“ E.Neubert: Eine protestantische Revolution. a.a.0. S.705.
(40) Vgl. Information über beachtenswerte Aspekte des aktuellen Wirksamwerdens innerer feindlicher, oppositioneller und anderer negativer Kräfte in personellen Zusammenschlüssen (MfS,ZAIG,Nr.150/89) und Anlage zur Information. In: A.Mitter (Hrsg), a.a.0. S.46-71, hier besonders S.56ff.
(41) H.Knabe (Hrsg), a.a.0. S.15 und vgl. D.Staritz: Ursachen und Konsequenzen einer deutschen Revolution. In: DDR, Fischer Weltalmanach (Sonderband), a.a.0. S.31.
(42) Vgl. A.Mitter (Hrsg), a.a.0. S.173.
(43) H.-J. Maaz, a.a.0. S.152. Und vgl. DDR, Fischer Weltalmanach (Sonderband), a.a.0. S.170.
(44) Vgl. H.Hanke: Identität in der Krise. In: Deutschland Archiv Nr.8/1990, S.1224.
(45) Text der Ökumenischen Versammlung von Kirchen und Christen in der DDR vom April 1989 in Dresden. In: G.Rein (Hrsg): Die Opposition in der DDR, Berlin 1989, S.205.
(46) Pressemitteilung des BEK vom 19.10.89, Anlage zur Schnellinformation des Sekretariats (A 5521-2-/89). Und Günter Krusche: Das prophetische Wächteramt. Die zukünftige Rolle der Kirche. In: H.Knabe (Hrsg), a.a.O. S.98-106, hier S.101.
(47) Vgl. “Tagesspiegel“ vom 6.7.90, S.6 und vom 18.4.90, S.6. Die neue DDR- Volkskammer war mit 19 ordinierten Pfarrern besetzt. In dem Kabinett von Ministerpräsident de Maiziere, der selber 1986 Vizepräses der Synode des BEK wurde, gab es vier Pfarrer. Eine besondere Rolle spielten die aus der Friedensbewegung kommenden Pfarrer Rainer Eppelmann (Verteidigungs- und Abrüstungsminister) und Markus Meckel (Außenminister).
  ........... Anmerkung Staat und Kirche (1978-90)
(48) M.Stolpe: Kirche, Staat und Welt. In: Kirche im Sozialismus. Sonderheft zum Hamburger Kirchentag, Juni 1981, S.15.
(49) Vgl. R.Henrich, a.a.0. S.234
(50) Vgl. “Tagesspiegel“ vom 17.11.89, S.6.
(51) Vgl. A.Mitter (Hrsg), a.a.0. S.26.
(52) R.Henrich, a.a.0. S.236.
(53) Vgl. ebd.
(54) H.-J.Maaz, a.a.0. S.50. Vgl. auch die Diskussionen auf der Synode der Berlin-Brandenburgischen Kirche (Ostregion) vom April 1988. In den Antworten von Probst Furian auf einige Anfragen auf den Bischofsbericht heißt es: “Diese Gruppen, die themenorientiert arbeiten und uns von der Thematik sachlich nahe stehen, bringen die Lebensbezüge, die Konkretion unserer Arbeit zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung ein. Sie bringen den existenziellen Bezug.“
(55) “Tagesspiegel“ vom 13.6.89, S.2.
(56) Vgl. “Tagesspiegel“ vom 13.6.89, S.9.
(57) Vgl. “Tagesspiegel“ vom 17.6.89, S.40, und A.Mitter (Hrsg), a.a.0. S.108.
(58) Vgl. A.Mitter (Hrsg), a.a.0. S.122.
(59) Vgl. auch zu den geheimen Warengeschäften “Berliner Sonntagsblatt“ vom 20.5.90, S.2.
(60) Vgl. “Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt“ vom 2.3.90, S.17. Viele sprachen später auch von sogar 80% an Westunterstützung. vgl. Synode der Berlin- Brandenburger Westregion im November 1990. In “Berliner Sonntagsblatt“ vom 25.11.90, S.2.
(61) H.-J.Maaz, a.a.0. S.51. Kirchliche Mitarbeiter hatten ein sehr geringes Einkommen, das etwa auf der Höhe eines Sozialhilfesatzes lag. Die Bruderhilfe der Westkirchen bedeutete für sie wertmäßig über ein halbes Jahresgehalt und brachte eine privilegierte Stellung mit sich. Von daher war niemand sonderlich daran interessiert, über dieses Geld nachzudenken oder es gar in Frage zu stellen.
Das Problem der finanziellen Verbindungen zwischen SED und Kirchen ist bislang noch ein Tabuthema. Daher liegt auch wenig Quellenmaterial vor.
(62) G.Krusche: Bekenntnis und Weltverantwortung. A.a.0. S.163.
(63) Ebd.
(64) “Grenzfall“ Nr.6/1987. In: Hirsch/Kopelew (Hrsg), a.a.0. S.78 (Interview mit Bischof Forck) und vgl. “Grenzfall“ Nr.4/1987, a.a.0. S.46. und Mitteilung der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg an die Superintendenten vom 26.3.1982 zum Konflikt um Aufnäher “Schwerter zu Pflugscharen“.
(65) S.Bickhardt (Hrsg): Recht ströme wie Wasser. Christen in der DDR für Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung. Berlin 1988, S.17.
(66) Vgl. G.Krusche: Bekenntnis und Weltverantwortung. A.a.0. S.163.
(67) Vgl. “Grenzfall“ Nr.3/87, Nr.4/87 und Nr.5/87, In: Hirsch/Kopelew, a.a.0. S.19, S.46 und S.57.
(68) a.a.0. S.65 (Nr.6/87)
(69) G.Krusche Diskussionsbeitrag auf der Berlin-Brandenburger Synode (Ostregion) vom 8.-12.4.88.
(70) Vgl. F.Klier, a.a.0. S.169, S.192, S.241.
(71) Vgl. Interview mit Altbischof Schönherr, in “Tagesspiegel“ vom 13.6.89, S.9.
(72) J.Garstecki: Um der ökumenischen Gemeinschaft willen. In: “Die Kirche“ 4.3.1990, S.2. Vgl. “Grenzfall“ Nr.6/87, a.a.0. S.65.
(73) Vgl. “Tagesspiegel“ vom 26.8.1990, S.46.
  ........... Anmerkung Kirche (1978-90)
(74) Zahlenmaterial aus repräsentative Umfrage des Ost-Berliner “Unabhängige Institut für Friedens- und Konfliktforschung“ vom Juni 1990. In: “Berliner Sonntagsblatt“ vom 12.8.90, S.2.
(75) Der Entwurf einer neuen Lebensordnung “Mit der Kirche leben“, den der BEK Mitte der achtziger Jahre in die Gemeindediskussion hineingab, konnte durch die wachsende Identitätskrise nicht zu einer verbindlichen Festlegung entwickelt werden. In der Berichterstattung von der Berlin-Brandenburger Synode vom April 1988 war zu lesen: “Ich könnte mir eine Kirche vorstellen, die in Jesus Christus ruht und ruht und ruht und außer diesem Ruhebedürfnis kein anderes mehr hat.“ Zu einem Konsens über die konkrete Gestaltung der Nachfolge Christi in der gesellschaftlichen Wirklichkeit der DDR kam es Ende der achtziger Jahre nicht mehr.
(76) Vgl. Synodenrückschau der Berlin-Brandenburger Synode (Ostregion) vom 4.-8. April 1986: “Warum lösen wir uns so schwer von Strukturen, die so nicht mehr durchgehalten werden können? Warum haben wir andererseits nicht den Mut, eine Sache, die um des Auftrages willen nicht aufgegeben werden darf und anscheinend keine finanziellen Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden, doch durchzusetzen?“ (Kleinhempel)
(77) „... die Organisationsform und der Gebäudebestand sind noch auf eine Gesamtbevölkerungskirche ausgerichtet, stammen aus der Zeit der Staatskirche, als der König von Preußen zugleich der Bischof dieser Kirche war. Die Zeiten und die Verhältnisse sind radikal anders geworden. Veränderungen sind überfällig.“ Konsistorialpräsident M.Stolpe, Vortrag im Rahmen der ‘Berliner Lektionen‘. In: “Tagesspiegel“ vom 17/18. Juni 1989, S.40.
(78) Vgl. “Bleibender Auftrag - neue Herausforderungen. Überlegungen zum Weg unserer Kirche in das vereinigte Deutschland. Ein Gesprächsangebot aus dem Kirchenbund.“ In: Potsdamer Kirche Nr.35/1990 vom 2.9.90, S.4.
(79) 79 Bericht der KKL auf der Bundessynode vom September 1987 in Görlitz. In: Mitteilungsblatt des Bundes vom 1.9.88, S.37. 
(80) Bericht der KKL auf der Bundessynode vom September 1986 in Erfurt. In: Mitteilungsblatt des Bundes vom 16.10,87, S.3.
(81) Beschluß der Synode des BEK vom September 1989 in Eisenach. In: G.Rein (Hrsg),a.a.O. S.215
(82) Vgl. Bericht des Vorsitzenden der KKL vom September 1989 in Eisenach. In: Mitteilungsblatt des Bundes vom 20.10.89, S.38.
(83) Vgl. Beschluß der Synode des BEK vom September 1989 in Eisenach. In:
G.Rein (Hrsg), a.a.O. S.215.
(84) Vgl. “Berliner Sonntagsblatt“ vom 25.3.90, S.1f.
(85) Vgl. “Berliner Sonntagsblatt“ vom 24.6.90, S.1.
(86) Berliner Erklärung von Christen aus beiden deutschen Staaten vom 9.2.90 (Ökumenischer Initiativkreis, Duchrow/Falcke/Garstecki/Raiser) vgl. auch dagegen “Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt“ vom 2.3.90, S.17.
(87) Vgl. Entschließung der Synode des BEK (23-25.2.90) in: “Berliner Sonntagsblatt“ vom 4.3.90, S.6.
(88) Vgl. “Berliner Sonntagsblatt“ vom 24.6.90, S.1.
(89) Vgl. “Berliner Sonntagsblatt“ vom 9.9.90, S.1f und “Tagesspiegel“ vom
6.11.90, S.7.
  ........... Anmerkung Theologie (1978-90)
(90) “Das Bekenntnis zu Jesus Christus und die Friedensverantwortung der Kirche“. Das Moderamen des Reformierten Bundes (in der BRD). Eine Erklärung, angenommen am 12.6.1982. In: G.Krusche, a.a.0. S.144. Vgl. auch die zurückhaltende Stellung der EKD in der Denkschrift von 1981 “Frieden wahren, fördern und erneuern“, Hrsg von d.Kirchenkanzlei d.EKD, Gütersloh 1981.
(91) Vgl. Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie. Denkschrift der EKD Gütersloh 1985, S.46.
(92) D.Linke, a.a.0. S.201.
(93) Vgl. Grenzfall, a.a.0. S.VII.
(94) Vgl. D.Linke, a.a.0. S.203.
(95) Vgl. A.Mitter (Hrsg), a.a.0. S.57f
(96) Erklärung der KKL zur gegenwärtigen weltpolitischen Situation für die Delegation des BEK für die Konsultation des Ökumenischen Rates der Kirchen mit Mitgliedskirchen aus sozialistischen Ländern Europas (28.-31.1.80 in Budapest). In: Kirche als Lerngemeinschaft, a.a.O. S.263.
(97) A.a.O. S.264. Und vgl. Rahmenkonzept “Erziehung zum Frieden“ in: Kirche als Lerngemeinschaft, a.a.0. S.266-275, hier 267: Inhaltliche Schwerpunkte der Friedenserziehung Pkt.3.
(98) “Wort zum Frieden“ (BEK und EKD) In: Kirche als Lerngemeinschaft, a.a.0. S.261.
(99) Vgl. Günter Krusche: Bekenntnis und Weltverantwortung. A.a.0. S.156.
(100) Rahmenkonzept “Erziehung zum Frieden“ in: Kirche als Lerngemeinschaft, a.a.O. S.266-275, hier S.268.
(101) Vgl. a.a.0. S.269.
(102) “Mehr Gerechtigkeit in der DDR - unsere Aufgabe, unsere Erwartungen“ Ökumenische Versammlung vom April 1989 in Dresden. In: G.Rein (Hrsg), Die Opposition in der DDR, Berlin 1989, S.211.
(103) Vgl. Ehrhart Neubert: Eine protestantische Revolution. A.a.0. S.713.
(104) A.a.0. S.710.
(105) A.a.0. S.712.
(106) R.Henrich, a.a.0. S.234.
(107) Wort der KKL  der DDR vom 8.12.90. In: “Berliner Sonntagsblatt“ vom 17.12.89, S.4.
(108) Vgl. “Berliner Sonntagsblatt“ vom 4.3.90, S.2.
(109) A.a.0. S.6. 
(110) A.a.0. vom 25.3.90, S.6.
(111) Beschluß der Synode der Kirchenprovinz Sachsen zum Abschluß ihrer Tagung vom 15.-17.3.90 in Magdeburg. In “Berliner Sonntagsblatt“ vom 25.3.90, S.6.
(112) Vgl. “Berliner Sonntagsblatt“ vom 27.4.90, S.1f. und vom 6.5.90, S.2.
(113) M.Stolpe: Interview im ZDF (Sendung Kennzeichen D) vom 17.10.1990.
(114) H.Falcke: Die Kirchen sind jetzt die Politik nicht los. In: G.Rein (Hrsg), S.218-229, hier S.223.
(115) Hans-Joachim Maaz: Der Gefühlsstau. Ein Psychogramm der DDR. A.a.O. S.95.
(116) 116 Vgl. zur Stuttgarter Schulderklärung Karl Barth, zitiert aus Daniel Cornu a.a.O. S.92.

 
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  Übersicht

Inhalt

Vorwort
Teil I
Teil II
Teil III
Teil IV
(1945 - 1949)  Neubeginn 
(1949 - 1961)  Konfrontation 
(1961 - 1978)  Entspannung
(1978 - 1990)  Wende
Literatur
Personenverzeichnis
Abkürzungen
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