Internet-Archiv der Kirchengemeinde Am Seggeluchbecken   (c) Zillmann 18.06.2001

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  Halloween statt Reformation ?

Heute im Interview am Dienstag in der Berliner-Morgenpost 31.10.2000 (Lokalteil)
Peter Zillmann, Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde am Seggeluchbecken

Halloween hält Einzug auch in der Kirche. Das Fest der Dämonen und Geister ist zumindest in der Evangelischen Kirchengemeinde am Seggeluchbecken im Märkischen Viertel kein Fremdwort mehr: Bereits im vergangenen Jahr hat Pfarrer Peter Zillmann Halloween in seiner Predigt zum Thema gemacht und daran erinnert, dass der 31. Oktober auch der Reformationstag der evangelischen Kirche ist. Der Tag, an dem an die durch Martin Luther begründete christliche Erneuerungsbewegung erinnert wird. Lokalanzeiger-Reporter Frederik Klaustermeyer sprach mit dem Pfarrer über Halloween und den Reformationstag.

Berliner Morgenpost: Herr Zillmann, Halloween ist ja ein ungewöhnliches Predigtthema. Ist es wichtig, dass Predigtthemen einen Bezug zur heutigen Zeit haben?

Peter Zillmann: Den Bezug zur heutigen Zeit haben sie ja immer. Das ist auch Sinn der Predigt: Dass man den alten Bibeltext mit den Problemen, den Fragen und den Antworten, die die Menschen heute haben, vergleicht und versucht, in Einklang zu bringen.

Wenn man heute auf die Straße geht, hört und sieht man überall Anzeichen von Halloween. Vom Reformationstag wird außerhalb der Kirche immer weniger gesprochen. Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass der Reformationstag in Vergessenheit gerät?

In dem Moment, wo er nicht mehr Feiertag ist und wo nicht mehr schulfrei ist - also der Tag nicht mehr die Bedeutung hat, wie er sie früher hatte - wird er halt in Vergessenheit geraten. Und in dem Sinne, wie heute kaum noch jemand weiß, welchen Sinn und Zweck die Reformation hatte, ist der Tag damit auch in Frage gestellt als Reformationstag. Und wenn der Tag zufällig von Halloween besetzt ist, wird sich halt Halloween durchsetzen.

Sehen Sie da eine Aufgabe der Kirche: Den Menschen wieder deutlich zu machen, dass an diesem Tag auch an die Reformation durch Luther gedacht wird?

Na ja, Luther hatte ja im Sinn gehabt, dass die Reformation ständig passieren sollte. Und wenn die Kirche selber heute kaum in der Lage ist, Reformation durchzuführen, braucht sie auch keine Gedenktage für die Reformation.

Sie haben in Ihrer Predigt letztes Jahr Gemeinsamkeiten zwischen Halloween und dem Reformationstag angedeutet. Welche sind das?

Die grundsätzliche Gemeinsamkeit ist das, was der Reformation ein wichtiges Anliegen war: Dass die normalen Ängste der Menschen - also vor dem Tod und Teufel oder vor Schuld und Sühne - aufgegriffen und verarbeitet werden. Und das Halloween-Fest hat ja versucht, mit den Masken böse Dämonen zu bekämpfen und mit anderen Ritualen die Menschen von der Angst zu befreien. Luther hat es anders versucht: Der hat gesagt, dass der Glaube von der Schuld befreit.

Könnte es ältere Kirchenbesucher nicht abschrecken, plötzlich etwas von Halloween zu hören?

Nein, sie waren alle sehr interessiert, etwas von Halloween zu hören. Schlimmer ist es bloß, wenn man nicht weiß, was Halloween ist. Diese Informationen über Halloween waren sehr interessant und wurden auch dankbar angenommen. Gerade zu dieser Predigt kamen sehr viele Nachfragen und auch Zustimmung, weil das Thema nicht tabuisiert wurde.

Wird sich die Kirche nach Ihrer Einschätzung dahingehend verändern, dass z. B. irgendwann in der Kirche Halloween gefeiert wird?

Das kommt auf den Zeitraum drauf an: Ich denke mir schon, wenn - sagen wir mal - diese Amerikanismen rüberkommen, dann wird auch früher oder später Halloween eine größere Bedeutung haben als die Reformationsfeier. Ich würde nicht sagen, im nächsten Jahr. Aber in fünfzig Jahren bestimmt.

Können Sie sich vorstellen, sich selber mal an Halloween zu verkleiden?

Kann man nicht so sagen: Verkleiden tun wir uns ja immer irgendwie, aber direkt zum Halloween-Fest würde ich es für meine Person nicht sehen: Ich verkleide mich nicht gerne. Auch nicht zum Fasching oder zu anderen Veranstaltungen.

Reformationstag:
Viele sehen den Reformationstag an als den Tag von Martin Luther und machen praktisch aus Luther einen evangelischen Heiligen. Aber ich denke, das gerade wollte Luther nicht. Das soll nicht ein Martin - Luther - Tag sein. Es geht beim Reformationstag eigentlich um etwas anderes - so wie Luther es sagte mit dem ersten Satz, der in den Thesen stand: Tut Buße und kehrt um.

Kirchenreform:
Der Reformbedarf liegt eigentlich in vielen Bereichen. Das Problem ist eben heute, dass die Kirche Schwierigkeiten hat, ein Leitbild zu definieren, zu beschreiben, wo es hingeht. Das ist nicht mehr alles so klar und so traditionsgemäß, wie es früher war. Da kommen viele Elemente zum Glauben dazu: Was ist überhaupt Kirche? Also: Das Leitbild der Kirche ist sehr verschwommen.

Halloween:
Halloween ist ein interessantes Fest, was den Kindern sehr viel Spaß macht. Ich kannte Halloween vor meiner Predigt überhaupt nicht. Mich hat es selber interessiert, worum es da geht, und ich habe mir diese Sachen über das Internet rausgesucht. Beim Stichwort Halloween hat sich ergeben, dass hundert mal mehr Antworten kamen als zum Stichwort Reformationstag.


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  Adventfeier 2000: Geschichte von den zwei Mönchen

Es waren zwei Mönche zur Adventszeit, die lasen in einem alten Buch, am Ende der Welt gäbe es einen Ort, an dem Himmel und Erde sich zur Weihnachtszeit berührten. Sie beschlossen ihn zu suchen und nicht umzukehren, bis sie diesen Ort des Glücks gefunden hätten.

Sie durchwanderten die Welt von einem Advent zum anderen. Die Zeit verging Jahr um Jahr. Sie bestanden unzählige Gefahren, erlitten alle Entbehrungen, die eine Wanderung um die ganze Welt erfordert, und alle Versuchungen natürlich auch, die einen Menschen von seinem Ziel abbringen können.

Eine Tür sei dort, so hatten sie gelesen, man braucht nur anzuklopfen und man befindet sich bei Gott, in aller Glückseeligkeit
Schließlich fanden sie die Tür. Sie klopften an. Aufgeregten Herzens sahen sie, wie sie sich öffnete. Und als sie eintraten, - standen sie wieder zu Hause in ihrer Klosterzelle. Da begriffen sie:

Der Ort, an dem sich Himmel und Erde berühren, der Ort an dem wir Gottes Liebe und Kraft erfahren, befindet sich auf der Erde - an der Stelle, die uns Gott zugewiesen hat.

(Verfasser unbekannt)


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  Erntedank - Pleonexie (Lk 12.13-21) 01.10.2000 Pfr. Zillmann

Liebe Gemeinde, dieser Gottesdienst steht ja, wie sie alle wissen, unter einem besonderen Thema, nämlich dem Erntedankfest. In früheren Zeiten wurden da noch grandioses Feste gefeiert, heute wird alles auf etwas kleinerer Flamme gekocht. Vielleicht liegt das daran, daß wir mit dem winzigen Wörtchen Dank nicht mehr so richtig klar kommen. Wem soll an diesem Tag gedankt werden? Wie soll gedankt werden und wozu überhaupt?

Vor ein paar Tagen war ich außerhalb von Berlin, auf dem Lande. Und da sah ich ein Plakat auf dem stand drauf: „Wir laden ein zum Erntefest“ „Wir laden ein zum Erntefest – es gibt viele kleine und große Überraschungen“

Nun, dachte ich mir, da ist man ja  fein raus, aus dem Dilemma. Das winzige Wörtchen Dank wurde einfach gestrichen und taucht gar nicht mehr auf. Man braucht sich also keine Gedanken mehr machen, wie und wem man danken soll. Stattdessen werden, wie geschrieben, große und kleine Überraschungen angeboten. Ich wünsche den Bauern natürlich, daß sie heute ein gutes Fest haben, aber mir ist daran aufgefallen, wie leichtsinnig wir mit diesem Problem umgehen, indem wir einfach dieses kleine Wörtchen Dank vergessen wollen.

Eigentlich feiern wir nur unsere eigenen Leistungen, unsere Errungenschaften, die Hektarerträge, den Mehrwert, das Bruttosozialprodukt usw.  Und klopfen uns selbst auf die Schulter: „Gut gemacht, dieses Jahr ist gut gelaufen, die Ernte ist unter Dach und Fach ... „ sagen die Bauern „Der Gewinn der Firma wurde maximiert ... „ sagt der Betriebswirt. Wir können gesichert in den Winter gehen.

Aber wo führt das hin? Gäbe es nicht doch mehr zu bedenken?
Den Predigttext aus der Bibel möchte ich ihnen vorlesen. Es ist die Geschichte vom reichen Kornbauern.

Lk 12,13-21
13 Ein Mann in der Menge wandte sich an Jesus: »Lehrer*, sag doch meinem Bruder, er soll mit mir das Erbe teilen, das unser Vater uns hinterlassen hat!«
14 Jesus antwortete ihm: »Freund, ich bin nicht zum Richter für eure Erbstreitigkeiten bestellt!«
15 Dann sagte er zu allen: »Gebt acht! Hütet euch vor jeder Art von Habgier! Denn der Mensch gewinnt sein Leben nicht aus seinem Besitz, auch wenn der noch so groß ist.«
16 Jesus erzählte ihnen dazu eine Geschichte:
»Ein reicher Grundbesitzer hatte eine besonders gute Ernte gehabt.
17 'Was soll ich jetzt tun?' überlegte er. 'Ich weiß gar nicht, wo ich das alles unterbringen soll!
18 Ich hab's', sagte er, 'ich reiße meine Scheunen ab und baue größere! Dann kann ich das ganze Getreide und alle meine Vorräte dort unterbringen
19 und kann zu mir selbst sagen: Gut gemacht! Jetzt bist du auf viele Jahre versorgt. Gönne dir Ruhe, iß und trink nach Herzenslust und genieße das Leben!'
20 Aber Gott sagte zu ihm: 'Du Narr, noch in dieser Nacht werde ich dein Leben von dir zurückfordern! Wem gehört dann dein Besitz?'«
21 Und Jesus schloß: »So steht es mit allen, die für sich selber Besitz aufhäufen, aber bei Gott nichts besitzen.«

Liebe Gemeinde, ich finde mich oft in diesem reichen Grundbesitzer, in diesem reichen Kornbauern wieder, denke meistens auch so wie er und muß ihn deshalb erst einmal in Schutz nehmen. Es ist doch gut Vorsorge zu treffen. Es ist doch gut, nicht auf Kosten anderer zu leben, sondern vom Ertrag des eigenen Fleißes. Und es ist doch gut, wenn man sein Leben gestalten kann, aus einem Überfluß heraus, dann glücklich sein, genießen können und ausruhen.

Ja, ich ergreife Partei für diesen reichen Kornbauern, weil wir selbst zumeist solche reichen Leute sind. Nun füllen wir nicht nach der Ernte die Scheune mit Korn, aber wer Arbeit hat bekommt seinen Lohn und kann sparen, oder wir kaufen uns Sachen, richten unsere Wohnungen ein, zahlen Beiträge in Versicherungen, die sich irgendwann auszahlen, als Rente, als Sparbeträge oder sonstiges. Eigentlich sind wir alle reiche Bauern, auch wenn wir mit Korn kaum noch etwas zu tun haben.

Aber nur eins wollen wir nicht sein, wie es in unserem Predigtext heißt – NARREN, Narren wollen wir nicht sein, das möchten wir von uns weisen. Da hört die Geschichte für uns auf. Da ist plötzlich ein anderer gemeint, irgendein Kornbauer vor 2000 Jahren und eine Nacht. Narren sind wir nicht. Oder vielleicht doch? Gerade wenn wir sagen, wir sind keine Narren, setzten wir uns damit nicht die Narrenkappe erst recht auf?

Es gibt eine Krankheit, die trägt den Fachausdruck Pleonexie und das heißt auf deutsch: Immer-mehr-haben-wollen. Wenn man von dieser menschlichen Eigenart krankhaft befallen ist, dann kann es leicht passieren, daß man von diesem Immer-mehr-haben-wollen suchtartig ergriffen wird.

Das ganze Leben dreht sich nur noch darum. Innerlich und äußerlich wird man umgetrieben von dieser Sucht. Und aus dem Immer-mehr-haben-wollen wird dann plötzlich ein Immer-mehr-haben-MÜSSEN.  Für ständig größere Zeiträume möchte man ausgesorgt haben, mit dem Gehalt ein Monat lang, mit der Ernte für ein Jahr, mit dem Auto und der Wohnungseinrichtung für 10 Jahre vielleicht, mit dem Ersparten bis zum Ruhestand. Und so weiter und so fort - bis zum Tod. Und den Zeitpunkt für den eigenen Tod setzt man vorsorglich immer später an.

Ja und dann kommt noch hinzu, daß man etwas gelten möchte, etwas darstellen, für andere mächtig und ehrenvoll erscheinen.
Und all diese Gewinne müssen gesichert sein. Wer bewahren will muß immer wieder vermehren – eine Schraube ohne Ende. Das Schlimmste an dieser Krankheit ist aber nun, daß man ständig an sich denkt, an seine Lebensabsicherung, die dann maßlos übertreibt, so daß man an andere Menschen nicht mehr denken braucht und auch nicht mehr denken kann. Das steigert sich dann ins menschenfeindliche. Man will auf niemand und nichts angewiesen sein. Ganz alleine und selbständig will man durchs Leben gehen.
Das wirkt sich aus. Z.B. darin, daß man keine Geschenke mehr annehmen kann, daß man anderen Menschen nicht mehr dankbar sein kann. Und daß man dann stolz und hochmütig wird, wie der Kornbauer in unserem Bibeltext, mit sich selber spricht, sich selber auf die Schulter klopft und die eigene Leistung über alles stellt.
„Ich will zu mir sagen, mein Lieber, du hast große Vorräte für viele Jahre. Ruh dich nun aus, iß und trink und sei guter Dinge.“

Wenn man soweit gekommen ist, dann kommt an dieser Stelle ein großes Stopzeichen und darauf steht: DU NARR. Und Jesus Christus spricht: „Hütet euch davor, immer mehr haben zu wollen, denn niemand lebt davon, daß er viel besitzt.“
Pleonexie heißt diese Krankheit und ein einzelner Mensch hat es schwer, sich davor zu schützen, denn unsere ganze Gesellschaft, unsere moderne Welt ist daran erkrankt.

Pleonexie wird übersetzt mit Mehrhaben, Vorsprung, Überlegenheit, Habsucht, Anmaßung, Betrug und die Sucht zum Herrschenwollen.

Schlagen sie eine x-beliebige Zeitung auf und sie finden dieses Denken dort auf jeder Seite. Immer schneller, und besser und überlegener sein, in allen Bereichen unseres Lebens, in der Wirtschaft, in der Kunst, in der Wissenschaft, in der Politik und in den sozialen Bereichen. Aber allzu oft steht hinter diesen Wörtern eben auch Anmaßung, Betrug und Sucht zum Herrschenwollen. Pleonexie heißt diese Krankheit und wir alle sind davon infiziert.

Jetzt brauchen wir uns nicht mehr wundern, daß wir das Wort Du Narr schroff von uns weisen. Wer gesteht schon seine  Sucht ein? Und wir brauchen uns nicht mehr wundern, daß aus dem Wort Erntedankfest das Mittelstück, das Wort Dank, weggestrichen wird, denn wir sind so von uns selbst eingenommen, daß wir niemand danken können und wollen.

Liebe Gemeinde, Eins haben wir jedoch nicht in unserer Hand. Über eins können wir nicht nach belieben schalten und walten, Und dieses eine ist unser Lebenszeit, unser Leben. Das verdanken wir nicht uns selbst. Das können wir nicht sammeln und horten wie Kleidungsstücke. Unser Leben können wir nicht vermehren, wie das Geld auf dem Sparkonto.
Im Gegenteil, hier geht es genau anders herum. Unser Leben verbraucht sich ständig. Es nimmt von Jahr zu Jahr ab, von Stunde zu Stunde und wir müssen uns die Frage gefallen lassen: „Wie lebst du denn in dieser Lebenszeit“

Schauen sie hier unter die Kanzel. (Auf das Obst und Gemüse) Was dort ausgebreitet da liegt, ist ja nicht unser Leben, sondern nur die Mittel zum Leben, die jeder von uns nötig hat, eben die Lebensmittel. Wir dürfen nicht den Fehler machen, diese Lebensmittel als Sinn unseres Lebens zu betrachten. Diese materiellen Dinge sind eben nur Mittel zum Leben.
Also eigentlich danken wir Gott am Erntedanktag für unser Leben und nicht so sehr für die Lebensmittel. Das wir Lebensmittel brauchen, ist klar und Gott weiß das und trachten wir nach seinem Reich, so wird uns das alles zufallen, von ganz alleine. So leicht hat das Jesus gesagt.

Stellen wir nun mal das Leben in den Mittelpunkt, heute am Erntedanktag. Die Kinder haben am Freitag bereits einen kleinen Gottesdienst gefeiert, und haben die Symbole des Lebens aus der Schöpfungsgeschichte hier aufgestellt.
Stellen wir mal das Leben in den Mittelpunkt, vielleicht fällt uns das Danken dann auch etwas leichter. Und vielleicht sehen wir dann auch den gewaltigen Unterschied zwischen einem Erntefest, wie ich es eingangs erwähnte und einem Ernte-Dank-Fest.

Zum Abschluß noch einmal das deutlich: Auf das Leben kommt es an und wenn wir unser Leben als ein Geschenk annehmen und dafür dankbar sein können, dann sind wir reich bei Gott. Der erste Schritt ist getan. Wir können unsere Narrenkappe etwas lüften, denn das Leben ist eben mehr als Nahrung und der Leib mehr als Kleidung, so wie Jesus es sagte.
Und dieses Stückchen mehr, was man manchmal nur fühlen kann und gar nicht so richtig zu beschreiben weiß, das ist eben der Schatz im Himmel, den wir mit unserem Glauben dann hier auf Erden finden können.
der Brieftext für diesen Erntedanktag lautet. der Apostel Paulus schreibt:

Röm 14,17  Wo Gott seine Herrschaft aufrichtet, geht es nicht um Essen und Trinken, sondern um ein Leben unter Gerechtigkeit und um ein Leben in Frieden und Freude, wie es der Heilige Geist schenkt.   AMEN


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  Ströme lebendigen Wassers (Joh 7.37-39) 04.06.2000 Pfr. Beermann

Vers 37 : Aber am letzten Tag des Laubhüttenfestes - der achte Tag - , der der höchste war , trat Jesus auf und rief :
Wen da dürstet , der komme zu mir und trinke !
Vers 38 : Wer an mich glaubt , wie die Schrift sagt - das Alte Testament - , von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen .
Vers 39 : Das sagte er aber von dem Geist , den die empfangen sollten , die an ihn glaubten ; denn der Geist war noch nicht da ; denn Jesus war noch nicht verherrlicht .)

Liebe Gemeinde ,

ein Psychiater hatte einmal einen Patienten , der glaubte , er sei tot . Kein noch so gutes Argument konnte ihn vom Gegenteil überzeugen . Als der Psychiater schon völlig am Verzweifeln war , kam ihm schließlich eine geniale Idee . Er beschloß , den Patienten davon zu überzeugen , daß Tote nicht bluten können . Er gab ihm mehrere medizinische Lehrbücher zu lesen und vereinbarte mit ihm einen Termin für die folgende Woche . Der Patient machte seine Hausaufgaben und erschien zur vereinbarten Zeit in der Praxis des Psychiaters .
„Nun , was haben Sie herausgefunden ?“ , fragte der Psychiater . „Ich fand heraus , daß die medizinischen Indizien beweisen , daß Tote nicht bluten“ , antwortete der Patient . „Wenn jemand also bluten würde , dann wüßten Sie mit Sicherheit , daß derjenige nicht tot ist ?“ „Absolut richtig“ , sagte der Patient .
Auf diesen Moment hatte der Psychiater gewartet . Er zog eine Nadel aus einer Schatulle und pikste den Patienten in den Finger . Sofort erschien ein Tröpfchen Blut . Der Patient schaute voller Schrecken auf seinen Finger und rief aus : „Meine Güte , Tote bluten ja doch !“

Wir alle möchten gerne glauben , daß wir aus reiner Vernunft und Objektivität heraus denken und handeln . Aber , wie einmal jemand gesagt hat , in Wahrheit haben wir oft unseren Verstand im Schlepptau , um zu rechtfertigen , was wir ohnehin schon glauben (- schließlich hat uns dies unsere Erfahrung gelehrt !)

Vielleicht war auch ich einer dieser Christen , die sich gerne einreden, daß sie nicht aus ihrer Erfahrung heraus glauben , sondern auf der Grundlage des Wortes Gottes . Ich habe mir eingeredet , daß mein Handeln und meine Ansichten von den Aussagen der Bibel (der Heiligen Schrift) bestimmt werden . Aber in den letzten Jahren ist mir die Arroganz derartiger Behauptungen bewußt geworden .

Irgendwie muß ich wohl geglaubt haben , ich sei eine Ausnahme zu der Aussage im 17.Kapitel des Buches Jeremia (Prophet im Alten Testament) , Vers 9 : „Arglistig ohnegleichen ist das Herz und unverbesserlich . Wer kann es ergründen ?“ Wie also konnte ich glauben , mein Herz sei so rein , daß ich die Motive meines Glaubens und Handels korrekt (wirklich) verstand ?

In Wahrheit hat jeder von uns vielerlei Gründe für das , was er glaubt oder tut , und - als Christ - ist die Schrift nur ein Grund davon . Und sogar dieser eine Grund bleibt häufig in Frage gestellt . Was will ich damit sagen ?

Nun , wir Menschen werden alle in hohem Maße von („unseren“) Umständen geleitet : - unsere Sozialisation , die Kultur , in der wir leben ; die Familie , in der wir aufgewachsen sind ; die Gemeinde (ob „Seggeluchbecken“ oder eine andere) , die wir besuchen; unsere Lehrer , die uns unterrichtet haben ; unsere Sehnsüchte , Ziele , Enttäuschungen (auch über Gott) , Tragödien und Ängste .

Unsere Erfahrungen bestimmen viel von dem , was wir glauben und tun ; und jetzt kommt das ENTSCHEIDENDE : unsere Erfahrung bestimmt weit mehr , als uns bewußt ist und wir zugeben wollen . Selbst unser Verstand kommt nicht mehr gegen ein Bollwerk von Erfahrungen (aus mannigfachen Umständen gewonnen) an - aber was soll dann der Satz : „Aus Erfahrung gut !“ , oder : „Aus Erfahrung klug!“

Erfahrungen (auch „Lebenserfahrungen“) haben ihre Berechtigung und ihren Wert , dies steht außer Zweifel ; aber es gibt mindestens zweierlei Erfahrungen , einmal solche , die aus den unterschiedlichsten Lebenssituationen resultieren - quasi ein „ALLERLEI“ * an Erfahrungen (und eben auch schlechte  ...  , die beispielsweise den Zugang zu Gott versperren können) , zum anderen gibt es gleichsam geläuterte Erfahrungen - zum Beispiel Erfahrungen mit klaren und guten  Dingen des Lebens , Erfahrungen im Umgang mit Gott **.

Überdies kann in diesem Zusammenhang  der Einwand kommen , daß der Verstand ohnehin häufig mit unserem Herzen in einem Widerstreit steht , ja , daß Verstand und Glaube einander ausschließen : dies will ich so nicht stehen lassen . Der gesunde Verstand ist auf dieser Erde so notwendig wie ein gut funktionierender Organismus / Körper , aber mit dem Verstand können die Verheißungen Gottes nicht ergriffen werden , hierzu bedarf es des Glaubens .

Wir brauchen beides , Verstand und Glauben .

Jetzt noch einmal zurück zu den >Umständen< , die unser Leben bestimmen wollen. Viele christliche Leiterinnen und Leiter haben über Jahre beobachtet , daß die Mehrzahl dessen , was Christen glauben , nicht ihrem eigenen geduldigen und sorgfältigen Bibelstudium und Gebet entspringt . Die Mehrzahl der Christen vertraut (was ihren Glauben ausmacht)  dem  ... , was - vielleicht gebildete und angesehene - Lehrer ihnen gesagt haben . Oder sie haben andere Zugänge , wie etwa Bibelauslegungen , Biographien und andere christliche Literatur , gefunden. Auch die Häufigkeit unserer Kirchgänge kann nicht als Kriterium unseres Glaubens gelten .

Gott möchte unsere ganze Hingabe : „Rufe mich - von Herzen - an , so will ich dir antworten und will dir anzeigen große und gewaltige Dinge , die du nicht weißt“ , so steht es bei Jeremia

Die Erfüllung der wunderbaren Verheißungen des Neuen Bundes ist genau so eng verknüpft mit dem (persönlichen) Gebet . Allerdings sagen viele Christen , daß sie nie bzw. nur selten eine Antwort auf ihr (intensives) Gebet hin  bekommen hätten  ...  und da heraus resultiere wiederum ein schwacher Glaube :

Dies läßt sich so ausdrücken :
Leider wartet unter uns , die wir Gottes Wort in unserem schwachen Glauben nach menschlichen Gesichtspunkten und Erfahrungen beurteilen , kaum jemand ernstlich (                   ) auf die tatsächliche Erfüllung dieser - von Gott gegebenen - Verheißungen .
Es fehlt uns meistens der Glaube an die mächtig wirkende Gotteskraft , die diese Verheißungen auch in unserem Leben als reale Wirklichkeit zu offenbaren vermag . Und es mangelt an Treue Gott gegenüber .

Wir werden - selbst mit unseren christlichen Erfahrungen - nicht zu einem vollständigen Glauben gelangen können :

Der Weg des Gebets ist richtig , dieser Weg bringt Veränderung - zum Willen Gottes hin (dabei dauert es gelegentlich etwas länger - und dies kann Gläubige außerordentlich irritieren !)
Es geht jedoch nicht anders , Gott muß uns verändern : „Ich will reines Wasser über euch sprengen (denken wir heute an unsere Taufe), daß ihr rein werdet ; ...  Ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen , die meine Gebote und Rechte halten .“        (Hes 36.25-27)

In unserem Leben machen wir häufig schlechte Erfahrungen ... und wenn wir nicht Acht geben , dann können - wie eben gesagt - diese  unseren Verstand an den Haken nehmen , um zu rechtfertigen , was wir ja ohnehin schon immer wußten (... daß der Patient glaubt , er weile eben nicht mehr unter den Lebenden , obwohl der Verstand ihm etwas anderes sagt , ... daß ein Gemeindeleiter glaubt , seine Gemeinde kann sich mit einer - bestimmten - anderen Gemeinde nicht verbinden , obwohl - jetzt über den Verstand hinaus - der kostbare christliche Glaube eine andere Sprache spricht ... etc.)

Um schlechte Erfahrungen zu vermeiden , ist es wichtig , gute Entscheidungen zu treffen . Voraussetzung dafür ist zu Beginn sicher ein klarer Verstand (denn der ist von Gott gegeben ... !), der aber reicht bei weitem nicht aus (jedenfalls nicht , wenn ich über den sog. „Zeitgeist“*** hinaus will) .

Jesus sagt dazu : „Wer an mich glaubt , von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen !“  (Joh 7.38)

Wie können wir diese wunderbare Verheißung von den Strömen lebendigen Wassers erfahren ? Jedenfalls nicht so : Jeder / jede macht „sein Ding“ , jede Gemeinde kocht ihr eigenes Süppchen , jeder christliche Lehrer hat seine eigene Marschrute - „und immer schön der Reihe nach ...“ etc.

Gottes „Wassertank“ ist voll , unser hingegen ist meistens leer . Das beste wäre doch , sich einfach mit Gott zu verbinden ... und sich füllen zu lassen !?

Eigentlich gibt es hier auch nur eine Voraussetzung , nämlich Gott gegenüber treu zu sein . Wenn wir Gott gegenüber treu sind , dann werden wir seine Treue zurückerhalten : Er wird uns „lebendiges Wasser“ geben die Fülle !!!

Es gibt eine Geschichte von einem Dorf in einer Gegend der Welt , in der es für kurze Zeit im Jahr viel regnet und das restliche Jahr über gar nicht . In einem bestimmten Jahr gaben die Ältesten des Dorfes einen Plan bekannt :

Jeder Dorfbewohner sollte während der Regenzeit - jeden Tag - eine einzige Tasse voll Wasser zu einem großen Tank in der Mitte des Dorfes bringen . Wenn dann die Trockenzeit käme und das Wasser knapp würde , gäbe es im Dorf immer noch Wasser , und man würde das Wasser im Tank an alle austeilen . Die Dorfbewohner fanden den Plan der Ältesten gut .

Die Regenzeit kam und ging ; Staub begann sich über das Dorf zu legen ; die Erde wurde so trocken , daß sie aufriß , und das Wasser wurde knapp . Dann kam der Tag , an dem die Ältesten beschlossen , den Tank zu öffnen und das kostbare Wasser unter den Dorfbewohnern zu verteilen . Alle versammelten sich mit Gefäßen um den Tank , und eine festliche Stimmung lag in der Luft. Feierlich öffneten die Ältesten den Tank - und entdeckten , daß nicht ein einziger Tropfen Wasser darin war !

Erst da merkten alle , daß keiner der Dorfbewohner , die dem Plan der Ältesten zugestimmt hatten , auch nur eine Tasse Wasser abgegeben hatte . Jeder hatte angenommen , daß seine Tassen - gefüllt mit Wasser - nicht vermißt werden würden , und so war der Wassertank während der ganzen Regenzeit leer geblieben . Das Dorf war ohne Wasser .   (Hoffentlich haben die Dorfbewohner für diese Misere dann nicht Gott verantwortlich gemacht !)

Wir brauchen die Verbindung zu Gott : - eine innere Verbindung mit Jesus , eine rückhaltlose Hingabe in der Gemeinschaft mit ihm  und die Gewißheit , daß der Heilige Geist in uns alles das wirken wird , wozu unser Verstand , unser Geist , wir selbst unfähig sind .

Wir benötigen über unseren gottgegebenen Verstand hinaus , einen Glauben , der in der göttlichen Kraft und Liebe ruht und Tag für Tag (das ist Treue !) von Gott die Gnade erbittet , daß auch von uns lebendige Ströme fließen möchten , denn dann werden wir auch die Früchte des Geistes Gottes ernten , die da sind :

Liebe , Freude , Friede , Geduld , Freundlichkeit , Güte , Glaube , Sanftmut
und Keuschheit (Gal 5.22) .

Gott schenke uns seinen Heiligen Geist . Amen .


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Predigt Karfreitag (Joh 19,30) 21.04.2000 Pfr. Beermann

Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht ! Er neigte das Haupt und verschied.            (Joh 19,30)

Liebe Gemeinde, “Lobe den Herren, was in mir ist, lobe den Namen... “ - haben wir eben gesungen... ; ja, können wir denn heute, ausgerechnet am Karfreitag (Jesu Kreuzigung und Tod), Gott - aus voller Kehle - loben ?

Loben ist dankopfern, ist Dankbarkeit. Und Dankbarkeit führt zu tieferer Gotteserkenntnis. Dankbarkeit kommt aus dem Herzen.

Schauen wir noch einmal zurück, was am Vorabend geschah: An diesem Abend ißt Jesus mit seinen Jüngern in einem kleinen Raum in Jerusalem zu Abend. Stellen wir uns vor, wir / ich oder du //Sie// wären dabeigewesen:

(Eine Zeitreise beginnt...)

Ein dumpfes Gefühl der Isoliertheit durchdringt den Raum, und du fühlst dich ein wenig benommen - nach dem Essen und dem Wein. In den letzten Tagen haben sich die Ereignisse überschlagen. Am Anfang der Woche hatte Jesus öffentliche Begeisterung wie selten zuvor zugelassen, als er im Triumph in Jerusalem einzog. Es sah so aus, als ob alle deine Träume doch noch wahr werden sollten. Aber die Stimmung heute - hier am Abend - ist merkwürdig.

Erst war da der Zwischenfall mit der Fußwaschung, als Jesus Petrus in Verlegenheit brachte (Petrus hatte zu Jesus gesagt: “Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen !” Jesus antwortete ihm: “Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir”. Joh 13,8). Und sogar jetzt, wenn er redet, schwankt scheinbar seine Stimmung: Einen Moment lang wirkt er wehmütig und trostspendend, im nächsten Augenblick weist er dich plötzlich als dumm oder kleingläubig zurecht.
Außerdem spricht er immer wieder von Verrat. Einiges von dem begreifst du einfach nicht - hatten wir für ihn nicht alles aufgegeben, um ihm nachfolgen zu können ?).

Eigenartig, auf einem beharrt Jesus trotz aller Proteste: Er will uns verlassen. Ein anderer soll kommen, um seinen Platz einzunehmen; jemand, den er “Beistand” nennt. Unerwartet gibt es ein Geräusch im Zimmer, so als ob der Wind über das Gras streicht.

Jetzt wird es doch noch spannend, denn monatelang hast du nun schon darauf gewartet, dass Jesus - endlich - seine Königsherrschaft antritt. Jesus wird aufstehen und sagen: “Ihr Lieben, es ist soweit, ich werde die Besatzer, die Römer, vertreiben, ich werde...” Aber es kommt wieder einmal anders: Jesus will die ganze “Sache” (die du nicht verstehst) abgeben   - an die zwölf Jünger, - an seine Nachfolger und Nachfolgerinnen. Er sieht in die Runde und sagt mit Bestimmtheit: “Ich übertrage auf euch ein Königreich, so wie mein Vater es auf mich übertragen hat.”

Und du denkst, na schön... Und dann: O, diese Bürde, diese Last, diese Verantwortung !? Das war am Donnerstag.

Petrus, der mit seiner Treue noch ein paar Stunden vor dem Verrat geprahlt hatte, verzweifelt... ; und auch du verstehst nicht mehr, was dann passiert(e): nicht einmal die Stunden eines Tages vergingen und Jesus, der Retter der Welt, wurde - fast nackt - an ein Kreuz gehängt - zuvor verspottet und verhöhnt ; sein zerbrechlicher Körper glänzte im Fackelschein. Das sollte der Retter des Volkes sein, der König der Könige ? Es war einfach zu viel verlangt, das zu glauben.

Und du siehst Jesus am Kreuz - kurz vor seinem Ende: Jesus wußte, dass alles vollbracht war, und er spricht: “Mich dürstet”.  Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und steckten ihn auf ein Ysoprohr und hielten es ihm an den Mund. Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: “Es ist vollbracht!”  Er neigte das Haupt und verschied. Jesus ist tot.

Und es gibt da einen Gedanken, der dich nicht mehr loslassen will: Hier hat sich vor deinen Augen eine Tragödie abgespielt, alle Facetten menschlichen Leidens waren in ihr wiederzufinden. Aber warum hat Gott seinen Sohn Jesus (einen derartig aufopferungsvollen Menschen) auf diese Weise geopfert und verlassen?

Und du denkst: Hat Jesus in diesen Stunden so empfunden ?  “Es ist zu Ende, weil Gott mich verlassen hat. Gott hat mich preisgegeben.  Gott hat mich in die Hände der Menschen fallen und hat mich sterben lassen - qualvoll und ohne Hoffnung. Vor deinen Augen wird es dunkel. Das war am Freitag.

Die folgenden Stunden sind für alle nur schwer zu ertragen - ein Gefühl wie nach einem “bösen” Traum stellt sich ein.

Am Sonntag kursierten dann wilde Gerüchte unter der Schar der Trauernden. Und dann, noch in derselben Woche, siehst du ihn: Du berührst ihn - mit deinen Händen. Langsam begreifst du: Jesus hatte etwas getan, was noch niemand vorher je getan hatte: er war freiwillig in den Tod gegangen, und: er war wieder zurückgekommen !

Würdest du wieder je an ihm zweifeln? Vielleicht geht dein Traum jetzt in Erfüllung !?

Immerhin hatte er gesagt: “Es ist vollbracht!” Vierzig Tage lang erschien und verschwand Jesus, scheinbar wann er wollte. Wenn er auftauchte, hörtest du gespannt auf seine Erklärungen über das, was sich zugetragen hatte. Wenn er dann verschwand, entwarfst du zusammen mit den anderen die Pläne für das neue Königreich: Jerusalem endlich frei!

Lange Zeit hatten sich deine Zeitgenossen über deine ungebrochene Begeisterung für diesen Prediger und Heiler lustig gemacht. Nun würdest du es ihnen zeigen... !  Niemand würde dich je wieder mit Häme betrachten... dich vielleicht gar auslachen... Während dieser vierzig Tage nahm die Begeisterung nie ab. Wie denn auch ? Schließlich war die Erscheinung Jesu ein neues  Wunder. Es lag eine unvorstellbar große Spannung und Verheißung in der Luft.

Jemand stellte die Frage: “Herr, stellst du in dieser Zeit für Israel das Reich wieder her?” Niemand war auf die Reaktion Jesu vorbereitet... ; es schien, als ob er die Frage gar nicht verstanden hätte. Er schob sie beiseite und begann, nicht über Israel, sondern über benachbarte Länder und andere, weit entfernte Orte zu sprechen. Er sagte, dass wir recht bald dahin gehen würden, um als Zeugen aufzutreten. Aber jetzt sollten wir einfach nach Jerusalem zurückkehren und auf den Heiligen Geist warten.

Jetzt geschah die Überraschung überhaupt: Du standest da und hörtest ihm zu, als sich plötzlich sein Körper vom Boden hob. Einen Moment lang schwebte er ; dann verdeckte eine Wolke dir die Sicht. Seit dieser Zeit hast du Jesus nicht mehr gesehen.

(Ende der Zeitreise)

Was ist dir geblieben ?

Mittlerweile haben nicht nur die zwölf Jünger ihre Entscheidung getroffen und wahrhaftig ihr Sein darangesetzt, ihr einstiges Leben aufgegeben und es auf Gedeih und Verderb mit Jesus verbunden, nein, Tausende und aber Tausende begeisteter Menschen taten es ihnen gleich..., und jede / jeder machte ganz eigene Glaubenserfahrungen. Und diese Glaubenserfahrungen gehen und gingen nie am Kreuz vorbei.

Und nun hören wir, dass uns und aller Welt am Kreuz Jesu Christi geholfen ist. Aber eben dies leuchtet vielen gar nicht ein - das Kreuz wird gar als anstößig empfunden. Das Kreuz, es ist die Botschaft der Allmacht Gottes, die er zum Heil der Welt gebraucht ; aber zu sehen ist häufig nur die Ohnmacht der Gläubigen, - und es scheint dieselbe Ohnmacht zu sein, in der Jesus am Kreuz gestorben ist. Durch sie hindurch, hinter sie zurück dringen unsere Blicke nicht (?)

Bleiben wir an dieser Stelle stecken? Bleibt uns Gottes Plan - mit uns und dieser Welt - verborgen? Nein. Jesus hat gesagt: “Es ist vollbracht !” Dies dürfen wir glauben, danach dürfen wir unser Leben ausrichten.

Was aber kam durch den Plan Gottes in den unterschiedlichen Zeitaltern (insbesondere nach der Kreuzigung Jesu) zustande? Wenn wir diesen Plan einer Gewinn- und Verlustrechnung unterziehen würden (wie es beispielsweise Firmen tun - was wären die  "Gewinne” und was die “Verluste” für Gott und für uns ?

Die offensichtlichen Fehler der Kirche wären wohl die größten Verluste für Gott. Genauso wie er seinen Namen dem Volk Israel anvertraut hatte und von ihm dann durch den Sand gezogen wurde, so vertraute er nun auch seinen Geist fehlerhaften Menschen anderer Völker an. Wir brauchen nicht lange zu suchen, um Beweise dafür zu finden, dass die Kirche dem Wunsch Gottes nicht entsprechen kann: dies betrifft schon die ersten Gemeinden (z.B. die Gemeinde in Korinth), den Rassismus weltweit, Christen gegen Christen in Nordirland, Skandale unter Christen etc. Aber die interessierte Welt beurteilt Gott nach denen, die seinen Namen tragen. Viele Enttäuschungen über Gott stammen aus einer Desillusionierung über uns Christen - weil wir Gottes Anspruch - an uns - vollkommen falsch eingeschätzt haben.

Eine amerikanische Theologin hat gesagt, dass Gott drei große Demütigungen in seinem Bemühen hinnehmen mußte, die Menschheit zu retten.
Die erste war die Menschwerdung, als er sich die Beschränkungen eines menschlichen Körpers auferlegte. Die zweite war das Kreuz, als er die Schande dieser öffentlichen Hinrichtung erduldete. Und die dritte Demütigung ist die Kirche. Aber in einem ehrfurchtgebietenden Akt der Selbstverleugnung vertraute Gott seinen Ruf den Menschen an. Und diese mit dem Geist Gottes erfüllten Menschen helfen, auf eine für uns nicht immer sichtbare Weise, der gefallenen Welt wieder ihren eigentlichen Ort unter der Regierung Gottes zu geben.

Wenn wir bereuen und auf Gott hören, dann werden die Engel jubeln. Und immer noch gilt: Durch unsere ernsthaften Gebete werden Berge versetzt. Gottes “Gewinn” ist dieses “Es ist vollbracht !” - Er reagiert wie ein stolzer Vater, der gerade zugesehen hat, wie seine Kinder (Nachfolger und Nachfolgerinnen Jesu) etwas zustandebringen, dass er ihnen vielleicht nicht einmal zugetraut hätte.

Wohl ist Gott nicht von unserer Mitarbeit abhängig, vielmehr hat er uns als den Weg gewählt, mit dem er seine Schöpfung hier auf Erden wieder zurückgewinnen will.

Der “Gewinn” Gottes ist jede / jeder einzelne von uns..., wenn wir Gott wieder als unseren “Liebhaber” (und Vater / und Mutter) entdecken. Lieben wir Gott... wie er uns liebt, dann ist es wirklich vollbracht.

Uns allen wünsche ich die einzigartige Erfahrung der Kraft der Liebe Gottes.


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Erkenntnis, Weisheit und Zeugnis geben (1 Kor 2.1ff) 20.02.2000 Pfr.Zillmann

Liebe Gemeinde, vor ein paar Wochen laß ich in einer Zeitung einen interessanten Artikel. Die Überschrift hatte mich angezogen. Da stand in großen schwarzen Lettern zu lesen: Kirche zu verkaufen !

Kirche zu verkaufen ?  - Das machte mich neugierig. Es wurde berichtet, daß die Kosten davon laufen. Für die paar Leute, die Sonntags noch in die Kirche kommen, lohne sich nicht mal das heizen. Die Reparaturen überstiegen die Möglichkeiten der immer kleiner werdenden Gemeinde. Was macht man also mit einer Kirche, die nicht mehr zu unterhalten ist, die buchstäblich an Unterhaltungswert verloren hat?

Die Gemeinde war arg in Schwierigkeiten und es wäre nicht das erste Kirchengebäude, daß zu einem Museum, zu einem Hotel oder gar zu einer Kneipe umgewandelt worden wäre. Kirche zu verkaufen. Eine Bankrotterklärung, das letzte aus der Konkursmasse herausholen? Wie man das auch bezeichnen soll. Es geht um handfeste wirtschaftliche Überlegungen.
Und das ist uns nicht fremd. Das fängt damit an, daß wir uns jedes Jahr über den Haushaltsplan in unserer Gemeinde Gedanken machen. Wieviel Geld können wir für welchen Zweck ausgeben? Das geht weiter, daß wir beginnen die Räume unserer Gemeinde zu vermieten, daß wir Arbeitskräfte einsparen müssen und entlassen. Und vielleicht steht dann auch mal so eine Überschrift in einer Berliner Zeitung:   Kirche Am Seggeluchbecken zu verkaufen.

Liebe Gemeinde, ich möchte da nicht schwarz malen. Viele behaupten ja, daß die Kirche sich nicht "gut genug verkaufe". In einer Zeit, wo wir von Werbung und den allgegenwärtigen Medien überflutet werden, da wird die Kirche in ihrem Grau und Grau nicht mehr so recht wahrgenommen. Keine Hochglanzprospekte, keine Werbespots und kaum Öffentlichkeitsarbeit. Mit so einem Marketing, das kann ja nichts werden. Und die "kleine Aktion" die unser Kirchenkreis gestartet hat, ist da nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Und so wird behauptet: "Es ist besser in der Wirtschaft zu sitzen und an die Kirche zu denken, als in der Kirche zu sitzen und an die Wirtschaft zu denken." Das ist natürlich spitzfindig und zweideutig und eigentlich auch nachdenklich. Dieses Wort: verkaufen von Kirche, was kann damit gemeint sein? Geht es hier um Gewinn und Verlust, um Image oder gar um Prostitution.

Ich möchte den Gedankengang hier mal ganz abrupt abbrechen und ihnen ein paar Worte vom Apostel Paulus vorlesen. Der hatte in einer Gemeinde in der Stadt Korinth auch ganz erhebliche Schwierigkeiten sich richtig darzustellen. Der konnte sich nämlich auch nicht gut verkaufen. Vor 2000 Jahren war das Wort Marketing noch nicht so bekannt, und die Leute haben ihn einfach ausgelacht und dann rausgeschmissen.

Ein paar Freunde hatte er aber doch gewonnen und denen hat er dann einen Brief geschrieben. Und da hören sie bitte gut zu, denn er schreibt immer sehr kurz und bündig und sehr inhaltsreich und ich denke, daß das, was er da schreibt, genau unser Problem ist.

Text: GN 1 Kor 2,1-7a  Paulus erinnert an sein erstes Auftreten:
1 Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam und euch Gottes verborgenen Plan zur Rettung der Menschen verkündete, habe ich euch doch nicht mit tiefsinniger Weisheit und geschliffener Redekunst zu beeindrucken versucht.
2 Ich hatte mir vorgenommen, unter euch nichts anderes zu kennen als Jesus Christus, und zwar Jesus Christus, den Gekreuzigten.
3 Als schwacher Mensch trat ich vor euch und zitterte innerlich vor Angst.
4 Mein Wort und meine Botschaft wirkten nicht durch Tiefsinn und Überredungskunst, sondern weil Gottes Geist* sich darin mächtig erwies.
5 Euer Glaube sollte sich nicht auf Menschenweisheit gründen, sondern auf die Kraft Gottes.
6 Auch wir verkünden tiefsinnige Weisheit - für alle, die dafür reif sind. Aber das ist nicht die Weisheit dieser Welt und auch nicht die ihrer Machthaber, die zum Untergang bestimmt sind.
7 Vielmehr verkünden wir Gottes geheimnisvolle Weisheit, die bis jetzt verborgen war.

Liebe Gemeinde, ich glaube daß diese Worte des Paulus sich nicht für Werbezwecke eignen würden. Er ist einfach zu ehrlich. Er macht den anderen Leuten nichts vor. Als er in Korinth war, hatte er keine großartigen und keine tiefsinnigen Reden, keine fetzigen Slogans parat. Hier beim Schreiben des Briefes hatte er sich sicher Mühe gegeben, denn die Worte sind sehr wohl überlegt, und ich finde sie großartig und auch sehr tiefsinnig. Aber als er in der Gemeinde, bei den Leuten in Korinth war, da war sein Auftreten grau in grau, so wie unser Kirchenbild heute, grau in grau, gestottert soll er haben und gegen die anderen Propheten und Heilslehrer, die es zu hauf gab, konnte er sich nicht durchsetzen.

Mit diesem Auftreten kommt er uns in unserer heutigen Situation sehr nahe. "Als schwacher Mensch trat ich vor euch und war voll Angst und Sorge... ", schreibt er und ich denke, das kennen wir. Jeder von uns, der nach seinem Glauben gefragt wird, hat diese Erfahrung auch gemacht. "Nun erzähl mal, glaubst du an Gott, - gibt es den wirklich, - kann er mir helfen  - was, du bist noch in der Kirche, - ist ja lustig, der geht zum Konfirmandenunterricht, ... " usw.

So oder ähnlich hören wir es immer wieder und wenn wir dann den Mut haben, JA zu sagen, dann gibt es zwei Richtungen, wie unser zweifelnder Frager reagieren wird. Entweder wir werden ausgelacht, oder der andere ärgert sich über unsere dreiste Frechheit, heute in einer wissenschaftlichen Welt, solch einen Unsinn zu vertreten. Wider aller Vernunft gewissermaßen. Ärgernis und Torheit, sind wir. So ging es dem Paulus damals und so geht es uns heute. Christen haben es nicht leicht, ihre Sache richtig darzustellen, wäre das Ergebnis, dieses Gedankenganges.

Aber halt, hier müssen wir etwas näher hinsehen. Um welche Sache geht es eigentlich? Schmeißen wir nicht allzuschnell alles in einen Topf? Müßten wir nicht hier beginnen, feine Unterscheidungen zu machen?

In den kurzen Sätzen unseres Predigttextes können wir da eine interessante Entdeckung machen. Paulus erinnert die Leute da in Korinth an sein erstes Auftreten. Er macht ihnen klar, daß es bei allem Gestotter und aller Hilflosigkeit, nicht um seine Person geht, sondern um Gottes geheimnisvolle Wahrheit.

Was man jetzt darunter auch verstehen kann, es sei erst einmal dahingestellt. Wichtig erscheint mir, daß er hier sorgsam unterscheidet. Er ist nicht gekommen, um sich darzustellen, um sein Image zu pflegen, um seine Person richtig zu verkaufen, sondern um von seinen Glaubenserfahrungen zu berichten, um Jesus Christus, und zwar Jesus Christus, den Gekreuzigten zu bringen. Das ist die Sache, um die es geht und Christen haben es nicht leicht, diese Sache richtig darzustellen, weil sie nämlich diese Sache und ihre Sache zu einer Sache machen, weil sie Person und Sache nicht unterscheiden, alles in einen Topf werfen, wiegesagt, kräftig umgerührt und dann logische Schlüsse daraus gezogen. Mit aller Vernunft natürlich, mit viel Akribie und christlichem Pathos dann.

Das soll jetzt im Gedankengang nicht zu schwierig werden. Paulus beschreibt ein paar Sätze weiter ein konkrete Situation. Es gab in Korinth, in dieser Gemeinde dort, ja noch andere Apostel. Über die wissen wir wenig, aber die konnten sich und ihre Person besser darstellen, als Paulus es tat. Und so sagten sich die Leute: Was sollen wir auf das Gestotter von Paulus hören, wir gehen lieber zu Apollos, oder zu Petrus, oder zu Jakobus, die reden nicht so schwierige Dinge wie vom Geheimnis Gottes und Christus dem Gekreuzigten, sondern die haben ein paar handfeste Anweisungen und Lebensregeln, die machen was los, bei denen passiert etwas, da macht es Spaß dabeizusein. Zu denen gehören wir.

Und so gingen dann die Leute mal zu dem und dann zu einem anderen und sagten, ich gehöre zu Apollos, ich gehöre zu Johannes, ich gehöre zu Jakobus und sie stritten sich darüber, wer nun der wahre Prophet und Verkünder war. Sie hatten also schlichtweg die Personen mit der Sache verwechseln. Und so ging es in den Streitereien nicht mehr um die geheimnisvolle Weisheit Gottes, sondern darum, wie sich die einzelnen Personen am besten darstellen konnten.

Die Äußerlichkeiten waren entscheidend und das ist nur allzumenschlich. Und von den Äußerlichkeiten wurde auf die Innerlichkeiten, um es mal so zu sagen, geschlossen. Das ist auch menschlich, aber im Bezug auf unseren Glauben ist das nun ein tragischer Fehler, dem wir immer wieder unterliegen.

Paulus sagt: Euer Glaube sollte sich nicht auf Menschenweisheit gründen, sondern auf Gottes Macht. Weisheit bringe auch ich, aber ich bringe nichts, was für diese Welt und für euren Verstand als Weisheit gilt.

Und so gesehen bleibt der Glaube, den wir haben und der Zweifel, den wir hegen, an diesem Glauben immer ein Geheimnis Gottes. Alle logischen Erklärungen sind da nicht hinreichend, aller menschlicher Verstand ist da sinnlos und wer von uns einem anderen seinen Glauben beweisen will, der wird von vornherein Schiffbruch erleiden. Wer versucht seinen Glauben zu vermarkten und zu verkaufen, der wird früher oder später Konkurs anmelden müssen. Oder ganz konkret gesagt.
Wir können zwar unsere Kirche verkaufen aber nicht unseren Glauben. Wir können unsere Kirche vermarkten, aber nicht das Geheimnis Gottes den Dingen dieser Welt preis geben.
Das ist eine feine, eine ganz feine Unterscheidung, die aber für unser christliches Verständnis erhebliche Auswirkungen haben kann.

Was nun das Geheimnis Gottes ist, von dem der Apostel hier erzählt, das will und kann ich natürlich nicht deuten. Was ist ein Geheimnis, das ausgeplaudert werden kann. Sicher kein Geheimnis mehr. Dieses Geheimnis zu lüften, steht alleine Gott zu. Dieses Geheimnis zu erfahren, ist immer eine Glaubenserfahrung, die jeder von uns selber machen muß. Der eine hat sie der andere nicht, wer weiß. Es heißt ja: Was keiner jemals gesehen oder gehört hat, was keiner jemals für möglich gehalten hat, das hält Gott für die bereit, die ihn lieben. (1 Kor 2,9) Und so werde ich mich also hüten mit schlauen theologischen Sätzen zu erklären versuchen, was es mit diesem Geheimnis auf sich. Was die Menschen für Tiefsinn halten, ist in den Augen Gottes Unsinn, meint der Paulus und ein Sprichwort bringt er gleich dazu: Gott fängt die Klugen im Netz ihrer eigenen Schlauheit. (1 Kor 3,19)

Liebe Gemeinde, Wenn uns also alle Sicherheiten aus den Händen gleiten, wenn das Leben selbst aus der Hand zu gleiten droht, wenn wichtiges plötzlich ganz unwichtig wird, wer füllt dann die leeren Hände, was gibt dem Leben dann wieder einen Sinn? Da tauchen dann die Situationen auf, wo man wirklich ganz unten ist. Kluges Gerede wird zum Unsinn, Vernunft verliert sich in Ausweglosigkeit. Vielleicht hat dann der eine oder andere die gleiche Gewißheit gehabt, wie der Paulus, daß es Gott selbst ist, der die Bedrängten stärkt und die Starken bedrängt. Es heißt ja: Was keiner jemals gesehen oder gehört hat, was keiner jemals für möglich gehalten hat, das hält Gott für die bereit, die ihn lieben.

Zurück aber zum Anfang der Predigt. Kirche zu verkaufen, war die Überschrift in einer Zeitung. Wie verkauft sich Kirche am besten. Dieses Wort ist doppeldeutig. Wo fängt der Verkauf an. Beim Haushaltsplan unser Gemeinde, beim Vermieten von Räumen, beim Marketing und Werbestrategien? Da kann man sicher geteilter Meinung sein. Ich halte es jedenfalls nicht für bedenklich, mit gezielten Werbemaßnahmen die Organisation Kirche zu vermarkten.

Eine Lehre sollten wir aber aus den Erfahrungen des Paulus ziehen. Und das sei abschließend gesagt. Wir dürfen die Sache Jesu Christi nicht mit der Organisation Kirche bedenkenlos gleichsetzen. Oder noch einmal konkret gesagt,
Wir können zwar unsere Kirche verkaufen aber nicht unseren Glauben. Wir können unsere Kirche vermarkten, aber nicht das Geheimnis Gottes den Dingen dieser Welt preis geben. Diese feine Unterscheidung wird eben oft nicht gemacht und deshalb streiten sich die Christen, ob sie nun diesen oder jenen Weg gehen müssen, - um Gottes Botschaft dieser Welt zu verkündigen.
Mein Wort und meine Botschaft, sagt der Apostel Paulus, wirken nicht durch Redekunst und Gedankenreichtum, sondern weil Gottes Geist darin seine Kraft erwies. Euer Glaube sollte sich darum nicht auf Menschenweisheit gründen, sondern auf Gottes Kraft.   AMEN


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Predigt - Zeitenwechsel (Ps 90,4) 09.01.2000 Pfr.Zillmann

Liebe Gemeinde, die Gelehrten streiten sich darüber, wann denn nun der richtige Jahrtausendwechsel ist. War es jetzt unser Neujahrstag, in diesem Jahr oder beginnt das neue Jahrtausend eigentlich erst im Jahre 2001, weil ja das Jahr 2000 noch zum alten gehört. Oder ist Jesus wirklich im Jahre NULL geboren, waren es nicht doch ein paar Jahre früher oder später; und so weiter und so fort.
Ich denke, wenn alle feiern, dann sollte man mitfeiern. Sogar die Länder, die aus ihrer Religion heraus eine andere Zeitrechnung haben, oder die gar nicht christlich sind, haben ja diesen Zeitenwechsel mitgemacht, haben das christliche Jahr 2000 akzeptiert. Wer wollte sich aus dieser großen Weltfeier auch ausnehmen wollen. Wenn man auf einer Schwelle steht, dann kann man zurück und nach vorne blicken, den alten Raum, die alte Zeit läßt man hinter sich und der neue Raum, die neue Zeit liegt vor einem.

Nun ist das mit dem Zeitgefühl so eine Sache. Tag und Nacht, Sommer und Winter haben wir verinnerlicht. Da sind wir ganz naturverbunden. Die Tage werden jetzt wieder länger. Die Sonnenstrahlen fangen an zu wärmen. Das fühlen wir, das wissen wir. Betrachten wir allerdings, zehn, hundert oder gar tausend Jahre, dann fehlt uns für diese Zeiträume das Gefühl und mit dem Wissen wird es auch immer weniger, um so länger der Zeitraum ist, den wir bedenken wollen.

In den Psalmen unserer Bibel, die vor 2500 Jahren geschrieben wurden heißt es:  "Für dich, Gott,  sind tausend Jahre wie ein Tag, so wie gestern - im Nu vergangen, so kurz wie ein paar Nachtstunden." Liebe Gemeinde,  Zeit ist also relativ, was für den einen ein kleiner Moment ist, kann für den anderen eine Ewigkeit lang sein. Und tausend Jahre sind fast eine Ewigkeit und so werden dann in unserer Bibel tausend Jahre auch meistens als größter Zeitraum bezeichnet, den wir Menschen noch überblicken können. Nach tausend Jahre kommt dann gleich Gottes Ewigkeit.

Ich erinnere mich an meine Schulzeit, an das Unterrichtsfach Geschichte. Dieses Fach war zwar interessant aber meisten auch sehr langweilig. Gerade als junger Mensch hat man ja die große Schwierigkeit mit der Zeit umzugehen. Die Zukunft liegt vor einem, was sollen da die Erinnerungen an die Vergangenheit. Und so fehlte mir oft der Maßstab. Neandertaler, Urzeitmenschen, Ägyptisch Pharaonen, mittelalterliche Kreuzzüge und die Schiffe des Kolumbus waren alles eins. Und so hat dann der Neandertaler Amerika entdeckt und die Kreuzritter Cleopatra besiegt.

Im Prinzip war mir das auch alles egal. Man sagt, ein Mensch kann höchstens den zehnfachen Zeitraum überblicken, den er selber gelebt hat. Als zwölfjähriger Junge sind das dann mal gerade 120 Jahre. Und so war mir klar, daß im Wilden Westen noch Postkutschen überfallen wurden, dagegen in den Weltkriegen schon Luftkämpfe mit Flugzeugen geflogen wurden.
Und wenn man fünfzig Jahre ist, dann ist der Zeitraum schon 500 Jahre lang, den man vielleicht erfühlen kann. Und mit 100 Lebensjahren kommen wir dann schon auf die magische Zahl 1000 Jahre Geschichte, so man noch einigermaßen klar im Kopf ist. Die letzten tausend Jahre sind also noch greifbar oder vielleicht sogar erlebbar.

In meiner ersten Pfarrstelle, da wohnten wir im Pfarrhaus, das 1820 erbaute wurde. Im großen ganzen war alles noch wie damals. Die alten Türen, die getrockneten Lehmziegel, die Dachbalken, die mit Holznägel zusammengehalten wurden, und wenn dann Renovierungsarbeiten anstanden, dann mußte man sich mit diesem Baumaterial auseinandersetzen. Und ich staunte immer oder bewunderte die Handwerker von damals, was da doch für Arbeit drinsteckte, wie das wohl war, die Eichenbalken mit der Hand zusägen zu müssen, die Steine, die mühsam in Formen gestrichen waren und im Holzfeuer getrocknet wurden, wie das wohl war, die alle mit Pferdewagen durch die sumpfigen Wiesen zu ziehen.

Und man sah auch immer wieder die Zeichen der Menschen, die sie hinterlassen hatten, Jahreszahlen und Namen. Und in den Kirchenbüchern waren sie aufgeschrieben, die Leute, die das Haus bauten, getauft 1780, getraut 1800 und verstorben 1840. Und der Lehm, den der Putzmeister damals verwendete, der war so sauer, daß 160 Jahre später mein Tapetenkleister einfach nicht halten wollte und schreckliche braune Flecken entstanden. Ich war mit diesen Menschen verbunden im Positiven, wie im Negativen.

Vor dem Haus auf einem kleinen Hügel stand die Kirche. Die Fundamente und der größte Teil der Mauern waren aus dem 13 Jahrhundert. Das Christentum hatte Einzug gehalten. Die slawischen Bauern wurden zwangsgetauft und in Sichtweite der Kirche stand die Wasserburg, der ersten Ritter in dieser Gegend. Alles war so wie früher. Die Burg hatte mit ihren 1,60 Meter dicken Mauern den dreißigjährigen Krieg überstanden und ist heute noch bewohnt, lediglich der Wassergraben war ausgetrocknet. Und wenn man im Vorgarten des Pfarrhauses zu tief umgegraben hatte, kamen die Brandschichten vom 13. und 16. Jahrhundert zum Vorschein und darunter die Scherben, die Knochen und Gebeine der Vorfahren.

Geschichte wurde plötzlich handgreiflich, irgendwie erlebbar und alles ordnete sich in den Lauf der Zeiten ein.
"Für dich sind tausend Jahre wie ein Tag, oh Gott, so wie gestern - im Nu vergangen, so kurz wie ein paar Nachtstunden." heißt es in den Psalmen und diese Weisheit war für mich Realität geworden.

Welches Bild machen wir uns von diesen letzten tausend Jahren, von diesen Jahren, in denen die Menschen unserer Gegend, hier an Havel und Spree, christlich wurden? Früher in der Schule, wiegesagt, war mir das alles vollkommen egal. Geschichte war oftmals nervend langweilig. Und das, was man behalten hatte, waren sowieso nur die Klischees dieser tausend Jahre.
Sinnlose Kreuzzüge, komische Ritter, Inquisition, Klöster und abergläubische Bräuche, blutige Kriege und dumpe Menschen, die so vor sich hinvegetierten im nackten Überlebenskampf. Das Mittelalter und auch die Zeiten danach, waren dreckig und finster. So erschien mir das jedenfalls.

Und dann kommt auch gleich der große Bogen zu heute. "Ach wie gut, daß wir in schönen Neubauten wohnen und helles elektrisches Licht haben. Daß der Fahrstuhl funktioniert und der Ausschalter des Fernsehers uns in einem Augenblick, mit einem kleinen Klick von Krieg und Not befreien kann."

Um Geschichte bewältigen zu können, gibt es zwei Möglichkeiten. Die einen sagen: "Naja, es geht uns zwar hier gut, aber was heutzutage Menschen mit Menschen machen ist auch nicht besser, als im finsteren Mittelalter. Und denken wir an den letzten Krieg, der war ja dann wohl der bestialischte den Menschen mit Massenvernichtung und Atombomben so zustande gebracht haben. Die Zeiten werden genaugenommen immer schlechter. Das Böse behält die Oberhand. Der Teufel ist los."

Und andere sagen dagegen: "Den Menschen damals ging es genau so gut wie uns heute. Lebensqualität hängt nicht vom technischen Fortschritt ab. Glaube, Hoffnung und Liebe sind zu allen Zeiten gleich geblieben. Und wenn man nur Interesse an den Schreckensbildern der jeweiligen Zeiten hat, dann können diese Zeiten ja auch nur schrecklich und finster erscheinen.
Aber in diesen tausend Jahren gab es nur wenige Jahre Krieg, und meistens waren die Tage glücklich und voll Freude und die Menschen, die in den Dörfern und Städten lebten, die haben genauso gelacht, gesungen, waren glücklich und haben ein sinnvolles Leben gelebt, nicht besser und nicht schlechter als wir Menschen heute."

Nun, ich würde mich grundsätzlich der zweiten Meinung anschließen. Uns geht es nicht schlechter oder besser als den Menschen früher. Oftmals jedoch ist unser Blick verstellt. oftmals wissen wir zu wenig von tagtäglicher Freude und Streß unserer Vorfahren.

Beim Studium der Theologie gab es auch das Fach Kirchengeschichte und ich kann mich erinnern, daß plötzlich, mit dem Verstehen von Kirche, mit dem Verstehen von Theologie auch die ganze Geschichte der letzten tausend Jahre plötzlich spannend und interessant wurde. Denn diese tausend Jahre waren alle Kirchengeschichte, waren die Blütezeiten des christlichen Abendlandes haben das Leben der Menschen auf dieser Welt geprägt. Das Mittelalter war nun nicht mehr finster, sondern die Fragen, die Fragen, die die Menschen umtrieben, sind die gleichen, wie wir sie auch heute noch haben.

Wer sind wir, wo kommen wir her, wo gehen wir hin?

Um Antworten waren die Menschen damals bemüht, um Antworten grübeln wir auch heute noch nach. Und dann wissen wir auch, daß jedes gelöste Rätsel gleich tausend neue Fragen aufwirft und letztendlich sind wir so Klug wie zuvor.

Liebe Gemeinde,  die letzten tausend Jahre sind tausend Jahre christliche Kirche. Wir stehen somit in einer langen Tradition. Ob Kirche als Organisation oder Institution auch die nächsten tausend Jahre solch eine Bedeutung haben wird, ist mehr als fraglich.
In diesen letzten tausend Jahren gab es drei Gewalten, die Kirche, den Staat und die Armee und alle diese drei Gewalten können nicht mehr das Leben der modernen Menschen auffassen, ergreifen und tragen. Mit dem Niedergang der Kirche ist auch der Niedergang des Staates und der Armeen verbunden. In einer pluralistischen Gesellschaft, in der wie heute Leben, haben sie ja bereits alle erheblich an Bedeutung verloren. In den nächsten zwei - dreihundert Jahren wird niemand mehr einen König verehren oder einem Feldherren zujubeln.

Was allerdings bleiben wird, das sind die schlechten menschlichen Eigenschaften, das Streben nach Macht und Ruhm und Ehre und was bleiben wird sind die guten menschlichen Tugenden, die Friedfertigkeit, die Demütigkeit, die Liebe zum Nächsten. Sowohl das schlechte als auch das gute der Menschen wird bleiben, aber diese Eigenschaften werden nicht mehr in Institutionen eingesperrt sein. Kirche, Armee und Staat sind überflüssig.

Liebe Gemeinde,  um das abschließend zu sagen. "Tausend Jahre sind vor Gott, wie der Tag, der im Nu vergangen ist, so kurz wie ein paar Nachtstunden." Das hat der Psalmist in unserer Bibel vor 2500 Jahren geschrieben. Ein noch längerer Zeitraum liegt dazwischen, aber die Bedeutung der Worte haben ihre Gültigkeit bewahrt.

Es sind immer die gleichen Fragen, die die Menschen bewegen. Wer sind wir, wo kommen wir her, wo gehen wir hin? Und das gilt für die Menschheit genauso, wie für jeden einzelnen von uns. Und diese Fragen werden immer dann gestellt, wenn wir auf einer Schwelle stehen und weitergehen wollen, die Menschheit ins nächste Jahrtausend, die Kirche ins nächste Jahrhundert oder wir persönlich, die wir ja nicht so lange Leben, wenn wir einfach fragen: "Was wird wohl das nächste Jahr bringen?"

Kommen die Antworten dann aber aus einem Glauben heraus, der an das Gute im Menschen denkt, aus der Hoffnung heraus, daß auch jeder von uns glücklich sein kann, werden diese Antworten von der Liebe getragen, die auch meine Mitmenschen leben läßt, dann wird auch die Zukunft offen sein und die Angst weniger werden, denn wir wissen: Mein Gott, vor dir sind tausend Jahre wie ein Tag, wie die Nacht die eben vergangen ist. Und wenn die Nacht am tiefsten ist, dann ist der Tag am nächsten. AMEN


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Ev.Kirche Am Seggeluchbecken
Pfarrer Peter Zillmann, 13435 Berlin-Reinickendorf, Finsterwalderstr. 68