Hauptseite.Archiv                      PageAutor: Pfarrer Zillmann    (15.02.2007)

Kirchen-Gemeinde im Internet:
Willkommen in der Kirche

 Predigten und Andachten  2006

Inhalt

Predigt - Leitbild zur Visitation oder:  "Wohin gehen wir?" (Mt 18,20) 12.11.06 Pfr. Zillmann
Predigt - Wie werde ich glücklich?  (Mt 5,1-12) 22.10.06  Pfr. Zillmann
Andacht - Fundamentalismus (Joh 8,7) 07/2006  B. Weitz
Predigt -  Auf den Weg machen und Gemeinde bauen (1. Mose 12,1-4 ) 16.07.06  Pfn. Dierks
Predigt - Du sollst dir kein Bild machen. (2 Mos 20,1-4) 14.04.06  Pfr. Zillmann


weitere Predigten im Archiv
(Hinweis: Die Predigten sind teilweise geschrieben wie vorgetragen)

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   Predigt - Leitbild zur Visitation oder:  "Wohin gehen wir?" (Mt 18,20) 12.11.06 Pfr. Zillmann

Liebe Gemeinde, Das Kirchenjahr geht seinem Ende entgegen. Das Wetter wird ungemütlich und die Lieder im Gottesdienst trübsinnig. Die Zeichen des Endes sind zu sehen. Symbolisch kommt dann in der nächsten Woche der Volkstrauertag und am Sonntag darauf der sogenannte Totensonntag.

Dieser drittletzte Sonntag des Kirchenjahres ist seit einigen Jahrzehnten auch der Beginn der Ökumenischen Friedensdekade. Vom 12. bis 22. November gibt es in verschiedenen Gemeinden Gottesdienste und Veranstaltungen, die die Begriffe Frieden, Gerechtigkeit und Weltverantwortung thematisieren. Diese Friedensdekade hatte besonders in den östlichen Landeskirchen eine große Bedeutung, wird aber jetzt auch zunehmend in ganz Deutschland wichtig. Die politische Dimension von Kirche soll stärker ins Blickfeld kommen.

Für unsere Gemeinde ist der heutige Sonntag aber auch noch mit einem ganz anderen Thema besetzt. Wir haben heute den Beginn der Visitation durch den Kirchenkreis. In der kirchlichen Amtssprache nennen wir den Besuch in einer Gemeinde - Visitation. Das leitenden Gremium unseres Kirchenkreises möchte einen Einblick in die Arbeit unserer Gemeinde bekommen und wird die verschiedenen Gruppen und Kreise und die Einrichtungen und Veranstaltungen in der Zeit vom 12. - 19.11.06  besuchen.

Gleichzeitig wird auch eine unserer Nachbargemeinden, die Apostel-Johannes Kirchengemeinde, visitiert. Eine Zielrichtung dieser Visitation besteht darin, intensiv über eine Zusammenarbeit mit dieser Gemeinde nachzudenken. Deshalb ist es wichtig, dass viele Gemeindemitglieder auch am nächsten Sonntag, zur Gemeindeversammlung erscheinen und dazu ihre Meinung kundtun.

Unabhängig von dieser Visitation, aber nun dennoch damit verbunden, steht die Entwicklung unseres Leitbildes, dass wir auf der Gemeindeversammlung vortragen wollten. Da am kommenden Sonntag Superintendent Gutjahr predigen wird, möchte ich bereits heute kurz die weitere Entwicklung an diesem Leitbild erläutern. Die ersten drei Sätze haben wir im vergangenen Jahr ausführlich besprochen. Sie können dazu im Internet die Predigt nachlesen, vom Oktober 2005. Und für alle Interessierten findet sich auch die heutige Predigt dann am Abend im Internet.

Begonnen haben wir mit der Entwicklung unseres Leitbildes bereits im Jahre 2004. So richtig Lust hatte damals eigentlich niemand, im GKR nicht und im Beirat auch nicht. "Was soll denn das - ein Leitbild? Ist doch alles klar." Als dann aber die Frage aufkam, wie wir in Zukunft Personalprobleme lösen wollen, waren wir darauf angewiesen, mit den Nachbargemeinden ins Gespräch zu kommen. Dabei stellten wir fest, dass es doch erhebliche Unterschiede zwischen den Gemeinden im Märkischen Viertel gibt.

Im Leben der Kerngemeinden, der Gemeindeleitung und der Finanzierung der Gemeindearbeit gibt es sehr verschiedene Vorstellungen, wie kirchliche Arbeit zu gestalten ist. Diese Vorstellungen sind über Jahrzehnte gewachsen und haben sich in den jeweiligen Gemeinden mehr oder weniger bewährt.

Das Nachdenken über ein Leitbild diente nun als Motivation, die eigene Identität stärker zu reflektieren. Die Grundorientierung unseres Handels wurde überdacht, die Angebote unserer Gemeinde wurden benannt und die Zielvorstellungen wurden bezeichnet.

Dabei ist uns klar, dass ein Leitbild die vielen Vorstellungen, Wünsche und Hoffnungen, die sich mit Gemeinde und Kirche verbinden, nur unzureichend wiedergeben kann. Und das dieses Leitbild, an dem vorallendingen der GKR, der Beirat, die Mitarbeiter und die Kerngemeinde mitgearbeitet haben, das dieses Leitbild sich auch verändern wird.

 

Die wichtigsten Kernsätze hatten wir bereits im vorigen Jahr:

Wir verkündigen das Evangelium von der Liebe Gottes in Wort und Tat ... Wir pflegen eine traditionell ausgerichtete Gemeindearbeit

Viele Aussagen im Leitbild sind selbstverständlich, oder wurden nicht in Frage gestellt. Die "Liebe Gottes" ist so ein Begriff. Da gab es keine Diskussionen.  Theologen hätten sicher ein großes Interesse. "Brauchen wir für die Liebe Gottes eigentlich ein Kirche oder eine Gemeinde? Kann ich nicht ganz privat so mit der Liebe Gottes leben?"

Eine kleine Karikatur auf dem Zettel macht das Problem deutlich.

Kirche

Wiegesagt, viele Aussagen im Leitbild waren uns selbstverständlich und die sollen hier nicht weiter problematisiert werden. Deshalb will ich hauptsächlich über die schwierigen Wörter reden. Wie zum Beispiel im ersten der drei neuen Abschnitte - über die Grundorientierung unseres Handelns – da steht der begriff "liberaler Protestantismus".

Liebe Gemeinde, dieser Begriff "liberaler Protestantismus" ist schon mehrere Jahrhunderte im Gebrauch und deshalb kann er sehr missverständlich wirken. Wir haben ihn aber im Leitbild stehen lassen, weil wir meinen, dass die Erweiterungen um diesen Begriff herum, deutlich machen, in welche Richtung wir denken.

Ursprünglich wird der Begriff Protestantismus ja politisch gegen den Katholizismus verwendet. Seine Berechtigung behält er deshalb, weil wir mit Besorgnis feststellen, dass auch vermehrt in unserer Landeskirche hierarchische Strukturen gewünscht werden. Da hört man dann: "Hier muss mal ein Machtwort gesprochen werden!" ... "Wir brauchen klare Strukturen und kompetente Leitung." ... "Was machen die denn da oben?" usw. usw.  Wer so redet,  der denkt katholisch und nicht protestantisch.

Das Wort Liberal will sich der "Kirche der Freiheit" nähern. Das Impulspapier der Evangelischen Kirche in Deutschland, das zur Zeit im Umlauf ist, benutzt ähnliche Worte.  (Impulspapier hier als pdf datei  480kb)

Wichtig für uns war aber, dass wir uns vorrangig der Aufklärung verpflichtet fühlen und theologisch modern sein wollen. Deshalb ist zum Beispiel die Bibel für uns kein Götze, kein Papst aus Papier. Wir sehen im Fundamentalismus heiliger Schriften, egal ob sie christlich, muslimisch oder jüdisch erscheinen, eine verhängnisvolle Fehlentwicklung.

Liberal soll auch unsere Gemeinschaft sein. Bei uns braucht niemand eine persönliche Beziehung zu Jesus nachzuweisen, um mitmachen zu können. Es gibt bei uns kein Kampfbeten und wir machen niemandem die Hölle heiß, beschwören Dämonen und böse Geister, um ihn hinterher abzocken zu können. Wir tolerieren zwar die Vielfalt des gelebten Glaubens. Wir wollen Menschen aber auch ermöglichen, als mündige Christen in einer traditionellen Gemeinde zu leben. So haben wir formuliert:

"Wir verstehen die Welt als Gottes gute Schöpfung. Deshalb fühlen wir uns zu ihrer Bewahrung verpflichtet. Wir stehen in der Tradition eines liberalen Protestantismus. Wir suchen Dialoge, gewinnen Partner, entscheiden transparent. Wir sind offen auch für Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen und -formen.

Zu uns gehören Christen mit ihrer eigenen Glaubensgeschichte, deren Verbundenheit mit unserer Kirche sich verschiedenartig gestaltet. Wir tolerieren die Vielfalt dieses gelebten Glaubens und wollen Menschen ermöglichen, als mündige Christen zu leben."


2.) Der zweite der drei neuen Abschnitte behandelt die Angebote unserer Gemeinde:

Hier gehen wir davon aus, dass unsere Gemeindemitglieder die kirchlichen Dienste als wesentlich und unverzichtbar ansehen. Ich denke da muss nicht viel zu gesagt werden.

In diesem Zusammenhang achten und be-achten wir die verschiedenen Lebensräume der Menschen. Wir wollen niemanden vereinnahmen und ständig auf die Nerven gehen, seine Freizeit in der Kirchengemeinde zu verbringen. Beziehungen in Familie, Arbeit und Freundeskreise sind wertvolle Beziehungen, Sie sollten in unserer heutigen Zeit und in unserem Lebensumfeld nicht kaputtmissioniert werden. Vielmehr suchen wir: Durch Öffentlichkeitsarbeit und mit neuen Medien Kontakt zur kirchendistanzierten Bevölkerung. So haben wir formuliert:

Im Rahmen der kirchlichen Dienste begleiten wir unsere Gemeindemitglieder bei wichtigen Abschnitten Ihres Lebens wie Taufe, Konfirmation, Hochzeit und im Trauerfall. 

In verschiedenen Gruppen und Kreisen treffen sich vorwiegend die älteren Mitglieder unserer Gemeinde. Die ehrenamtliche Arbeit ist hier Voraussetzung und bildet Gemeinschaft.

Ein bedeutender diakonischer Arbeitsbereich unserer Kirchengemeinde ist die Kindertagesstätte. Unsere Kita kommt im Leitbild nur mit diesem einem Satz vor. Sie ist aber dennoch sehr wichtig. Das Potential allerdings, das in ihr steckt, für Missionierung und Verkündigung nutzen wir kaum. So stellt sich dann auch immer wieder die Frage, wie das Verhältnis von Kita und Gemeinde zu gestalten ist. Den Weg der Diakonieschwestern hin zu den Diakoniestationen, welche mit den Gemeinden kaum noch in Verbindung stehen, den wollen wir mit unseren Kindern nicht gehen.

 

3.) Der letzte der drei neuen Abschnitte behandelt die Zielvorstellungen. Wünsche und Realität sind hier vermischt. Ein besseres Wort für Zielvorstellung suchen wir noch. Im letzten Teil heißt es:

Wir sind eine einladende Gemeinde, die Gottes Liebe erlebbar macht, indem sie Menschen vor Ort Kraft und Zuversicht aus Gottes Wort und Geist vermittelt und konkrete Hilfe für Leib und Seele anbietet.

Wichtig war für uns, dass wir uns als selbständige und abgegrenzte Ortsgemeinde definiert haben. Wir wollen kein Leuchtfeuer sein, sondern wir wollen den Kirchturm im Dorf lassen. Wir wissen, dass wir nicht in einem Dorf leben, wir wissen aber auch, dass manches Leuchtfeuer ein trügerisches Irrlicht ist.

Liebe Gemeinde, es gibt immer wieder neue Konzepte und Projekte, wo man den Eindruck hat: "Da haben die das Rad noch mal neu erfunden."  Ein Beispiel:  Spenden sammeln und um Geld betteln wird wieder Salonfähig. Amerikanisches Fundraising und Non Profit Management klingt natürlich viel besser. Wir haben uns gesagt, wir üben uns in deutscher Sparsamkeit, und dann klappt es auch.

spende

Natürlich leben wir nicht allein auf dieser Welt. Wir stehen in gesamtkirchlicher Verantwortung. Wir wollen den anderen ja auch nicht die Freude am Spaß verderben - beim Geld sammeln. Und als wir unsere Orgel hier gebaut haben, da kann sich ja mancher noch gut erinnern, da hat das sehr lange gedauert - fast 7 Jahre - bis das Geld zusammen war. Also für einzelne Projekte erscheint Geld sammeln sinnvoll zu sein. Für das tägliche Geschäft muss die Kirchensteuer reichen und die reicht auch - sind wir der Meinung.

Die reicht sogar soweit, und dazu sind wir vom Kirchengesetz her auch verpflichtet, dass wir jedes Jahr 25% von unseren Personalgeldern, 40% von unseren Sachkosten und 50% von unseren Baumitteln dem Kirchenkreis zur Verfügung stellen, der damit die übergemeindlichen, die regionalen Aufgaben im Kirchenkreis erfüllt und den schwachen Gemeinden solidarisch unter die Arme greift. 

Mehr Geld, als das Anteilsgesetz es vorschreibt, wollen wir dem Kirchenkreis und den Nachbargemeinden allerdings nicht abgeben. Auch nicht, wenn dieses Ansinnen unter dem Deckmantel einer Kooperation versteckt werden soll. Hier rechnen wir mit dem spitzen Stift und denken immer daran, dass sich protestantische Kirche von unten nach oben finanziert und nicht, dass von oben das Geld regnet und wir in Dankbarkeit Ja und Amen sagen müssen. Deshalb haben wir formuliert:

In einer überschaubaren Gemeindestruktur gehen wir mit den uns anvertrauten Mitteln effizient um. Für unsere eigenständige Arbeit und den Erhalt unserer Kirche sind wir auf eine langfristig verlässliche Finanzbasis angewiesen, die wir primär in der  Erhebung der Kirchensteuern von unseren Gemeindemitglieder sehen.

Ein Satz zur Zusammenarbeit schließt das Leitbild ab. Er scheint uns wichtig zu sein. Wir haben hier erst einmal das Wort Koordination gewählt. Denn wer bei der Koordination schon Schwierigkeiten sieht, der braucht über eine Kooperation nicht weiter nachdenken. Also erst müssen Absprachen funktionieren und dann klappt es auch mit der Zusammenarbeit.

Unsere Erfahrung mit Kirche sind aber häufig umgekehrt gelaufen. Es wurde Zusammengearbeitet   und hinterher gestritten und gezankt, weil der Erfolg ausblieb und man es doch alles nur gut gemeint hatte. Noch einmal die Formulierung im Positiven:

Damit aus (dieser) Eigenständigkeit keine Vereinzelung wird, bemühen wir uns um Koordination mit anderen kirchlichen Angeboten, Einrichtungen und Gemeinden. 



Soweit diese drei Erläuterungen. Liebe Gemeinde, um das Abschließend zu sagen. Ich habe versucht, mich kurz zu fassen und besonders die kritischen Punkte hervorgehoben, die auch für unsere Visitation wichtig sein könnten. Auf dem Predigtzettel finden sie das Leitbild mit dem vollständigen Text und auf der Rückseite zwei Karikaturen, die einiges was wir bedacht haben, bildlich darstellen.

Liebe Gemeinde, Wohin gehen wir?  Die Ansichten darüber sind verschieden. Wir haben versucht mit unserem Leitbild eine Wegrichtung zu beschreiben. Dieses Leitbild soll und darf natürlich kein Dogma sein.Wichtig ist allerdings, dass wir nicht immer nach hinten kucken, sondern positiv nach vorne schauen. Ein Wasserglas kann halb leer sein, es kann aber auch halb voll sein. Wie man das sieht, ist entscheidend für den weiteren Weg – oder ist entscheidend für das Gefühl, das wir bei dem Wort Kirche haben.

Ich wünsche es uns allen, dass wir ein gutes Gefühl bei dem Wort Kirche haben. Dass wir Überzeugungen haben, die möglichst breit verankert sind und wo sich viele getragen wissen, von dem was Jesus gesagt hat:

"Denn wo zwei oder drei in meinem Namen zusammenkommen, da bin ich mitten unter ihnen."

(Mt 18,20)   AMEN            (Predigt Teil I zum Leitbild 2005 hier)


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   Predigt wie werde ich glücklich?  (Mt 5,1-12) 10/2006  Pfr. Zillmann

Liebe Gemeinde, das Thema der heutigen Predigt ist die Frage: "Wie werde ich glücklich?"

Das Glück hat ja Konjunktur. Zumindest auf dem Büchermarkt und in Werbefilmen, in esoterischen Weltbetrachtungen und in Lehrgängen zur Selbsterkennung. Das Glück hat Konjunktur - befindet sich im Aufschwung. Vom Glück reden alle und es wimmelt von Ratschlägen, die uns ein glücklicheres Leben versprechen. Ich habe aber oftmals den Eindruck, daß in der Kirche und bei Christen das Wort Glück nicht so wichtig ist. Kann der Glaube etwa nicht glücklich machen? Oder soll er gar nicht glücklich machen? Sind wir in der Kirche alle Miesepeter, weil hier so wenig vom Glück geredet wird?

Ein Grund, der diesen Verdacht bestätigt, ein Grund liegt darin, daß in unseren Bibelübersetzungen, besonders in der Lutherbibel, das Wort Glück keine Rolle spielt. Im Neuen Testament benutzt Luther dieses Wort nicht ein einziges Mal und im alten Testament äußerst spärlich. Das heißt natürlich nicht, daß der Begriff Glück fehlt, sondern das heißt, dass damals vor 500 Jahren als die Bibel das erste mal ins deutsche übersetzt wurde, eine andere Vorstellung vom Begriff Glück existierte. Theologisch war man auf Tod und Teufel, auf Sünde und Gnade ausgerichtet. Dass der Mensch glücklich leben möchte, war dabei zweitrangig.

Hier hat sich jedoch in den letzten Jahrhunderten eine Menge geändert und wenn wir dann natürlich an diesen alten Lutherübersetzungen festkleben, kann es leicht passieren, dass das "Glück" in Predigten und Gebeten, in Gemeinde und Kirche, dass das Wort "Glück" oftmals vergessen wird.

Kann der Glaube denn nun glücklich machen? Liebe Gemeinde, "Er kann!" Der Glaube kann glücklich machen. Und so heißt es schon im Buch der Sprüche:  "Wer befolgt, was er gelernt hat, hat Erfolg, und wer Gott vertraut, findet bleibendes Glück." (Spr 16,20)

Und von Jesus wird überliefert, dass der seine wichtigste Rede, seine Bergpredigt, anfängt mit den Worten: Glücklich sind die Menschen, die das uns das tun, ... die nicht schlauer sein wollen als Gott, die mit anderen Menschen Mitleid zeigen, die freundlich sind, die Frieden bringen, die ehrlich miteinander umgehen, die die Gerechtigkeit lieben usw. und so fort. Die ganze Bergpredigt ist eine Anleitung, wie wir glücklich leben können.

Nur leider wird das zu wenig oder zu undeutlich gesagt. Deshalb noch einmal: Der Glaube kann glücklich machen. Und eigentlich wäre das ja hier, für mich als Pfarrer, eine wichtige Aufgabe: SIE glücklich zu machen. Oder, um es wirklich ganz bescheiden auszudrücken: glücklicher, etwas glücklicher zu machen.

Fangen wir ganz allgemein an. Wie glücklich oder unglücklich fühlen Sie sich für gewöhnlich? Ich habe ihnen vor der Predigt einen Zettel gegeben, auf dem in zehn Aussagen Gefühle beschrieben werden. Vielleicht haben sie sich den Zettel schon durchgelesen. Wir machen es mal schnell zusammen. Bitte kreuzen Sie jetzt in Gedanken die Aussage an, also nur eine aussuchen, kreuzen Sie in Gedanken die Aussage an, die am besten Ihr Gefühl beschreibt: 

Also können sie sagen:
ICH bin
(10)     extrem glücklich – ich fühle mich ekstatisch, fantastisch, hocherfreut
(9)     sehr glücklich – fühle mich wirklich gut, habe ein Hochgefühl
(8)     ziemlich glücklich – ich spüre Energie, bin in guter Stimmung
(7)     etwas glücklich – fühle mich einigermaßen gut und durchaus fröhlich
(6)     ein kleines bisschen glücklich – fühle mich etwas besser als normal
(5)     neutral – Fühle mich weder gut noch schlecht
(4)     ein kleines bisschen unglücklich – ich fühle mich etwas schlechter als normal
(3)     etwas unglücklich – fühle mich ein wenig "down"
(2)     ziemlich unglücklich – ich fühle mich einigermaßen "down" und energielos
(1)     sehr unglücklich – ich fühle mich deprimiert und ohne Energie
(0)     extrem unglücklich – ich fühle mich tief depressiv und kraftlos

Ich lasse ihnen mal etwas Zeit. Machen sie mal ihr Gedankenkreuzchen an eine Zahl, wo sie sagen können: "Ja, so fühle ich mich jetzt."

Pause

Wo steht Ihr Kreuzchen? Bei welcher Zahl? Diesen psychologischen Test haben vor ihnen bereits tausend Menschen gemacht. Und nun raten sie mal, wo der Durchschnittswert vom Glücklichsein lag. Ich sage es ihnen. Der Durchschnittswert liegt bei exakt 6,92. Also, ungefähr bei der Zahl sieben. Die meisten Menschen sind etwas glücklich Sie fühlen sich einigermaßen gut und sind durchaus fröhlich.

Das ist natürlich nur der Durchschnitt, ein Mittelwert, nicht mehr. Was soll das schon aussagen ... Da kam den Psychologen ein ebenso einfacher wie genialer Gedanke: Während es ganz unten auf der Skala ein paar unverbesserliche Miesepeter geben muss, die den Schnitt nach unten drücken, verstecken sich – umgekehrt – in dieser durchschnittlichen sieben auch ein paar Frohnaturen, die den Mittelwert wieder nach oben ziehen. Menschen im Dauerhoch, Optimisten, mit einem Wort: Glückskinder.

Jetzt wird es spannend. Wer sind diese Menschen? Was zeichnet sie aus? Auch das wurde untersucht, die Tester analysierten das Maß an Glücklichkeit. Man sah sich die zehn Prozent mit den höchsten Glückswerten genauer an. Gab es eine Sache, die sie von den anderen trennte? Vielleicht der Lebensstil oder eine Persönlichkeitseigenschaft? Irgendwas?

Ja, da gab es etwas. Es war nicht das Geld. Die Optimisten hatten nur wenig mehr auf dem Konto. Das Glück hing auch nicht damit zusammen, wie viel Schlaf sie bekamen, wie oft sie fernsahen, ob sie rauchten oder Alkohol tranken. Nur in einem Punkt zeigte sich ein markanter Unterschied: Die glücklichsten Menschen hatten mehr Kontakt zu anderen Menschen. Sie verbrachten die wenigste Zeit allein. Und: Die meisten hatten einen festen Liebespartner. Der erste Glücksfaktor war gefunden und der heißt: gute Beziehungen. Gute Beziehungen zu anderen Menschen machen glücklich.

Welche Glücksfaktoren und  Formeln wurden nun noch entdeckt? Eine kleine Auswahl möchte ich ihnen nennen:
Genauso wichtig wie gute Beziehungen war die Einstellung zum Leben. Pessimisten z.B. haben eine besonders schädliche Art, ihr Pech und ihre Enttäuschung zu erklären. Sie denken automatisch, dass deren Ursache nie vergehen wird, dass sie alle Lebensbereiche durchdringt und in ihnen selbst liegt, daß sie selbst Schuld an ihrem Unglück sind.

Im Gegensatz dazu haben Optimisten die menschliche Stärke, zu begreifen, dass ihr Pech nur vorübergehend ist und überwindbar ist, und dass das Pech nur für den jeweiligen Fall gilt, sich aus einer besonderen Situation ergibt oder dass das Pech von anderen Menschen herrührt. Die Einstellung zum Leben ist so ganz wichtig.

Daher sollte man negative Gefühle nicht ausleben. Anders als wir vielleicht meinen, zeigen Studien: Tränen treiben uns noch mehr in die Trauer. Wutanfälle machen uns nur noch ärgerlicher.

Ein weiterer Glücksfaktor ist Aktivität. Tätig sein macht glücklich. Etwas sinnvolles tun, ein gutes Hobby, Bewegung, auch Sex und Sport sind zuverlässige Glücksbringer.

Und dann ein ganz wichtiges Ergebnis: Bescheidenheit, Dankbarkeit und Altruismus – dieses Wort kann man mit Nächstenliebe übersetzen, also Bescheidenheit, Dankbarkeit und Nächstenliebe sind Glücksbringer. Sie nutzen nicht zuletzt auch uns selbst. In Versuchssituationen zeigen Kinder wie Erwachsene, bei denen man Glücksgefühle geweckt hat, mehr Mitgefühl, und sie geben anderen Menschen in Not mehr Geld. Sind wir glücklich, dann sind wir weniger selbstsüchtig, wir mögen andere Menschen lieber. Sind wir dagegen niedergeschlagen, werden wir misstrauisch, ziehen uns zurück und haben nur unsere eigenen Bedürfnisse im Sinn. Immer die Nummer eins sein zu wollen, macht letztendlich traurig. Wohlbefinden erreichen wir eher durch Verzicht.

Liebe Gemeinde, soweit die Erkenntnisse der neuesten Glücksforschung. Beachten wir diese Regeln, dann werden wir glücklicher.

Nun aber noch einmal zum Ausgangspunkt zurück. Kann der Glaube denn nun glücklich machen? Natürlich, Glaube kann glücklich machen. Denn diese Erkenntnisse der modernen Glücksforschung zeigen deutlich, dass die Glücksfaktoren, oder diese Glücksbringer in vielen Details  mit urchristlichen Lebensregeln übereinstimmen. Jesus wollte nicht, dass seine Freunde und die anderen, die ihm folgten, unglücklich sind. Er wollte eine frohe Botschaft verkünden und nicht eine traurige Nachricht übermitteln. "Kein Glück ist größer als ein fröhliches Herz." (Sir 30,16) heißt es schon im alten Testament. Und wie man nun glücklich wird, oder dem Lebensglück ein Stückchen näher kommt, dass war ein wichtiges Anliegen seiner Lebensregeln, seiner Botschaft.

"All die vielen Menschen, die zum Glauben an Jesus gefunden hatten, waren ein Herz und eine Seele...." (Apg 4,32) heißt es von den ersten Christen. Sie pflegten eben die guten Beziehungen zu anderen Menschen. Niemand war Sklave und niemand war Herr, keiner wollte der erste und beste sein. "... Niemand von ihnen betrachtete etwas von seinem Besitz als persönliches Eigentum; alles, was sie besaßen, gehörte ihnen gemeinsam." Sie halfen sich in aller Bescheidenheit.

Das klingt natürlich ein bisschen utopisch, aber diese Berichte zeigen doch, dass die urchristlichen Lebensregeln mit den heutigen wissenschaftlichen Glücksfaktoren sehr viel gemeinsam haben. Und die positive Einstellung zum Leben, das Ja zum Leben, ist eigentlich der Kern des christlichen Glaubens. Wir sind als Menschen nicht gefangen in den Verstrickungen dieser Welt. Wir müssen nicht mit unserem Schicksal hadern. Wir müssen nicht mit Gott zanken und streiten. Und wir sind nicht die ewigen Verlierer, die Loser und die Pechvögel seiner Schöpfung.

Und so kann der Apostel Paulus sagen: "Wo der Geist des Herrn ist, (also wo Glaube ist) da ist Freiheit." (2 Kor 3,17) Und diese Freiheit schaut nach vorne, diese Freiheit macht optimistisch. Oder anders gesagt, wir sind frei, wir haben die Freiheit, glücklich zu sein.

Liebe Gemeinde, um das abschließend zu sagen. Manchmal geht es uns schlecht, manchmal sind wir unglücklich. Und dann suchen wir das Glück. Wir werden viele Angebote bekommen. Dies und jenes musst du machen, um glücklich zu sein. Manche rennen zum Arzt, nehmen Antidepressiva, und andere suchen ihr Heil in Alkohol und Drogen. Manche spielen Lotto und andere arbeiten wie verrückt, um die besten zu sein. Die einen stürzen sich ins volle Leben und die anderen wiederum ziehen sich enttäuscht zurück.

Jeder kennt so seine persönlichen Glücksbringer. Versuchen sie es immer mal wieder mit dem Glauben. Das war die Empfehlung, die Jesus seinen Freunden gab. Und er hat gleich all die Glücksbringer und Glücksfaktoren aufgelistet, aufgelistet in seinen Lebensregeln. Und wer befolgt, was er gesagt hat, der hat auch im Leben Erfolg, und wer Gott vertraut, findet bleibendes Glück. 

AMEN

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   Andacht religiöse Fundamentalisten (Joh 8,7) 07/2006  B. Weitz

"Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein." Joh 8,7
 
Jedes Wunder wörtlich nehmen, keine Wahrheit außer der eigenen gelten lassen: Manche Protestanten folgen einer Moral ohne Kompromisse – aber Gewalttäter sind nur wenige unter ihnen. Frage: Was sind religiöse Fundamentalisten?

Antwort: Auf dem Weg in die Klinik macht David Gunn an einer Tankstelle Pause, er liest Zeitung und trinkt einen Becher Kaffee. Michael Griffin hat ihn nur zufällig entdeckt. Man kennt Gunn in der kleinen Stadt in Florida, er ist der  „Abtreibungsarzt“. Griffin spricht ihn an: „David Gunn, der Herr hat mir gesagt: Sie haben noch eine Chance.“ Fünf Tage später, am 10. März 1993, schießt Griffin Gunn in den Rücken. Es war der erste Mord eines Abtreibungsgegners an einem Arzt in den USA.

Seine Tat begründete Griffin mit einem Bibelzitat: „Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden“ (1. Mose 9,6). Griffins Insistieren auf einzelnen Bibelversen ließ ihn jeden anderen Gedanken ausblenden, sein Fanatismus schürte seinen Zorn. Einen wie ihn nennt man landläufig einen Fundamentalisten.    Zu Recht?

Seinen Namen verdankt der Fundamentalismus einer Schriftenreihe, in der sich erzkonservative US-Protestanten gegen die liberalen Protestanten vor allem aus Europa abgrenzten. „The Fundamentals“ erschienen zwischen 1910 und 1915. Ihr Anliegen: ein „wörtliches“ Bibelverständnis.

Damals wie heute sagen Fundamentalisten, dass die Welt in sechs Tagen erschaffen worden und 10 000 Jahre alt sei, dass eine Sintflut den Globus bedeckte und Mose alle Bücher Mose geschrieben habe, dass biblische Wunder wirklich geschehen seien und Jesus bald wiederkomme. Jeden Versuch, die Bibel historisch zu verstehen, lehnen sie ab. Ihre Ethik ist konservativ, sie verteufeln Abtreibung und Homosexualität.

Seit den achtziger Jahren verschafft sich die religiöse Rechte in den USA mit fundamentalistischen Ansichten zunehmend Gehör. Sie will ihr Weltbild im Schulunterricht verankert sehen, sie fordert Gesetze gegen Abtreibung und Homosexualität. Die Grenzen zwischen religiöser Rechter und radikalen Fundamentalisten sind fließend. Oft wird der Begriff „Fundamentalismus“ aber auch sehr eng verstanden und nur auf radikale Bibeltreue bezogen, die sich in sekten-ähnliche Gemeinschaften zurückgezogen haben.

Seit 1985, als die Hisbollah im Libanon amerikanische Geiseln nahm, ist auch von islamischem Fundamentalismus die Rede. Um der amerikanischen Öffentlichkeit  die Außenseiterposition  der Radikal-Muslime verständlich zu machen, verglichen Journalisten sie mit den Fundamentalisten daheim. Der Begriff verselbständigte sich. Religiöser Fundamentalismus wurde zum Kampfbegriff gegen Fanatiker und Terroristen. Er gilt schiitischen Radikalen, Muslimbrüdern, Hamas- und Al-Qaida-Terroristen ebenso wie nationalistischen Hindus, radikalkonservativen Katholiken und starrsinnigen Athos-Mönchen.

Ob solche Übertragungen immer sinnvoll sind, ist fraglich. Denn sie suggerieren Ähnlichkeiten, wo es kaum welche gibt, und Differenzen, die so nicht vorhanden sind. Irreführend wäre zum Beispiel der Eindruck, nur radikale Islamisten glaubten an die Unfehlbarkeit des Korans. Das tun alle religiösen Muslime. Falsch wäre erst recht der Eindruck, Fundamentalisten seien immer Geiselnehmer und Bombenleger. Selbstverständlich sind die meisten Fundamentalisten friedlich.

Dennoch: Fundamentalistische Verblendung trug sicher dazu bei, dass Michael Griffin den Arzt David Gunn erschoss. Die Moderne war Griffins Angstgegner. Die einseitige Fixierung auf bestimmte Fundamente seines Glaubens versperrte ihm den Blick auf Mitmenschen, für die ihn der Glaube doch eigentlich öffnen sollte. Griffin klammerte sich an einzelne Bibelverse und überlas andere. Warum hat er sich nicht an die Geschichte von Jesus und der Ehebrecherin gehalten? Dann hätte er sich nicht zum Richter über Leben und Tod erheben können.

Als Männer eine Ehebrecherin unter Berufung auf die Gebote steinigen wollten, warnte sie Jesus: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Und keiner warf (Johannes 8,7).

Fundamentalisten sind konservative Protestanten, die die Bibel wörtlich verstehen und die Moderne verkommen finden. Man mag sie für skurril halten, gewalttätig sind nur wenige unter ihnen. Und religiöse Gewalttäter sollte man als das bezeichnen, was sie sind: Fanatiker und Terroristen.

Burkhard Weitz


Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von chrismon - das evangelische Magazin (Burkhard Weitz, 07/2006). Das Abonnement von chrismon-plus erhalten Sie unter der kostenlosen Telefonnummer: 0800/7587537 oder unter www.chrismon.de. Das Buch zur Serie "Religion für Einsteiger" kann ebenfalls über www.chrismon.de bestellt werden.


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   Predigt Auf den Weg machen und Gemeinde bauen (1. Mose 12,1-4 ) 16.07.06  Pfn. Dierks

Nachfolge:  Sich auf den Weg machen und Gottes Verheißung ernst nehmen – persönlich und als Gemeinde

Liebe Gemeinde,

die Vorstellung, in ein fernes Land zu reisen, dürfte in diesen sommerlichen Ferientagen wohl eher  freudige Erregung auslösen als denn Sorge, Angst oder die Furcht vor der Gefahr eines Abenteuers. Das mag zu einen am Reiseziel liegen, denn wenn es der Kongo oder der Nahe Osten wäre, dann wäre das schon etwas mehr mit Aufregung verbunden, aber wenn es Österreich, Italien oder Frankreich oder Deutschland sind, dann fühlen wir uns höchstwahrscheinlich einfach nur fröhlich. Das mag auch daran liegen, dass wir meist vorbereitet sind und aufgrund von Prospekten ein sehr genaues Bild hat, von dem was einen erwartet. Reisen, das gehört  schon fast zum Alltag und hat selten den Charakter von Abenteuer. Wir wählen in der Regel unsere Ziele bewusst aus.

Aufbrechen und die Heimat verlassen…- wie schwer fällt das? Wie wäre es, wenn wir unsere Sachen packen würden in der Vorstellung, dass wir nicht in unsere Heimat zurückkehren. Es ist spürbar, dass dies eine andere Dimension hat. Um diese andere Dimension geht es in der Geschichte, die eben vorgelesen wurde.

Es geht um Abram (Abram heißt „Vater eines Volkes“. Später wurde er umbenannt in Abraham, d.h. Vater vieler Völker)– und da heißt es einfach: „Der Herr sprach zu Abram: Geh fort aus deinem Land, verlass deine Heimat und deine Verwandtschaft und zieh in ein Land, das ich dir zeigen werde!“ Nicht, dass Gott ihm da schon ein Prospekt vor die Nase hält und sagt: „Guck mal, schönes Hotel mit Ausblick auf den Strand!“ Nein, geh mal und ich werde es dir irgendwie zeigen.

Ich glaube, das ist etwas, was für uns sehr ungewohnt ist. Eine Verheißung begleitet den Weg… Und dann auch noch die Verheißung: „Du sollst ein Vater vieler Völker werden.“ Abram und Sarai, seine Frau, hatten bis dahin noch keine Kinder. Und nicht etwa, dass Abram ein junger Mann mit 25 gewesen wäre, wo es noch leicht fällt aufzubrechen, die Sachen zu packen, seinen Rucksack zu nehmen. Nein, Abraham war 75 Jahre alt. Er hatte auch schon versucht, Kinder zu bekommen.  Also in diesem Text geht es darum:

   1. Abram wird von Gott aufgefordert: Nimm deine Sachen und geh.
   2. Gott gibt ihm eine Verheißung mit auf den Weg.

Vertrauen und tun, was einem gesagt wird… Und das dritte ist für mich das aller erstaunlichste.
    3. Es heißt: „Abram zog aus wie der Herr ihm gesagt hatte.“
Er nahm alles und mutete damit nicht nur seiner Frau, sondern auch seinen Verwandten und seinem Gefolge einiges zu – sich selbst auch.

Ich glaube so etwas ist nur möglich, wenn man ein riesiges Vertrauen hat – oder würden Sie das so „einfach“ machen? Nein, oder? Also, selbst wenn wohl ein Bekannter von uns sagen würde: Komm doch mit nach z.B. Griechenland. Ich wohne da und für dich finden wir auch ein schönes Plätzchen. Wir würden es uns doch dreimal überlegen, ob wir das, was wir kennen, verlassen – einfach auf das Wort dieses Bekannten hin. Aber Abram hat es gemacht. Und das zeigt sein tiefes Vertrauen in Gott. In einen Gott, den er nicht gesehen hat. Der für ihn auch nicht ganz greifbar war. Aber er war so greifbar, dass er ihm gehorsam war.

Was ist die Voraussetzung? Ich denke, die Voraussetzung ist, dass er diesen Gott schon kannte, z.B. von dem, was ihm seine Eltern erzählt haben. Auch wir haben es nötig, dass uns immer wieder etwas erzählt wird von den Erfahrungen anderer. Zum anderen kannte Abram die Stimme Gottes und wusste, dass dieses Wort von ihm war. Und er war mutig. Etwas einfach tun, ist oft nicht einfach… Abram machte es sich nicht „einfach“. Man könnte ja auf die Idee kommen: Die Menschen, die Christen sind, die immer das machen was Gott sagt, die machen es sich einfach in ihrem Leben.

Ich finde das nicht einfach. Schließlich hatte Abram kein „GPS“, kein Navigationsgerät, mit dem er wusste: Nächster Felsen rechts, dann wieder abbiegen. Er musste immer sehr genau hinhören, was Gott ihm sagt und sich auch sicher sein, dass es stimmt. Denn da waren ja noch die andern, die ihn wohl auch fragten:  Bist du dir jetzt wirklich sicher, dass es hier langgeht. Da musste er sagen können: Doch! Ich denke schon. Abram verließ das Vertraute, er ließ sich von Gott ein neues Land zeigen, um es sich schenken zu lassen. Das war ein Kennzeichen für eine sehr lebendige Beziehung zu Gott. Dieses Unterwegssein, als Abenteuer, bei dem man nicht genau weiß, wo man ankommt.

Wie geht es mir persönlich mit dem Thema „Auf Gott hören und gehorsam sein“? Wie geht es uns heute damit? Wie geht es mir mit meinem Christsein? Würde ich von mir sagen „Ja, ich bin Christ. Ja, ich mache mich manchmal auf den Weg. Ja, ich kenne Gottes Stimme und weiß wie das ist, wenn er zu mir redet.“ Oder reicht es mir, dass ich weiß, ich gehöre hier zu einer Gemeinde. Ich bin zufrieden damit, das geht schon. Gott ist jemand, da weiß ich, dass er da ist, aber Hauptsache, ich habe jetzt erstmal meine Ruhe. Ich weiß, wo ich hingehöre.

Das Thema dieses Sonntags ist „NACHFOLGE“. Das heißt nicht „Nach-sitzen“, sondern „Nach-folge“. Dazu gehört das Bild: Es geht jemand voraus und ich gehe ihm nach.

Ein Text, der auch zu diesem Sonntag gehört,  ist die Geschichte von Petrus und seinem Fischzug. Er fährt mit dem Schiff hinaus und Jesus sagt zu einem völlig unmöglichen Zeitpunkt: „Mach mal, wirf die Netze aus.“  Und Petrus sagte vielleicht erstmal: „Quatsch.“ Aber dann folgt er den Worten, tut es und fängt viele Fische. Danach sagte Jesus zu ihm: Komm. Komm mit mir und fische in Zukunft Menschen.

Pfr. Zillmann hat mich gebeten, heute etwas von unserem Projekt zu erzählen, von unserer Gemeinde Tegel-Süd, wie wir uns auf den Weg gemacht haben. Ich möchte ihnen einfach mal erzählen, wie es angefangen hat. Es fing gar nicht als Gemeinde an, sondern ganz persönlich.

Der persönliche Aufbruch…

Es fing damit an, dass ich mich auf den Weg gemacht habe. Mein persönlicher Aufbruch vor ca. 5 Jahren, als ich überlegt habe: „Wie ist das eigentlich, wenn man die Bibel hat und wenn man sie ernst nimmt und dann auch persönlich ernst nimmt?“ Wir sind ja etwas geübt zu wissen, was in der Bibel steht. Wir kennen einiges, vielleicht kennen wir auch nur eine Sache. Aber wie haben vielleicht so das Gefühl: die Geschichte mit Gott kennen wir schon irgendwie. Aber was passiert, wenn ich mal ein Wort Gottes als persönlich an mich gerichtet verstehe und dies zum Anlass nehme, um Gott Gehorsam zu versprechen? Gott sagen: „Ok, ich will das tun, was du mir sagst.“

Ich sag Ihnen eines: das ist ein sehr abenteuerlicher Schritt! Und selbst ich, ich war ja damals schon lange Jahre Pfarrerin, habe etwas Zeit gebraucht, um das Gott zu versprechen.  Es kam mir wirklich kaum über die Lippen. Ich hatte mich mit jemandem zusammengesetzt, wir haben zusammen gebetet und es dann im Gebet Gott versprochen. Aber -  es kam mir kaum über die Lippen, weil ich Angst hatte. Ich hatte Angst, weil ich mich fragte: Wohin führt mich das denn?

 Ich war auch schon lange Christ. Seit ich 11 Jahre alt war, war mir Gott vertraut. Ich hatte keine Angst vor ihm. Aber in diesem Moment hatte ich Angst. Was muss ich jetzt machen, oder was muss ich nun sein lassen? Ich habe es dann doch gemacht und habe hinterher festgestellt: „Man warst du schön blöd." Da gibt es jemanden, der will dir sagen, wo du hingehen sollst und er nutzt es nicht aus, sondern es dient dir zum Besten, und du hast davor Angst gehabt. Das war der Anfang.

Der Unterschied zwischen Nachfolgern und Bewunderern

Vor kurzem habe ich einen Spruch von Sören Kierkegaard gefunden, der dieses Thema für mich noch mal auf den Punkt bringt. Etwas hart, aber wahr. „Es gibt zwei Arten von Christen. Den Nachfolger Jesu und dann die billigere Ausgabe davon: den Bewunderer Jesu.“

Man kennt Jesus, man bewundert ihn, man findet ihn gut, aber es fehlt noch etwas, um sich mit ihm auf den Weg zu machen. Das wäre ja auch ein Risiko. Aber uns fehlt damit soviel. Ich glaube, unsere Gemeinden sind zum Teil voll mit Bewunderern Jesu. Hier heute nicht unbedingt „voll“ – wir sind zu acht -, aber ich glaube, wir kennen das. Es gibt Menschen, die bewundern Jesus und wenn ihnen danach ist, auch mal wieder etwas von Jesus zu hören, dann kommen sie in den Gottesdienst. Aber es zieht keine Konsequenzen nach sich – im persönlichen Leben.

Ich kann das verstehen und ich will auch gar nichts dagegen sagen, aber ich will Mut machen, sich auf die Suche zu begeben nach diesem Gott, der mich leiten will, der mich in ein neues Land schickt und mir eine Verheißung gibt. Der Gott, der zu mir sagt: „Du bist zu etwas gut. Du hast mindestens eine Fähigkeit, für die ich dich gemacht habe und die kannst du weitergeben. Du kannst zum Segen werden. Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.

Sie haben hier immer diesen Christus vor Augen. Ihnen ist hoffentlich schon aufgefallen, welche Geste in seinen Händen abgebildet ist. Zeige- und Mittelfinger bilden nicht so ein Victory-Zeichen, sondern das ist ein Segensritus. Der erinnert uns daran: Er will uns segnen, aber er will uns auch hinausschicken, damit wir zum Segen werden.
 
Erfüllen wir als Gemeinde unsere „Mission“? Gut. Ich hatte mich damals auf den Weg gemacht, ich habe viele Entdeckungen gemacht, musste viele Ängste überwinden, aber ich bin ja auch eine Pfarrerin und habe dann auch unsere Gemeinde mitgenommen. Mit meinem Kollegen habe ich überlegt, wie können wir auch als Gemeinde wieder zu einer Gemeinde werden, die wächst, die innerlich wächst, die ihren Auftrag, ihre „Mission“ erfüllt.

Denn oft ist es ja so wie wir es vorhin gesungen haben: Das Schiff, das sich Gemeinde nennt, liegt oft im Hafen fest. Man kann den Eindruck haben, da rottet es so langsam vor sich hin. Man muss sich fragen, ist es noch seetauglich. Nein, nicht so richtig – deswegen hat man auch berechtigt Sorge, sich auf den Weg zu machen. Oder ist es aus dem „Fischerboot“ inzwischen ein Ausflugsdampfer geworden, wo man viel Personal angestellt hat, um ein Programm zu bieten. Heute haben wir kein Geld mehr, um diese Menschen zu bezahlen. Also stellt sich die Frage: Was machen wir?

So habe ich ein Projekt konzipiert: „Vom Ausflugsdampfer zum Fischerboot“. Wie kann sich eine Gemeinde auf den Weg machen und nicht nur eine feste Route als Kreuzfahrtschiff fährt, sondern mal sich auf einen Weg begibt, der nicht von vornherein klar ist.

Natürliche Gemeindeentwicklung ausprobiert…

Wir haben auf diesem Weg etwas ausprobiert: Die natürliche Gemeindeentwicklung. Das war ein internationales Forschungsprojekt das verschiedene Erkenntnisse zu Tage gebracht hat.

   1. Kleine Gemeinden wachsen prozentual mehr als größere Gemeinden.

Damit möchte ich Ihnen auch Mut machen. Ich weiß, dass Pfr. Zillmann hier mit viel Mut daran festhält, dass dieser Standort erhalten bleibt. Wachstum, und die Verheißung, dass wir ein großes Gottesvolk werden, heißt nicht so sehr, dass wir wachsen und wachsen…  auch nicht als Gemeinde.

Wie wachsen wir als Menschen? Wir erreichen persönlich eine bestimmte Größe. Aber wir wachsen nicht weiter, in dem wir noch drei Meter größer werden, sondern in dem wir uns durch Kinder vermehren. Wenn ich das heute hier sage, dass ja auch diese Gemeinde vielleicht noch mal ein Kind bekommen könnte, mag das im Moment so merkwürdig anmuten wie bei Abram. Dennoch: Gott hat in unseren Gemeinden ein Wachstumspotential angelegt. Er hat es auch in uns hineingelegt, in unser Herz. Wir als Gemeinde haben uns also auf den Weg gemacht und dann auch das zweite probiert. Nämlich folgendes Forschungsergebnis.

   2. Damit eine Gemeinde wachsen kann, muss die Qualität stimmen.

Es gibt ein Diagnoseverfahren, mit dem man die „Wachstumsqualität“ der Gemeinde, also quasi ihre Gesundheit, messen kann. Das sind folgende Bereiche und jeweils kommt es auf das Attribut an, das begleitende Wort.
- Leidenschaftliche Spiritualität: Ist meine / unsere Frömmigkeit leidenschaftlich. Wenn ja, dann bedeutet das für mich inneres Wachstum, und das kann auch abfärben auf die anderen in meiner Umgebung.
- Inspirierender Gottesdienst: Wir gehen dann hinaus, mit dem Gefühl: ja, das hat mich persönlich berührt. Das führt zu  Wachstum.
- Bevöllmächtigende Leitung: Wenn Leitende sich vervielfältigen und andere anlernen, bestärken und bevollmächtigen, dann hat die Gemeinde die Chance zu wachsen.
- Ganzheitliche Kleingruppen: Wenn unsere Gruppen ganzheitlich sind, wächst die Gemeinschaft.

Es gäbe dazu noch wesentlich mehr zu erzählen. Doch das würde hier zu ausführlich werden. Mehr dazu unter: http://www.nge-deutschland.de/  Wichtige Unterscheidung: Was bleibt Gottes Tun und was können wir machen?


Was aber ganz wichtig ist, ist folgendes: Es gibt einen Bereich, den wir bearbeiten können: das ist die Qualität. Aber den anderen Bereich der Quantität, den können wir nicht direkt beeinflussen. Das haben wir nicht in der Hand. Es wäre unsinnig zu sagen, wir wollen in einem Jahr die doppelte Anzahl von Gottesdienstbesuchern haben. Wenn Sie nach dem Gottesdienst Freibier ausschenken, können Sie dass ganz schnell erreichen, dann haben Sie schnell die 10fache Menge an Besuchern.

Das ist nicht der Punkt. Das wäre kein Wachstum. Sondern es geht darum, dass Menschen sich bekehren und dass sie zu Nachfolgern Jesu werden. Doch das kann allein Gott bewirken. Aber dass diese Gemeinde eine solche Qualität hat, eine herzliche Ausstrahlung hat, damit Menschen gerne herkommen, um Gottes Wort zu hören, daran können mir arbeiten. Wir in Tegel-Süd haben das probiert und wir haben insofern Ergebnisse, dass wir sagen können: Wir haben inzwischen einen Blick dafür, wie wir unsere Gemeinde qualitativ verbessern können.

Wo fangen wir an? Das ist etwas, von dem, was ich Ihnen mit auf den Weg geben möchte. Es fängt nicht mit großen Programmen an, sondern mit Ihnen, bei Ihnen im Herzen. Es fängt mit Gebet an, es fängt mit Hören auf Gottes Wort an und damit, dass ich ihm verspreche, das zu tun, was er mir sagt.

Sie kennen das doch als Eltern oder im Freundeskreis, wenn Sie ihren Kindern oder Freunden etwas schon 5x gesagt haben und es wird nicht getan. Was tun Sie dann? Da sagt man sich meist: „Das hat sowieso keinen Zweck! Was soll ich da noch was sagen.“ Oder Sie geben jemandem einen Auftrag und derjenige sagt: „Dazu habe ich jetzt keine Lust.“ Sie geben demjenigen doch keinen neuen Auftrag.

Vielleicht  hängt unsere Frage, ob Gott überhaupt einen Auftrag für uns hat, weil wir das noch nicht so konkret erlebt haben, damit zusammen, dass er gar nicht damit rechnen kann, dass wir es auch machen. Also ruhig mutig sein und sich selbst auf den Weg machen. Auch Jesus hat seine „Komfort-Zone“ verlassen Auch Jesus hat sich mal auf den Weg gemacht zu uns. Er hat seine Heimat verlassen, den Himmel, und der war sicher „bequemer“ als die Krippe oder das Kreuz. Er hat sich auf den Weg gemacht zu uns, damit wir Hoffnung haben.

Und ich sag ihnen eines, wenn Sie sich auf den Weg begeben oder mit dem Schiff hinaus auf das Meer fahren, dann kommen auch Stürme auf Sie zu. Was meinen Sie, was es bei uns in der Gemeinde für Konflikte gab und gibt. Heißt das aber, dass es besser ist, sich nicht auf den Weg zu machen. Ich glaube, es lohnt sich immer aufzubrechen, vor allem, wenn Gott das Signal dazu gibt. Denn es gibt eine Verheißung, dass wir letztlich wieder bei Gott landen, dass er uns in seiner Hand hält. Selbst bei Schiffbruch rettet er uns.

Ich will dich segnen und du sollst ein Segen seit. Das gebe ich Ihnen heute mit auf den Weg und hoffe, dass dies auch in dieser Gemeinde ein Segenswort ist, was uns begleitet. Amen.



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   Predigt -  Du sollst dir kein Bild machen. (2 Mos 20,1-4) 14.04.06  Pfr. Zillmann

Liebe Gemeinde, es gibt in der christlichen Tradition unterschiedlichen Ansichten. Die einen sagen, der Karfreitag also der Tag, an dem Jesus hingerichtet und ermordet wurde ist der wichtigste kirchliche Feiertag und andere sagen, nein, nicht der Todestag, sondern der Tag der Auferstehung, also der Ostersonntag, da, wo deutlich wurde, daß Jesus Christus dem Tode die Macht genommen hat, das ist der wichtigste Feiertag.

Das erscheint uns heute und dem normalen Christen, als ein ziemlich sinnloser Streit. Was soll es? Haben wir nicht andere Probleme. Und so hat sich dann im Volksglauben  und fast unabhängig von den Theologen eine ganz eigene Feiertagsmentalität entwickelt.

In den ersten hundert Jahren des Christentums war natürlich der Ostersonntag der wichtigste Feiertag. Die Feier der Osternacht bis in den frühen Morgen hinein, und wo dann beim ersten Morgenlicht alle den Tod ausgelacht haben, das entsprach dem Lebensgefühl der ersten Christen. Licht verdrängt die Finsternis, die Farbe der liturgischen Gewänder war weiß und freundlich. Es war ein fröhliches Erlebnis. Christus ist der Sieger und der Held.

Um die Jahrtausenwende änderte sich das. Im Mittelalter wurde das Leid des Menschen thematisiert. Und dieses Leiden fokusierte sich im Leiden Gottes, in der Marter und Pein von Jesus. Es wurde der Schmerzensmann geboren. Sein Todestag war der wichtigste Feiertag. Ohne diesen Todestag wäre das ganze christliche Weltgebäude unvollkommen. Die Lieder wurden trübsinnig, die Gewänder dunkel und schwarz. Das Leiden der Kreatur wurde geradezu verherrlicht. Passions- und Fastenzeiten weiteten die Melancholie immer weiter aus.

In der Neuzeit, also nach der Aufklärung, gab es wieder eine Wende. Und da stehen wir heute. Osternacht und Karfreitag sind passe. Es kommt kaum noch jemand in die Kirche. Als vernünftiger Mensch versteht man die Auferstehung nur mit vielen dialektischen Schnörkeln, und das ewige Gequäle von Menschen, Mord und Totschlag sehen wir schon im Fernsehen genug, das brauchen wir nun auch nicht noch zu feiern.

Das Weihnachtsfest ist der goldige Ausweg. Die Theologen wettern zwar dagegen, aber der mündige Christ stimmt mit den Füßen ab. Heilig Abend sind die Kirchen so voll wie nie. Das sollte zu denken geben und vielleicht auch die Theologie beinflussen.

Was ist wichtig daran, an Weihnachten. Die Liebe ist wichtig, der Frieden, die Familie, die Ruhe in aller Hektik, das Fröhlichsein.   Christ, der Retter, ist da. Und jetzt ohne Leid und Pein, ohne Tod und Himmel, mit einer neuen Art Auferstehung, mitten ins Leben hinein, symbolisiert durch die Geburt eines kleinen Kindes. Etwas Neues fängt an. Da braucht man nicht meckern. Das ist gut so.

Aber zurück zum Karfreitag. Liebe Gemeinde, als ich das erste mal in die Kirche am Seggeluchbecken kam, war ich von dem riesigen vier Meter hohen Jesuskreuz hier überwältigt. Nicht nur kleine Kinder finden es erschreckend, wie der Körper eines Menschen angenagelt an einem Balken hängt und sichtbar leidend gestorben ist. Auch für Erwachsene ist dieses Kruzifix manchmal schwer erträglich. Besonders bei manchen festlichen und fröhlichen Veranstaltungen erscheint es angebracht, diesen Jesus vorsorglich wegzubringen, da er die Atmosphäre in unserer Kirche zu stören scheint. Das geht aber nicht, weil er fest einzementiert ist und so ist er in seinem Leiden ein Ärgernis, welches still erduldet wird.

Das wäre zu anderen Zeiten ganz anders gewesen. Die Vergegenständlichung einer Gottheit durch ein Bild oder durch eine Figur ist vielen religiösen Empfindungen wesensfremd. So etwas hohes, wie Gott, wo man nicht mal den Namen aussprechen darf, so etwas Gewaltiges kann man nicht in einem Bild oder in einer Figur darstellen, denn es besteht immer die Gefahr, daß der Mensch dieses Idol, dieses Abbild anhimmelt und anbetet, und Gott dahinter vergißt.
Uns so heißt es im alten Testament zu den zehn Geboten:

"Ich bin der Herr, dein Gott (...). Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Du sollst dir kein Götterbild machen." .... Mach dir überhaupt kein Abbild von irgend etwas im Himmel, auf der Erde oder im Meer." Du sollst mich lieben und nicht ein Idol anbeten, und mich liebts du, wenn du meine Gebote befolgst.

Dieses Bilderverbot im Alten Testament gilt für Juden, für Christen und für den Islam gleichermaßen, weil alle drei Religionen diese Bibelstelle als eine wichtige Grundlagen für ihren Glauben ansehen. Der Streit um die sogenannten Mohamedkarikaturen, der in den letzten Monaten zu viel Aufsehen geführt hat, dieser Streit hat etwas mit dieser Bibelstelle zu tun.

Auch in der christlichen Kultur hat es um das sogenannte Bilderverbot heftige und blutige Auseinandersetzungen gegeben. Wir stehen da also in einer langen Tradition. Es überrascht uns die sehr verbisssen und mit Gewalt geführte Auseinandersetzung bei den Muslimen. Wenn wir aber mal den Schmutz im eigenen Haus kehren würden, dann hätten wir vielleicht mehr Verständnis dafür.

In den ersten Jahrhunderten hätte es niemand gewagt, Jesus in einer Abbildung ans Kreuz zu nageln, so wie wir ihn hier in unserer Kirche sehen können. Er war der Retter, der gute Hirte, der Steuermann am Schiff der Kirche, Lehrer und Bringer wunderbarer Heilung, ein schöngelockter Jüngling, ein sieghafter Gott. Eben der Ostergott.
Erst um die Jahrtausendwende erscheint das Kruzifix in der uns bekannten Form. Die Leidensthematik, wie bereits gesagt, bestimmt nun das Christusbild des Spätmittelalters. Der Schmerzensmann lebt in der ganzen Breite der religiösen  Volkskunst bis heute fort.

Die erste große Auseinandersetzung des Christentums bezüglich des Abbildungsverbots fand im byzantinischen Bilderstreit des 8./9. Jahrhunderts statt. Das führte zu ersten großen Kirchenspaltung. Die orthodoxe Kirche entstand. Sie verehrte die Ikonendarstellungen. Durch das Abbild soll das Urbild vergegenwärtigt, das heißt Vergangenes wird durch das Bild in die Gegenwart übertragen. Fernes wird im Bild nahegerückt und Kommendes soll vorweggenommen werden. Das ist die Grundlage, die den Weg zur Bilderverehrung und zur Bildmagie ebnet. Mit der Anbetung der Bilder kann man richtig zaubern. Und wer möchte nicht gern zaubern können.

Deshalb war auch in der Reformation, in der zweiten großen Kirchenspaltung, deshalb war auch in der Reformation der Umgang mit Bildern heftig umstritten. Im norddeutschen Raum war man ganz konsequent und so sind dort die Kirchen meistens ohne Bilder und ohne gekreuzigten Jesus vorzufinden. Alles flog damals raus. Die ganzen Heiligen Figuren, mitsamt der Maria und dem Christuskind. Sie wurden vor der Kirche verbrannt. Es gab Mord und Totschlag um diese Figuren- und Bilderverehrung.

Und die Entwicklung ging weiter. Um Gottheiten in Bildern zu karikieren brauchte es weitere Hunderte von Jahren. Lustige Comicfiguren mit dem lieben Gott im Nachthemd, weißbärtig auf einer Wolke, niedliche Engel und kleine lustige Teufelchen regen niemanden mehr auf. Die Werbung macht sich einen Jux daraus und so manches religiöse Sinnbild muß heute herhalten, um Autos, Waschpulver und Versicherungen besser verkaufen zu können. Selbst wenn die heilige Jungfrau Maria das Jesuskind verprügelt, schafft es solch ein modernes Bild ohne große Probleme, in die Galerie eines Museums aufgenommen zu werden.

Ich habe Ihnen auf dem Begleitzettel zur Predigt dieses Gemälde  einmal abgedruckt. Schauen sie es sich einmal an. Für jeden Katholiken, und irgentwie leben wir ja auch alle in dieser Tradition, sind alle so ein bißchen kleine Katholiken, für jeden frommen Menschen ist dieses Bild ein Afron, ein Ärgernis.

ZuechtigungDas hat mehrere Gründe. Es stört einmal unser religiöses Empfinden. Die heile Welt unserer Verehrungen kommt durcheinander. Weihnachten, wie gesagt, ist für uns ganz wichtig. Und Sinnbild der Heiligen Nacht ist Maria mit dem Jesuskind.

Daß die liebe Mutti jetzt ganz agressiv wird und auf ihr Kind einprügelt, ist nicht nur äußerst unpädagogisch und paßt nicht zu unserem heutigen Erziehungsidealen, sondern zerstört unser heiles Bild von der stillen trauten Weihnacht. Kein Friede, keine Freude, keine Liebe, keine gute Familie. Das ist sehr ärgerlich.

Und selbst wenn man nicht streng katholisch ist. Das ist kein gutes Bild. Der kleine Jesus wird entweiht. Sein Heiligenschein fällt zu Boden, und Maria behält ihren Heiligeschein auf, sie wird so richtig Scheinheilig, ein böser Mensch, eine böse Mutter.

Was hat er bloß gemacht, der arme Jesus, fragt man sich dann weiter. Ein unschuldiges Kind, ist er doch. Ein unschuldiger Mensch. Und die anderen da oben am Fenster, die kucken zu. Wie das so ist. Bloß nicht einmischen, eigentlich geht es uns ja nichts an.

Beim Erwachsenen Jesus war das genau so. Und da schließt sich dann der Kreis, hin zum Karfreitag. Bloß über den erwachsenen Jesus, über seine Mißhandlung, über seine Ermordung, da regen wir uns nicht mehr auf. Daran haben wir uns gewöhnt. Das Kruzifix, das hier in unserer Kirche steht, das ist kaum noch ein richtiges Ärgernis. Es stört bloß manchmal.

Liebe Gemeinde, um das abschließend zu sagen. Vielleicht sehen sie jetzt die Gefahr von solchen bildlichen Darstellungen. Ob sie nun schön sind oder nicht schön, ob sie positiv oder negativ sind, ist eigentlich egal.
Wenn wir uns Abbilder und Darstellungen von Dingen machen, die uns heilig sind, dann unterliegen wir immer der großen Gefahr, daß diese Abbildungen mißverständlich sein können, oder von anderen zur Karikatur mißbraucht werden. Und wer den Spott hat, braucht für den Schaden nicht zu sorgen. Der kommt ganz von alleine.

Wir haben in unserer christlichen Entwicklung, in unserer europäischen Kultur in dieser Frage lange Zeit gebraucht, um tolerant, besonnen und abgeklärt zu sein. Kulturelle Entwicklung braucht eben viel Zeit. Diese Zeit sollten wir mit Gelassenheit auch anderen Kulturen geben.

AMEN


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