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PageAutor: Pfarrer Zillmann
(31.12.2008)
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Predigt - Kinder des
Lichts
(1 Thess 5,1 ff) 09.11.08 Superintendentin Hornschuh-Böhm
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem
Herrn Jesus Christus, Amen.
„Ihr wisst, dass der Tag
des Herrn so kommt wie ein Dieb in der Nacht...Ihr aber seid Kinder des
Lichtes und des Tages. Wir gehören nicht zur Nacht und nicht zur
Finsternis. Also lasst uns nicht schlafen, sondern wachen und
nüchtern sein.“
Liebe Gemeinde,
diese Worte setzen ein unerhörtes Vertrauen in uns. Kinder des Lichts werden die
genannt, zu denen der Text spricht. Mitten in einer dunklen, oft sehr
dunklen Welt gibt es Kinder des Lichtes. Und damit sind wir angeredet.
Was Paulus hier an die Gemeinde in Thessalonich schreibt, das gilt von
allen Christen oder von keinem. Von allen Gemeinden oder von keiner. Er
duldet keinen Zweifel: Wir sind Kinder des Tageslichtes.
Paulus tut so, als ob dagegen gar keine Einwände möglich
wären. Und dabei liegen die Einwände doch auf der Hand.
Heute, an diesem Tag, wo dieser beiden so verschiedenen Ereignisse
gedacht wird: 70 Jahre Reichspogromnacht, 19 Jahre Fall der Berliner
Mauer.
Natürlich gab es damals auch Lichtgestalten,
in jener dunklen Zeit vor 70 Jahren. Zum Beispiel eine wie der Berliner
Dompropst Bernhard Lichtenberg, der unerschrocken in Worten und Werken
den bedrängten und verfolgten Juden beistand.
Tieferschüttert von den Ausschreitungen des 9. November 1938 sagte er in einer
Predigt am Tage danach: „Was gestern war, wissen wir. Was morgen ist,
wissen wir nicht. Aber was heute geschehen ist, haben wir erlebt.
Draußen brennt der Tempel, brennt die Synagoge. Das ist auch ein
Gotteshaus.“
Und natürlich gab es viele Jahre später auch die
Lichterketten in den Oktober- und Novemberwochen 1989, diese Kerzen,
die mehr als alle Parolen die Herzen der Menschen auf den Straßen
und Plätzen in Leipzig, Dresden, Wittenberg, Berlin und anderswo
erreichten. Ja, es gab auch von Seiten der Christen und der Kirchen
immer wieder Licht in dunkler Zeit, aber noch häufiger das mutlose Schweigen, das
ängstliche Sich –Ducken, die mangelnde Verbundenheit der Kirche
mit der Synagoge.
Der Apostel Paulus weiß das. Und trotzdem sagt er: Ihr seid
Kinder des Lichtes. Macht er der Gemeinde und seinen Lesern damit nur
billige Komplimente? Oder was ist das für ein seltsames Licht, dem
wir zugehören, obwohl wir doch oft genug im Dunkeln tappen? Was
ist das für ein merkwürdiger Tag, dem wir zugehören,
obwohl die finstere Nacht immer wieder über uns herein bricht?
Nicht nur in großen historischen Zeiten mit großen
geschichtlichen Ereignissen, sondern auch in ganz alltäglichen,
persönlichen Situationen werden wir am hellerlichten Tag von
dunklen Stunden überfallen. Stunden, in denen der Abgrund, der in
uns wohnt, über uns Herr wird: Stunden der belastenden
Erinnerungen, der Trauer, der Angst, des Zornes, der Scham – trotz des
strahlend sonnigen Tages um uns herum.
Was für ein Licht kann dieser Finsternis standhalten? Welcher Tag
lässt sich von solch einem Dunkel nicht verdrängen? Eines
dürfte klar sein: Das Licht, das wir anzünden, ist es nicht.
Ein Tag, den wir beginnen und gestalten, ist es nicht. Unserem Tag
folgt regelmäßig wieder die Nacht. Unsere Lichter haben nur
eine sehr begrenzte Lebensdauer. Das ist gewiss.
Aber da ist noch ein anderes Licht, das nicht verlöscht. Es gibt
noch einen anderen Tag, der nicht vergeht. Das ist der Tag des Herrn. Die Helligkeit dieses
Tages wird aller Finsternis der Welt entgegen gesetzt. Das ist der Tag,
zu dem wir gehören. Wenn wir aber Kinder dieses Tages sind, dessen
Licht der Finsternis der Welt entgegen gesetzt ist, dann sind wir
selbst dem Dunkel dieser Welt entgegen gesetzt. Dann sollen wir
als Kinder des Lichtes die Dunkelheit dieser Welt durchbrechen.
Wie ist das möglich? Wie können wir Helligkeit in die Welt,
und zwar in unsere allernächste Mitwelt hinein tragen? Paulus sagt
zunächst einmal, wie es nicht geht. Es gab und gibt ja immer
wieder Versuche, zu berechnen, wann der Tag des Herrn kommt. Der
Tag der Ankunft Gottes bei uns. Die Propheten warteten auf diesen Tag.
Und zur Zeit des Paulus gab es viele Menschen, die sich so für den
Termin dieses Tages interessierten, dass sie darüber die Gegenwart
vergaßen.
Schon Jesus - wir haben es vorhin in der Lesung des Evangeliums
gehört - hat solche Spekulationen und solche geistlichen
Kunststückchen scharf verurteilt. Denn wenn man die Ankunft Gottes
erst einmal auf einen Tag in der Zukunft berechnet und fest gelegt hat,
dann braucht man jetzt, in der Gegenwart, nicht mehr mit Gott zu
rechnen. Dann tut man bestenfalls noch das Eine oder Andere dafür,
um diesen Jüngsten Tag noch etwas zu beschleunigen. Aber
dann setzt man selbst die Zeiten fest, die zu erwarten sind: Tausend
Jahre...Wir kennen das. Eine biblische Zeit, für sich in Anspruch
genommen von Machthabern, die die Zeit missbrauchten.
Wir rechnen uns die Zukunft selber
aus. Gott beunruhigt dann nicht weiter. Er ist eingeplant, er ist
verrechnet, er ist in unseren Interessen verplant. Gott aber lässt
sich nicht verplanen. Seine Geschichte und sein Weg mit uns sind offen.
Was kommen wird und wann er kommen wird, das lässt sich weder
ausgrenzen noch berechnen noch planen. Er kommt in seine Welt, die ihre
Pläne ohne ihn macht, zu seiner Zeit wie ein Dieb in der Nacht:
unangemeldet, plötzlich und heimlich.
Deshalb gilt es, wachsam und nüchtern zu sein. Und mit dieser
Wachsamkeit und Nüchternheit Helligkeit zu verbreiten in einer
schläfrigen Welt. Paulus setzt voraus, dass wir das können.
Er spricht von uns als den Kindern des Lichtes. Wir gehören also
bereits jetzt zu der Zeit, die von Gott bestimmt ist, von ihm geplant
wird. Wir gehören schon jetzt zu der Zeit, die täglich mit
Gott rechnet. Wir haben Zeit, viel Zeit, in erster Linie Zeit für
Gott.
Die Lichter des Advent, die – wieder zu früh! - hier und da
in unseren Straßen aufleuchten, mahnen zur Wachsamkeit in einer
Welt, die von Gott nichts mehr erwartet, weil sie aufgehört hat,
ihn selbst zu erwarten. „Wir leben so überraschungsfest“, hat das
ein katholischer Theologe, Johann Baptist Metz, diesen Zustand einmal
genannt. Überraschungsfest....Ein tiefsinniges Wort.
Überraschungen
machen unsere Pläne zunichte. Sie werfen den wohl kalkulierten
Terminkalender über den Haufen. Sie zwingen uns, Ereignisse zur
Kenntnis zu nehmen, die wir nicht mehr im Griff haben. Meistens
Ereignisse, die uns erschrecken: der Brief mit der viel zu hohen
Rechnung, die Diagnose des Arztes mit schrecklicher
Aussicht...Überraschungen zeigen uns, dass wir nicht die
Herrscher über unsere Zeit sind.
Als in jener Nacht vor 19 Jahren die Berliner
Mauer fiel, war auf dieses Ereignis niemand vorbereitet, trotz
aller Sonntagsreden zur ersehnten und erwünschten
Wiedervereinigung. Wirklich ernsthaft mit ihr gerechnet und sie
erwartet hat jedenfalls von westlicher Seite niemand mehr. Das hat sich
in den Monaten danach gerächt.
Überraschungsfest leben, das ist ein anderes Wort für gottlos
leben. Wo von der Zukunft, von der Zeit, die Gott macht, nichts mehr
erwartet wird, wo er vielleicht nur als Störenfried und wie ein
Dieb in der Nacht wahr genommen wird, da wird es dunkel in der Welt. Da
regiert der eigene Plan. Da wird nur noch für die eigene Zukunft
gesorgt. Da wirft der menschlich- allzumenschliche Egoismus seine
Schatten auf die Welt. Schatten, die den Blick auf den
Nächsten verdunkeln.
Wie oft hat die Kirche aus
Sorge und Angst um sich selbst und um ihre eigene Zukunft sich mit
politischen Machthabern arrangiert, um sich Frieden und Sicherheit
garantieren zu lassen. Vor 70 Jahren, vor 20 Jahren. Aber eine Kirche,
die auf solche Absicherungen baut, hat aufgehört, eine Kirche in
der Zeit Gottes zu sein. Eine solche Kirche ist zu einer
überraschungsfesten Kirche geworden.
Der Glaube aber hofft auf den Tag der Ankunft Gottes, auf die
Überraschungen, die er noch für uns bereit hält. Der
Glaube ist offen nach vorn. Und es werden keine schrecklichen, sondern
wunderbare Überraschungen sein. Der Tag des Herrn ist ein Tag des
Heils, nicht des Schreckens. Darauf gehen wir zu.
Wir sind Kinder des Lichtes. Botschafter der Ankunft Gottes. Die wahren
Lichterketten und Adventskerzen in dieser Welt. Von Gott
entzündet. Ihr seid das Licht der Welt, sagt Jesus. Darum:
Lasst euer Licht leuchten! Amen.
Beate Hornschuh – Böhm
Superintendentin des Kirchenkreises Reinickendorf
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Predigt - Über die Gier
der Armen und Reichen
(Lk 12,16-21) 05.10.08 Pfr. Zillmann
Liebe Gemeinde, heute ist Erntedanktag
und dieser Erntedanktag hat meistens drei
wichtige Themen.
Zum einen werden wir daran erinnert, dass es uns eigentlich doch allen
recht gut geht und dass wir deshalb auch mal dafür richtig Gott
sei Dank sagen können.
Zum anderen sollten wir vorsichtig sein, weil nämlich - wenn es
einem gut geht - dies auch alles mal ein Ende haben wird und dass
Reichtum auch sehr gefährlich ist, dass Geld allein nicht
glücklich macht.
Und daraus nun, aus diesen beiden Einsichten entsteht die dritte
Erkenntnis: Es ist wichtig, dass wir von unserem Reichtum, von unserem
relativen Reichtum will ich mal sagen, auch anderen Menschen etwas
abgeben können.
Eine typische Bibelstelle ist immer die Geschichte vom reichen Kornbauern. Jesus
erzählte sie seinen Freunden.
Lk 12,16-21
»Ein reicher Bauer hatte eine
besonders gute Ernte gehabt. 'Was soll ich jetzt tun?' überlegte
er. 'Ich weiß gar nicht, wo ich das alles unterbringen
soll! Ich hab's', sagte er, 'ich reiße meine Scheunen ab
und baue größere! Dann kann ich das ganze Getreide und alle
meine Vorräte dort unterbringen und kann zu mir selbst sagen: Gut
gemacht! Jetzt bist du auf viele Jahre versorgt. Gönne dir Ruhe,
iss und trink nach Herzenslust und genieße das Leben!'
Aber Gott sagte zu ihm:
'Du Narr, noch in dieser Nacht werde ich dein Leben von dir
zurückfordern! Wem gehört dann dein Besitz?'« Und
Jesus schloss: »So steht es mit allen, die für sich selber
Besitz anhäufen, aber bei Gott nichts besitzen.« Lk
12,15 Darum: »Gebt acht! Hütet euch vor jeder Art von
Habgier! Denn der Mensch lebt nicht aus seinem Besitz, auch wenn der
noch so groß ist.«
Liebe Gemeinde, diese Geschichte ist allgemein bekannt und das
schöne ist, sie gilt für alle Zeiten. In die Situation eines
Bauern können wir uns heute nicht mehr so recht rein versetzen,
weil wir ja eben in einer Stadt leben, aber für den Begriff
Scheune könnten wir auch sagen: Das ist mein Taschengeld auf dem
Sparbuch, das ist mein Aktiendepot bei der Bank, meine
Lebensversicherung oder das sind meine Rentenpunkte bei der
Rentenversicherung. Jeder versucht etwas zurückzulegen, um ein
ruhiges Leben führen zu können. Aber – und so sagt es ein
Sprichwort ganz kurz – das letzte Hemd hat eben keine Taschen.
Hinzu kommt auch noch eine andere Erfahrung. Wenn man sich Schätze
sammelt, dann werden sie von Dieben gestohlen und von Motten und
Heuschrecken zerfressen. Nicht nur der Mensch an sich, sondern auch die
Schätze dieser Welt, die er sammelt, sind nicht von Ewigkeit.
Ewigkeit gibt es nur im Himmel. (Lk 12,33)
Wer in den letzten Tagen und Wochen die Finanzkrise in Amerika verfolgt hat,
der findet hier ein exelentes Beispiel, für die Gefahren des
Reichtums. Nun kommt gleich das Argument: "Was geht mich das an? Ich bin ja
nicht reich und Amerika liegt weit weg." ... Ja, das
ist ja schön und gut, aber insgeheim oder auch manchmal ganz
offen, da fänden wir es schon sehr nett, wenn wir ein klein
bisschen mehr Geld hätten. Geld stinkt doch nicht und man muss ja
nicht gleich übermütig werden.
Und dieser kleine Wunsch, der Seufzer, das leuchten in den Augen, "Ach wenn ich mal Millionär
wäre, ja dann, dann würde ich so und so, dann wäre dies
und jenes, ach wäre das schön – ein Traum!"
In den USA spielen sich dramatische Ereignisse ab. So richtig haben das
die wenigsten bemerkt. Da zerplatzen die realen Träume, Existenzen
werden vernichtet, Lebens-Entwürfe gehen den Bach runter. Riesige
Geldmengen lösen sich in Luft auf. Unsere Welt, jedenfalls die Geld-Welt, die wird nicht mehr sein,
wie früher und das wird auch ganz konkrete Auswirkungen für
uns haben – für den kleinen Mann eben hier, für die kleine
Frau eben dort. Ich will das gar nicht weiter ausmalen.
Die Schuldigen werden gesucht. Es sind natürlich immer die
anderen, die gierigen Reichen, die Fabrikbesitzer, die Bankmanager mit
ihren riesigen Gehältern, die Spekulanten und die
Politbürokraten. Sie stecken alle unter einer Decke -
die da oben - und der arme Steuerzahler muss wieder mal
bluten.
Das ist natürlich eine sehr kindliche Weltsicht, aber sie ist
einfach und einleuchtend, damit lassen sich Wählerstimmen
gewinnen. So entsteht Sozialismus, so sind die Nazis nach der letzten Weltwirtschaftskrise an die Macht
gekommen, so hat Stalin dann seine Arbeitslager gebaut.
Junge Menschen wissen kaum etwas davon und deshalb ist der Sozialismus – egal ob nach rechts
oder nach links - auch so interessant für junge Menschen. Die da
oben, die Reichen, sind die Bösen
und wir hier, die jeden Euro dreimal umdrehen, wir sind die Guten. Ganz einfach.
Aber zurück zum Bibeltext. Der ist nicht so einfach.
Jesus sagt: "Gebt acht!
Hütet euch vor jeder Art von Habgier!"
Und diese Jacke – liebe Gemeinde - müssen wir uns jetzt anziehen.
Die ist für uns bestimmt. Die Jacke
für den kleinen Mann. Denn wir sind im innersten unserer
Seele nicht anders, als die da oben, wir sind nicht die besseren
Menschen.
Es ist immer der kleine Wunsch, das bisschen-mehr-haben wollen, als die
anderen, diese sogenannten Privilegien.
"Ach wie schön
wäre es, wenn ich mehr Taschengeld hätte, als mein
Mitschüler. Ach wie schön wäre es, wenn ich doch endlich
ein neues Handy hätte, eine größere Wohnung, ein
besseres Auto, warum wird denn das Arbeitslosengeld nicht erhöht,
warum ist die Rente nur so niedrig? Warum ist alles nur so teuer?"
Und dann dieser kleine Wunsch, der Seufzer, das leuchten in den Augen, "Ach wenn ich mal Millionär
wäre, ja dann, dann würde ich so und so, dann wäre dies
und jenes, ach wäre das schön – ein Traum!"
Wir versuchen diesen Traum auch zu verwirklichen, jeder mit seinen
Mitteln. Und dann passiert es, dass am Monatsende die Handyrechnung
nicht bezahlt werden kann, na ja meine Mutter wird es schon richten.
Und dann passiert es, dass am Monatsende, dass Konto der armen Mutter
bereits in den roten Zahlen ist, na ja die Bank hält ja noch ein
paar Tage still. Ich hab ja einen Überziehungskredit.
Und dann werden die Raten für den neuen Fernseher nicht mehr
bezahlt. - "Geht ja nicht -
wird ja alles teurer, - das Leben, - kann ich ja nichts dafür."
Und das Auto ist bereits zu Schrott gefahren. Und mit dem Hauskredit
hat man sich auch vollkommen verkalkuliert. Schulden über Schulden.
Und auch wenn man nicht verschuldet ist, dann ist man nicht besser
dran, im Gegenteil. Wohin mit dem ganzen Geld? Ich will noch mal an den
reichen Kornbauern aus unserer Geschichte erinnern. Das war ja sein
Problem, dass er so viel hatte. Wenn man Geld hat, dann wird es ganz
kompliziert.
"Was, Nur 3% auf dem
Sparbuch Zinsen ??? das ist ja fast schon Diebstahl. Nur 5% auf
Bundesanleihen – mit mir machen die das nicht. Ich will 7% für
Derivate. Ach liebe Bank, habt ihr nicht Zertifikate? - 14%
gibt es da, von Lehman Brother. Das wäre was für mich, um
meine kleine Rente aufzubessern."
Liebe Gemeinde, und wer von diesen Bankgeschäften und Spekulationen keine Ahnung hat, der
geht ins Zentrum in die Lotto Annahme, spekuliert mit ein paar Euro
dann auf die besagte "wenn ich mal wär ein Millionär".
Und er meint dann, na ja ich bin ja nicht Schuld, an der ganzen
Finanzmisere. Ich will ja nur ein bisschen Glück.
Jesus sagt: "Gebt acht! Hütet euch vor jeder Art von Habgier! Denn
der Mensch lebt nicht aus seinem Besitz, auch wenn der noch so
groß ist."
Liebe Gemeinde, als Kind habe ich immer wahnsinnig gern Comics gelesen
und natürlich besonders die Geschichten von Onkel Dagobert.
Dagobert Duck, seine Neffen und seine ganze Verwandtschaft
verkörpern alle Klischees und moralische Spielregeln des Kapitalisten.
Und meine Erkenntnis heutzutage: Wir sind alle irgendwie kleine
Dagoberts oder wollen manchmal so sein wie er, jeder in seinem
Lebensbereich, und jeder mit seinen Möglichkeiten.
Dagobert Duck ist
fleißig, zielstrebig und sparsam. Er hat seinen Reichtum mit
ehrlichen Mitteln angehäuft. Vom bettelarmen Schuhputzer, als
Kind, da hat er seinen ersten Kreuzer verdient, bis hin zum Glück,
als er in Alaska Gold gefunden hatte und mit diesem Gold hat er dann in
Dawson-City eine Bank gegründet und ist der reichste Mann der Welt
geworden.
Er lebt in Entenhausen und seine drei Lieblingsbeschäftigungen
sind nach wie vor: Geld verdienen, Geld zählen und - in
Geld baden! "Wenn's ums
Geschäft geht, muss die Moral auch schon mal auf der Strecke
bleiben!" hat er gesagt und seine Sparsamkeit nimmt dann
Züge extremsten Geizes an.
Onkel Dagobert kommt nett daher, schauen sie sich die zwei Bilder an,
er kommt nett daher, man kann ihn lieb haben, aber er kann auch ganz
böse werden, wie gesagt: "Wenn's
ums Geld geht, hört die Freundschaft auf."
Der Geiz und die Gier sind die Ursachen der Finanzkrisen.
Natürlich kann man die Spielregeln ändern. Man kann
Zertifikate verbieten, man kann die Börse abschaffen, man kann das
Lottospielen verbieten, man kann den Zinseszins verbieten. Ja, manche
wollen sogar das Geld abschaffen.
Mit diesen gesellschaftspolitischen Maßnahmen, mit diesen
revolutionären Gedanken werden aber nicht Geiz und Gier aus der
Welt geschafft, sondern im Gegenteil. Sie werden ungezügelt
losgelassen. Neid und Missgunst folgen und das Ende war immer eine
Katastrophe.
Nun was machen wir daraus. Noch mal ganz zum Anfang zurück. Der
Erntedanktag, und das sagt ja schon der Name hat etwas mit Dank zu tun.
Wenn wir es schaffen, mal in uns zu gehen, wenn wir es schaffen, mal
jeder so für sich, zu sagen: "Eigentlich,
eigentlich geht es mir doch ganz gut, Gott sei dank, ich muss nicht
hungern - ich muss nicht frieren." Wenn wir Gott sei Dank sagen können,
dann ist schon viel gewonnen. Und oftmals geht es einem dann auch
wirklich besser.
Zu den üblichen Bibelgeschichten am Erntedanktag möchte ich
zum Abschluss noch eine aus den Weisheitsbüchern des Alten
Testaments vortragen. Reichtum kann gefährlich sein, dass
wissen wir. Die Schlussfolgerung kann aber nun nicht sein, das Armut
etwas gutes ist. Armut ist genau so gefährlich.
Und so liegt die Weisheit mal wieder in der goldenen Mitte und das
Gebet geht folgendermaßen:
Zweierlei
bitte ich von dir, Gott, das wollest du mir nicht in meinem Leben
verweigern:
- Falschheit und Lüge lass ferne von mir sein;
- lass mich nicht Arm und lass mich nicht Reich sein;
lass mich aber mein Teil Speise dahinnehmen, das du mir beschieden
hast. Ich könnte sonst, wenn ich zu satt würde, dich
verleugnen und sagen: Wer ist denn Gott? Oder wenn ich zu arm
würde, dann könnte ich stehlen und dich verfluchen. (Spr.
30,7)
Darum lieber Gott: lass mich nicht Arm und lass mich nicht Reich sein.
Und dass von Ewigkeit zu Ewigkeit AMEN
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Predigt - Tradition und
Veränderung
(Röm 13,14) 22.06.08 Pfr. Zillmann
"Zieht den Herrn Jesus Christus an."
(Röm 13,14)
Liebe Gemeinde, manche Leute wechseln ihre Meinung, wie andere ihre
schmutzige Wäsche und manche Menschen ändern ihre Gesinnung, wie andere ihre Kleidung
der jeweiligen Mode anpassen.
So ausgedrückt klingt das schlecht.
Besser hört es sich so an: Nur wer sich ändert,
kommt im Leben weiter und kann den Zeitgeist verstehen. Wir wollen
flexibel sein und uns dynamisch anpassen können, an andere
Lebensumstände, Arbeitsstellen und Währungen, an andere
Menschen, Meinungen und Glaubensinhalten.
In der Kirche gehen die Uhren oft anders. Hier hat das Wort Tradition einen hohen Stellenwert.
Es soll bewahrt werden, was gut ist. Das Neue wird darum nachhaltig und
lange geprüft, so daß zum Schluß nur noch Eingeweihte
im "Neuen" etwas Neues entdecken können. So werden wir vor
Fehlentscheidungen geschützt. So wird verhindert, daß der
Schaden größer als der Nutzen ist. Aber schnell entsteht
auch der Vorwurf, daß ewig alte Kleider mit ewig neuen Flicken
nur verschlimmbessert werden. Welche Jacke ziehen wir uns an? Sind wir Modernisten oder Traditionalisten?
Der Apostel Paulus stellte ähnliche Fragen. Neue und alte
Kleidungen wurden verglichen. Er hatte sich meistens für das Neue
entschieden, aber nun nicht, weil das Neue modern war, sondern weil das
Neue anders war. Paulus wollte keiner Moderichtung folgen, sondern gab
den Kleidungsstücken bezeichnende Namen. Sie dienten nicht als
Schmuck, sondern sie waren für ihn in erster Linie Arbeitskleidung
für eine neue Tätigkeit, Arbeitskleidung für einen neuen
Menschen.
"Ihr seid von Gott
erwählt, der euch liebt. Darum zieht nun wie eine neue Bekleidung
alles an, was den neuen Menschen ausmacht: herzliches Erbarmen,
Freundlichkeit, Bescheidenheit, Milde, Geduld. " (Kol 3,12) und
wörtlich sagt er dann sogar: "Zieht
den Herrn Jesus Christus an." (Röm 13,14) Er soll das
Leben bestimmen.
Liebe Gemeinde, auch in den Umbrüchen
unserer Kirche sollten wir diese
Kleidungsstücke nicht nach dem Wind hängen, oder sie gar dem
Zeitgeist entsprechend zuschneiden und ständig wechseln. (Mi 2,11)
Freundlichkeit hat einen besonderen und bleibenden Wert, gerade wenn
viele Menschen unfreundlich sind. Bescheidenheit ist wichtig, wenn
andere durch Raffgier und Habsucht sich selbst und andere verzehren.
Geduld war schon immer eine Tugend, nicht nur heute, wenn den Menschen
die Zeit wegzurennen scheint. Und wer in einer Ellenbogengesellschaft
nicht mehr weiß, was Milde und herzliches Erbarmen ist, sollte
nicht als modern bezeichnet, sondern einfach als rücksichtsloser
Mensch beschrieben werden.
Gegensätze nur schwarz weiß sehen, neu gegen alt
ausspielen, Tradition mit Veränderungen bekämpfen - das
bringt nicht viel. Es gibt menschliche Werte, die wie
Kleidungstücke wirken, und die man zu allen Zeiten tragen kann,
sowohl in den Zeiten der Beständigkeit als, auch in den Zeiten der
Veränderungen. Herzlichkeit,
Freundlichkeit, Bescheidenheit, Milde und Geduld gehören
dazu.
Daß auf diese Werte hingewiesen wird, daß der Apostel
Paulus auf diese Werte bezug
nimmt, erscheint mir wichtig zu sein. Wo ist das Feste, wo sind die
sicheren Fixpunkte, an denen wir uns ausrichten können? Allzuoft
verlieren wir sie aus dem Blickwinkel und werden dann unsicher; wissen
nicht, wie wir uns verhalten sollen und wie wir mit bestimmten
Ereignissen, also gerade mit Dingen, die Veränderung bewirken, wie
wir mit diesen Ereignissen umgehen sollen.
Daß das besonders in unserer Kirche problemmatisch ist,
möchte ich ihnen an einem erlebten Beispiel schildern.
Als Vikar mußte ich mit anderen Predigtschülern in einem
kleinen Dorf Missionarbeit
betreiben. Die Gemeinde hatte seit vielen Jahren keinen Pfarrer mehr
und so war es üblich, daß der Gemeindekirchenrat einmal im
Jahr für eine Woche Predigtschüler einludt, die mit den
Ältesten dann Hausbesuche bei Gemeindemitgliedern
durchführten. Am Sonntag wurde dann - als Abschluß -
gemeinsam ein Gottesdienst gefeiert.
Niemand nahm Anstoß, daß Gastprediger, Liturgen und
Sänger saloppe Kleidung und Jeans anhatten. Welcher Vikar wollte
damals schon das Geld für einen Anzug oder gar einen Talar
ausgeben, der vielleicht nie angezogen worden wäre.
Es war also eine bunte Mischung von verschiedenartigsten
Christen, die da Gottesdienst feierten und in ihrer Buntheit
doch ein gemeinsames Kleid angezogen hatten, Paulus würde sagen: "Die Jesus Christus angezogen hatten".
Einen Tag vorher hatte ich aber auch eine andere Erfahrung gemacht. Ein
alte Frau, die ich besuchte, war nun nicht von meinen Jeans
gestört, die hatte sie garnicht bemerkt, denn der Unterschied
zwischen blauen Hosen und amerikanischen Levis war ihr fremd, aber was
ihr auffielt und dann ihren Unmut hervorrief, war mein Bart.
Sie tuschelte erst leise mit der Frau aus dem Gemeindekirchenrat und
traute sich dann aber doch, nach einigen Ermutigungen, ihre Meinung
laut zu sagen.
"So einen Bart darf ein
Pastor nicht haben. Das schickt sich nicht, das darf man nicht!" sagte
sie freundlich - aber dennoch energisch. Mein verdutztes Gesicht
forderte eine weitere Erklärung und die gab sie dann auch gleich "Ein Bart muß so hoch sein!" Sie
machte eine wohl passende Handbewegung und holte zur Unterstützung
ihr Familienalbum mit den Fotos heraus.
Nun zeigte sie mir ein Bild von ihrem im ersten Weltkrieg gefallenen
Mann. Und der hatte den richtigen Bart. Jetzt war mir klar, was sie
meinte. Ganz hoch gezwirbelt war er, wie bei Kaiser Wilhelm, und wie beim Pastor,
der sie 1914 getraut hatte. So hat man auszusehen und nicht anders.
Wir hatten aber noch ein lustiges Gespräch. Mit ihren 98 Jahren
konnte sie viel erzählen, von Kirche und Menschen, und wie es
einmal war. Und ich hörte gut zu. Natürlich machte ich ihr
nicht klar, daß viele Dinge in der Kirche lange Bärte haben,
oder andere Bärte, und daß manche Bärte und Zöpfe über
die Jahrhunderte auch verloren gehen können.
Mir wurde aber bei diesem Gespräch, und auch bei anderen Besuchen
in diesem Dorf, das erste mal richtig bewußt, wie breit und
vielfältig die Vorstellungen von Kirche sein können. Und wie
über Generationen hinweg, einfach Kirche vollkommen anders
geworden ist, wie sich plötzlich ein Bogen spannt vom deutschen
Kaiser-Wilhelm-Bart bis zur amerikanischen Jeans.
Und wie wir als Gemeindemitglieder in diesen Spannungen leben. Die
Sätze fange dann immer so an: "Damals
war das aber anders, ... Ich kann mich erinnern, als ICH
konfirmiert wurde, da war das so und so..." usw. Lustige
Geschichten folgen, oftmals auch wehmütige.
Die Veränderungen im
vorigen Jahrhundert sind an Kleidung und Äußerlichkeiten
schon sehr bedeutend gewesen. Die Veränderungen haben aber auch
Auswirkungen auf das innere Wesen der Kirche gehabt. Und dieser
Prozeß wird abgeschlossen sein, wenn die Kirche nicht mehr Körperschaft öffentlichen Rechtes
ist und die Kirchensteuer
nicht mehr vom Staat eingezogen wird. Eine letzte deutsche Bastion wird
fallen. Auch die Strukturen unserer Kirche werden dann irgentwie
europäisch.
Das dauert nicht mehr lange. Viele Probleme, die wir heute noch
intensiv besprechen, lösen sich dann von ganz alleine. Deshalb
kommt ja auch die Forderungen, daß wir in Szenarien denken
sollen, daß wir uns Gemeinde vorstellen eben ohne große
Kirchengebäude, und Gemeinde ohne tarifliche Mitarbeiter, und
Gemeinde ohne Pfarrer.
Wer alle diese drei Dinge mit Klauen und Zähnen verteidigt, weil
er meint, daß sie christlich sind, irgendeine Identität
begründen, das so eine Kirche
mit Profil aussieht, der irrt und der hat viel zu tun, wenn er
der Realität hinterher rennt. Er könnte genausogut behaupten:
Jesus Christus hatte einen Kaiser-Wilhelm-Bart getragen, ganz hoch
gezwirbelt, bis in den Himmel und bis in alle Ewigkeit.
Liebe Gemeinde, aber zurück zum Apostel Paulus. Wenn sich
etwas verändert, dann soll man nicht Trübsal blasen, sondern
frohe Lieder singen. Paulus gibt eine Anweisungen für alle:
"12 Ihr
seid von Gott erwählt, der euch liebt und zu seinem heiligen Volk
gemacht hat. Darum zieht nun wie eine neue Bekleidung alles an, was den
neuen Menschen ausmacht: herzliches Erbarmen, Freundlichkeit,
Bescheidenheit, Milde, Geduld.
13 Ertragt einander! Seid nicht nachtragend, wenn euch jemand Unrecht
getan hat, sondern vergebt einander, so wie der Herr euch vergeben hat.
14 Und über das alles darüber zieht die Liebe an, die alles
andere in sich umfaßt. Sie ist das Band, das euch zu vollkommener
Einheit zusammenschließt.
15 Der Frieden, den Christus schenkt, soll euer ganzes Denken und Tun
bestimmen. In diesen Frieden hat Gott euch alle miteinander gerufen,
denn ihr seid ja durch Christus ein Leib. Dankt Gott dafür!
16 Gebt dem Wort Raum, in dem Christus bei euch gegenwärtig ist.
Laßt es seinen ganzen Reichtum unter euch entfalten. Unterweist
und ermahnt einander mit aller Weisheit. Singt Gott aus vollem Herzen
Psalmen, Hymnen, Loblieder, wie seine Gnade sie schenkt und sein Geist
sie euch eingibt.
17 Alles, was ihr tut und was ihr sagt, soll zu erkennen geben,
daß ihr Jesus, dem Herrn, gehört. Euer ganzes Leben soll ein
einziger Dank sein, den ihr Gott, dem Vater, durch Jesus Christus
darbringt."
Liebe Gemeinde, um das abschließende zu sagen: Das
Beständige, das Feste, in all dem auf und ab der Zeiten, sind die
Menschen, die Menschen, die Jesus Christus angezogen haben. Nicht
Gebäude, nicht Verträge, nicht Strukturen bestimmen unser christliches Leben, sondern der
Glaube an Gott. Allein darauf gründet sich Kirche und
Gemeinschaft, allein darauf baut sich alles andere auf. Und darin gibt
es dann keine Unterscheidung mehr zwischen Moderne und Tradition,
zwischen alt und neu.
"Zieht den Herrn Jesus Christus an." sagt Paulus (Röm 13,14) Er
soll das Leben bestimmen. AMEN
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Predigt - Gott hat sich
versteckt
(Jes 54,7-10) 09.03.08 Pfr. Zillmann
Liebe Gemeinde, der
Prophet Jesaja beschreibt am Ende seines Buches im 54 Kapitel ein Wort
Gottes an sein Volk. Dort heißt es:
„Nur für eine kleine Weile habe ich
dich verlassen - du mein Volk - doch mit großem Erbarmen hole ich
dich heim. Einen Augenblick nur verbarg ich vor dir mein Gesicht im
aufwallendem Zorn; aber mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir,
spricht dein Erlöser, der Herr.
... Denn es sollen wohl
Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von
dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht
der HERR, dein Erbarmer."
Liebe Gemeinde, wenn uns schlimme Dinge widerfahren und es ans
Trösten geht, dann fällt mir manchmal ein Kindersprichwort,
ein Kinderlied ein.
„Heile, heile
Gänschen, is’ ja wieder gut.
Das Mäuschen hat’nen Schwänzchen, heile, heile gut.
Heile, heile Mausespeck, in hundert Jahr’n is’alles weg.“
Dieses Lied kennen die meisten von uns sicherlich noch. So mancher
ließ sich trösten, wenn das Knie aufgeschlagen war oder eine
Schramme blutete. Das waren Momente, wo alles fürchterlich schlimm
war. Nie werden die Schmerzen weggehen,
dachte man als kleines Kind.
Und dann wurde gesagt: in hundert Jahr’n is’alles weg. Das waren
riesige Zeiträume, unvorstellbar, was sind hundert Jahre? Aber man
ließ sich trösten. Es geht wieder weg und der Schmerz
ließ sich aushalten.
Später merkte man dann, daß dies der Lauf der Dinge ist.
Alles hat seine Zeit, alles ist vergänglich - auch der Schmerz. In
100 Jahren da lebe ich nicht mehr; eine Erkenntnis die nun wieder ganz
anders die Zeiterfahrung einbringt. In 100 Jahren da lebe ich nicht
mehr! Der Trost der Kindheit, der reicht nun nicht mehr, ja er wird
geradezu erschreckend.
Der Prophet Jesaja versucht sein Volk zu trösten. So gesehen
passen sie eigentlich nicht zusammen, das Kinderlied und das Bibelwort.
Es geht ja bei Jesaja nicht um die Schramme eines kleinen Kindes, das
hingefallen ist, oder um ein einzelnes Menschenschicksal, sondern
es geht um mehr, eben um ein ganzes Volk. Vom Bund des Friedens wird gesprochen,
der nicht nur 100 Jahre, sondern ewig bestehen soll. Es werden wohl
Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von
dir weichen.
Diese Verse aus dem alten Testament werden oft zitiert und sie sind
beliebt. Sie sollen trösten, aber nun uns, die wir Erwachsen sind,
und sie sollen eine gute Zukunft in Aussicht stellen, uns, denen die
Zukunft oftmals verbaut erscheint.
Nicht hundert sondern Tausende von Jahren sind vergangen, seitdem
dieser Spruch niedergeschrieben wurde. Und dennoch geht er in unsere
Zeit hinein, wenn da Gott spricht: Ich habe dich einen Augenblick
verlassen, ich habe mich von dir abgewandt.
Viele Menschen empfinden das heute ebenso, wenn sie sagen: Es gibt
keinen Gott. Gott ist tot. Das
ist so eine kollektive Grundstimmung. Uns kann kein Gott helfen, mag
das nun aus Überheblichkeit oder aus einer großen
Enttäuschung heraus gesagt sein, egal. Uns kann kein Gott helfen.
Wenn es ihn gibt, dann hat er sich abgewandt.
Was hat eigentlich den Propheten Jesaja damals veranlaßt solche
ähnlichen Worte zu sagen, die uns doch so vertraut erscheinen? Es
sind vier Probleme, vier Schwierigkeiten in denen das Volk Israel in
jener Zeit steckte. Und wenn ich jetzt versuche diese vier Probleme
etwas aufzuhellen, dann denken sie nicht gleich, das hier alte
Geschichte erzählt wird, die sowieso niemand mehr interessiert. Es
sind keine alten verstaubten Ereignisse, die man vergessen kann,
sondern vergleichen sie lieber die Lebenssituationen dieses alten
Volkes mit unserem heutigen Geschehen. Nur so behält das Bibelwort
auch gegenwärtig seinen Sinn und kann Trost geben.
1.) Als erstes wäre zu nennen:
Die einen werden immer reicher und die anderen immer ärmer. Gerechtigkeit gibt es nicht mehr,
was gut ist, wird böse genannt. „Ihr behandelt die Hilfesuchenden,
die vor euch im Staub liegen, mit Fußtritten und drängt die
Schwachen mit euren Ellenbogen rücksichtslos beiseite.“ sagt der
Prophet (Am 2,7) Ein wahres Wort. WIR sind damit gemeint, so wie wir
hier sitzen, denn heute gilt dieser Spruch für ganze Länder
und Kontinente und ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, wir sind nun
mal die Reichen dieser Welt und die anderen liegen vor uns im Staub und
verhungern.
2.) Das zweite
Problem, das der Prophet sieht, sind die militärischen
Machtstrukturen und Bündnisse. Das Volk wollte Sicherheit und
Frieden, und um diesen zu erreichen, setzte es seine ganze Hoffnung auf
eine starke Bewaffnung. Da das Land klein und schwach war, suchte es
sich einen großen Militärpartner. Verträge wurden
geschlossen und die Verbündeten lieferten die neuesten und besten
Waffen.
Das Land wollte durch militärische
Abschreckung Sicherheit nach außen, aber im Innern war das
Volk ohne geistige Werte, ohne Moral und ohne Sinn; und der Prophet
sagt zu dem Volk: „Deine Bosheit ist Schuld, so daß du geschlagen
wirst und deine Städte verbrannt werden.“ im Bürgerkrieg (Jer
2,19)
3.) Das dritte
Problem berührt das religiöse
Leben. Viele hatten sich abgewandt, weil sie alles nur noch als
toten Kult empfunden hatten. Das wirkliche Leben wurde übermalt
mit frommen Sprüchen und so sagt Jeremia: Sie brabbeln nur noch:
Hier ist unsere Kirche, hier ist unsere Kirche, hier ist unsere Kirche
und mehr sagen sie nicht (Jer 7,4) Und der Prophet Amos weiß,
daß im Gottesdienst von Dingen geredet wird, die das
wirkliche Leben kaum noch betreffen. Und so heißt es bei ihm: Ich
bin euren Feiertagen gram und mag eure Versammlungen nicht riechen,
hört auf mit dem Geplärr eurer Lieder (Am 5,21).
4.) Und das vierte
Problem der Propheten ist der moralische
Verfall der Menschen. Jeder lebt so, wie er will. Und Jeremia
sagt „Ihr werdet sein wie Diebe, Mörder, Ehebrecher und
Meineidige. (7,9)... Ihr kennt das Recht, aber ihr haßt das Gute
und liebt das Böse (Am 3,3). Die Menschen hatten einen schwachen
Charakter und nur die sind geachtet und kommen voran, die ihren Mantel
nach dem Wind hängen und lügen, daß sich die Balken
biegen. (Am 2,11) Die Propheten wissen, daß in ihrem Volk jeder
nur noch sein eigenes Leben lebt, nur noch sein privates Glück
sucht, eben weil vieles in der Welt keinen Sinn mehr hat und Gott weit
weg ist.
Liebe Gemeinde, Vier Probleme aus einer alten Zeit, Arm und
Reich, Macht und Gewalt, toter Kult und nackter Egoismus, Vier Probleme
aus einer alten Zeit, aber manchmal geht es mir so, als ob sie ein
Schriftsteller gerade in der vorigen Woche geschrieben hat. Die
Menschen haben sich kaum verändert und wir können
mitfühlen, wenn Jesaja klagt: Gott hat uns verlassen. Er
möchte nichts mehr mit uns zu tun haben. Er hält sich
verborgen.
Schauen wir auf unsere heutige Zeit
mit den Gegensätzen von Reich und Arm, wo 4 Millionen Arbeitslose
nur statistisch gesehen werden, mit den militärischen
Machtblöcken, die nicht mal in den eigenen Reihen einen
Bürgerkrieg verhindern können, schauen wir auf den Zerfall
unserer Volkskirche und wundern wir uns weiter, warum andere das
Geplärr unserer Lieder nicht mehr hören wollen, und pflegen
wir wie bisher unser privates Lebensglück in egoistischer
Glückseligkeit.
Die vier Probleme der Propheten sind unsere eigenen und genau deshalb
empfinden wir wie Jeremia, so etwas kann nur sein, weil Gott gerade mal
weggeschaut hat. Und wir fühlen uns verraten und verkauft,
alleingelassen und ganz erbärmlich klein, so wie Jesus, als er am
Kreuz hing und im Sterben ausrief: Mein Gott, mein Gott, warum hast du
mich verlassen.
Wir werden schwach, so daß wir gar nichts mehr tun können.
Die Kraft ist uns verloren gegangen und wir nehmen enttäuscht
alles hin, was auf uns zu kommt, ob es nun ganz private Schwierigkeiten
sind, die jeder so tagtäglich hat, oder ob es die großen
Weltprobleme sind. Wir sind ohnmächtig.
Liebe Gemeinde, aber genau an diesem Punkt, gegen diese Ohnmacht sind
die Propheten aufgetreten. Und wenn wir ihre negative Weltschilderung
auf uns wirken lassen, dann dürfen wir den zweiten Schritt, den
sie gegangen sind, nicht unter den Tisch fallen lassen. Die Propheten
waren ja keine Miesmacher, sondern sie wollten warnen, um Hoffnung
geben zu können. Sie wollten warnen, um Hoffnung geben zu können.
Ja OK - spricht Gott - ich habe dich einen kleinen Augenblick
verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit, will ich, daß du
dich sammelst, daß du wieder zu dir kommst. Denn es sollen wohl
Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von
dir weichen, und der Bund meines
Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.
Diese Worte wollen uns Mut machen, und für mich können sie
das auch, sie wollen Mut machen, nicht enttäuscht durch dieses
Leben zu gehen, sondern das Gute zu
sehen und sie wollen uns Kraft geben, das wir immer wieder das
Gerechte tun, auch wenn wir darunter leiden.
Nun wir sind nicht mehr so eine Gemeinschaft, wo jeder auf den anderen
angewiesen ist. Jeder von uns hier lebt sein ganz persönliches
Leben. So unterschiedlich wie wir sind, so unterschiedlich und
verschieden sind auch unsere Glaubenserfahrungen. Das macht es immer
schwerer für einen anderen Menschen einen angemessenen Trost zu
finden. Gemeinsame Erfahrungen, bei denen Menschen als Gruppe, ja gar
als Volk, merken, daß sie bewahrt werden, die gibt es vielleicht
alle 40 Jahre einmal.
Erinnern sie sich mal an den Fall der
Mauer. Wenn Menschen zu abertausenden auf die Straße
laufen, tanzen und singen und sich um den Hals fallen mit
Freudentränen in den Augen, dann sind das solche Momente, von
denen der Prophet Jesaja erzählt: ... Es sollen wohl Berge weichen
und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen,
- du mein Volk - und der Bund meines Friedens soll nicht
hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.
Wir sind damals knapp an einem Bürgerkrieg vorbeigeschlittert.
Instinktiv hat man das gefühlt und als sich das Trauma der
deutschen Teilung auflöste, war die Freude riesig groß. Wir
wurden als VOLK bewahrt.
Aber, wie gesagt, im allgemeinen lebt jeder sein privates Leben und
jeder hat seine privaten Glaubenserfahrungen und jeder erlebt darin
seine privaten Bewahrungen. Gemeinsame Erfahrungen im Glauben sind
Mangelware.
Trotzdem, ob privat oder als Kirche oder gar als Volk. Wir stehen jeden
Tag an einer Weggabelung, an einem Wegkreuz und wir können uns
entscheiden, ob wir Gottes Verheißung trauen wollen oder ob wir
lieber unseren eigenen Weg gehen wollen. Ob wir sagen Jesus Christus
geht mit uns, oder ob wir sagen: Gott ist weit weg.
Bei dem Fall der Mauer, und das wird leider oft vergessen, haben sich
die Leute zuerst in den Kirchen versammelt, haben gebetet und auf
Gottes Verheißung vertraut. Es wird friedlich ablaufen, Gottes
Gnade wird nicht von uns weichen, haben sie gesagt und erst dann sind
sie auf die Straße gegangen. Und viele haben sich gewundert, wo
die Menschen, die ja alle nicht fromm waren, wo die Menschen
plötzlich diese Kraft und
Zuversicht hernahmen. Ein Wunder war das schon. Unser Volk blieb
bewahrt, weil an dieser Weggabelung einer Verheißung getraut
wurde. Der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen. So spricht Gott
der Herr.
Liebe Gemeinde, noch einmal. Wir stehen jeden Tag an einer Weggabelung, an einem Wegkreuz und
wir können uns entscheiden, ob wir Gottes Verheißung trauen
wollen oder ob wir lieber unseren eigenen Weg gehen wollen, ob wir
sagen Jesus Christus geht mit uns, oder ob wir in dem Gejammer der
anderen einstimmen und sagen: Gott ist weit weg.
Auf diese Entscheidung baut sich dann Trost auf. Und um zum
Schluß noch einmal an das Kinderlied zu erinnern „Heile,
heile Gänschen, is’ ja wieder gut. Und in hundert Jahren ist alles
vorbei.“ Als kleines Kind hat mir das immer geholfen, aber als
Erwachsene brauchen wir mehr. Da brauchen wir den Zuspruch, der
länger als hundert Jahre hält, da brauchen wir den Zuspruch
der ewig hält.
Der Prophet Jesaja hat kein Blatt vor dem Mund genommen. Er hat den
Leuten gesagt, wie es ist, wie es um ihre Welt und um ihre Kirche und
um ihr Leben bestellt ist. Aber darauf hat er dann den Trost aufgebaut. Laßt euch
nicht in Depressionen unterkriegen, sondern vertraut Gottes Wort, der
da sagt:
„Nur für eine kleine Weile habe ich
dich verlassen doch mit großem Erbarmen hole ich dich heim. Einen
Augenblick nur verbarg ich vor dir mein Gesicht im aufwallendem Zorn;
aber mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir.... Denn es sollen wohl
Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von
dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht
der HERR, dein Erbarmer." Amen
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Ev.Kirche Am Seggeluchbecken in
Berlin-Reinickendorf
Pfarrer Peter Zillmann, 13435
Berlin-Märkisches
Viertel, Finsterwalderstr. 68
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