Internet-Archiv der Kirchengemeinde Am Seggeluchbecken   (c) Zillmann 05.01.2001

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  Christvesper 24.12.99 Pfr.Zillmann

Liebe Gemeinde,

Stellen Sie sich vor, es ist Weihnachten, und niemand geht hin! Stellen Sie sich vor, die Adventszeit beginnt, und niemand hängt die Lichterketten über die Straßen, keiner dekoriert die Schaufenster, niemand besorgt Geschenke, backt Plätzchen, singt mit den Kindern Adventslieder oder probt den Kindergottesdienst.

Stellen Sie sich vor, es ist Weihnachten und kein Tannenbaum steht, keine Krippe ist geschmückt, die Kirchen sind leer, keine Gottesdienste in der Nacht, stellen Sie sich vor, es ist Weihnachten und niemand ist da! Das wäre eine schöne Bescherung! Das Fest fiele aus! Ohne Vorbereitung kein Fest, so ist das nun einmal. Wenn niemand einkauft, dann gibt es kein Festessen. Wenn sich keiner Gedanken macht, dann gibt es keine Geschenke. Und wenn keiner schmückt, dann gibt es im Wohnzimmer auch keine Weihnachtsatmosphäre.

Das ist an Weihnachten kein bißchen anders, als bei jedem anderen Anlaß auch. Jedes Fest fällt aus, wenn sich niemand darum kümmert. Schauen Sie sich etwa eine ganz normale Geburtstagsfeier an: Auch die fällt schließlich aus, wenn derjenige, der Geburtstag hat, nicht einlädt, wenn niemand zum Gratulieren kommt, und keiner etwas vorbereitet hat. Das Geburtstags-Fest fällt dann aus!

Aber, und dieses Aber ist wichtig, älter wird man trotzdem! Daran ändere ich natürlich nichts, wenn ich meinen Geburtstag nicht feiere, das Fest mag dann vielleicht ausfallen, Geburtstag habe ich aber trotzdem! Das Eigentliche an einem Geburtstag geschieht ganz selbstverständlich, ob ich das nun feiere oder nicht!

Das klingt jetzt natürlich banal und es ist im Grunde auch eine Binsenweisheit. Aber es ist eine von den Weisheiten, die so klar sind, daß wir sie manchmal schon fast wieder übersehen. Bei aller Hektik, bei aller Aktivität und bei aller Vorbereitung, die wir immer wieder investieren, wir übersehen - denke ich - manchmal schon, daß wir das eigentliche, was hinter so einem Fest steht, gar nicht selber machen.

Geburtstag ist trotzdem, ob wir ihn feiern oder auch nicht und selbst egal wie wir ihn feiern. Und ich denke, es ist ab und an gut, sich wieder einmal vor Augen zu führen, daß das mit dem Weihnachtsfest kein bißchen anders ist.

Stellen Sie sich vor, es ist Weihnachten und niemand geht hin! Weihnachten ist trotzdem!

Weihnachten ist nämlich kein Gedenktag, nicht nur ein Tag, an dem wir daran denken, daß da irgendwann einmal irgendetwas passiert ist, dann wäre es nämlich tatsächlich fatal. Gedenktage, die niemand mehr begeht, die fallen tatsächlich aus.

Weihnachten aber, da passiert etwas. Gott kommt in diese Welt. Und das ganz unabhängig davon, ob wir etwas vorbereiten oder nicht.

Damals, am eigentlichen Weihnachtstag, da war auch nichts vorbereitet. In Israel hat sich niemand um die Ankunft dieses Messias geschert. In keiner Herberge war auch nur das geringste gerichtet. Und ich kann mir nicht vorstellen, daß Maria und Josef den Stall so vorgefunden haben, wie es sich eigentlich für einen Ort gehört, an dem man ein Kind zur Welt bringen soll. Damals war auch nichts vorbereitet. Gott kommt trotzdem. Und er kommt, weil er es will, ganz auf eigene Faust. Er ergreift die Initiative und zwar völlig allein, einzig und allein er.

Und genauso wie er damals in die Welt gekommen ist, genauso tut er es auch heute. Er bricht in unsere Welt, er bricht in unser Leben ein, ob wir das wollen oder nicht, ob wir uns darauf einstellen oder nicht. Er tut es trotzdem. Und das, das ist dann Weihnachten!

Manchmal mutet er es mir so an, als würden wir mit all unserer Vorbereitung, mit all unserer Aktivität, mit all unserem Richten und Tun, eigentlich nichts anderes im Sinn haben, als unsere ganze Hilflosigkeit dem Weihnachtsfest gegenüber zu überspielen. Wie wenn wir nicht wahrhaben wollten, daß wir am Geschehen der Weihnacht eigentlich ganz unbeteiligt sind. Das Fest, an dem wir die meiste Aktivität das ganze Jahr über entfalten, dieses Fest ist eigentlich das große Fest der Passivität. Wir können eigentlich gar nichts tun. Denn es ist Gott, der tut, der in unsere Welt kommen möchte, der Mensch wird, vor 2000 Jahren unter uns. Und heute in uns, jeden Tag aufs Neue.

Stellt Euch vor, es ist Weihnachten und niemand geht hin. Dann kommt Weihnachten zu uns! Jesus Christus kommt nämlich trotzdem.

Er wird uns ganz einfach geschenkt. Etwas Übernatürliches geschieht, wir können es eigentlich nur, voll Dankbarkeit feiern.
Und gerade auch dieses Feiern und Zusammensein der Menschen bringt Licht in diese dunkle Jahreszeit, stimmt uns froh und glücklich in dieser heiligen Nacht.

Liebe Gemeinde,  das ist besonders wichtig und soll abschließende gesagt werden, das ist besonders wichtig zu diesem Jahrtausendwechsel. Nicht Silvester ist der entscheidene Tag sondern heute Nacht dieser Geburtstag, des Christuskindes. Das ist das Millenium-Ereigniss, denn ohne diesen Geburtstag hätten wir gar nicht unsere Zeitrechnung, das wird oft vergessen.
Und wenn man dann sagen kann, diese Heilige Nacht dieser Jahreswechsel ist nicht 2000 Jahre nach Jesus Christus, sondern 2000 Jahre mit Jesus Christus, dann kommt man auch gut ins neue Jahrtausend, mit Zuversicht und Geburtstagsfreude, denn unser Geburtagskind ist in allen Zeiten bei uns, eben von Ewigkeit zu Ewigkeit, wie man schön in der Kirche sagt. Und was sind bei dem Wort Ewigkeit schon 2000 Jahre.  AMEN


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Halloween - 31.10.99  (Mt 4,17) Pfr. Zillmann

Liebe Gemeinde, heute am 31. Oktober wird, besonders in den USA und auf den britischen Inseln, das Halloweenfest gefeiert. Schließen Sie Ihre Haustüre gut ab. Kontrollieren Sie, ob alle Fenster richtig zu sind. Denn an diesem letzten Tag im Oktober ist Halloween. Dann dreht sich alles um Geister, Hexen und Teufel. Meist beginnen schon Anfang Oktober die ersten Vorbereitungen: In den Läden gibt es jede Menge Halloween-Schmuck, Kinder basteln sich unheimliche Kostüme und überall leuchten orangerote Kürbisse.

HalloweenAm 31. Oktober ziehen dann als Hexen oder Monster verkleidete Kinder mit dem Spruch "trick or treating" von Haus zu Haus. Dies bedeutet: Entweder ihr gebt uns Süßigkeiten oder wir spielen euch einen Streich. Und das ist meistens auch ernst gemeint, denn wer sich zu knauserig verhält, wird schnell mal mit Eiern beworfen. Auch in Europa feiern immer mehr Leute das Halloween-Fest. Fast in jeder Stadt gibt es Halloween-Partys oder private Feiern. In Hamburg hat sich sogar eine Bürgerinitiative gegründet, die einen Halloween-Gedenktag als Feiertag einführen möchte.

Bei Feiertag fällt mir ein, daß dieser 31. Oktober ja mal ein Feiertag war. Die Älteren werden sich noch erinnern können. Der Tag war arbeitsfrei und schulfrei. Gefeiert wurde allerdings nicht das Halloweenfest, sondern das Reformationsfest, der Gedenktag an die Reformation, an die Entstehung unserer evangelischen Kirche. Das scheint lange her zu sein. Und auf den ersten Blick gesehen, scheinen beide Fest auch gar nichts miteinander zu tun zu haben.

FriedhofVon den Kelten wurde der Halloween-Tag bereits im fünften Jahrhundert vor Christus als eine Art Neujahrstag gefeiert. Die Legende besagt, daß die Toten auferstehen und sich neue Körper suchen. Da die Menschen ihre Körper natürlich gerne behalten wollen, versuchen sie die Verstorbenen abzuschrecken und zu vertreiben. Zu diesem Zweck verkleideten sich schon die Kelten und zogen lärmend durch die Straßen. Wir haben im Fasching und zu Silvester ähnliche Bräuche. Mit schrecklichen und gruseligen Masken und mit viel Lärm und Geknalle sollen die bösen Geister vertrieben werden. Die Kürbislampe, genannt "Jack-O'-Lantern", gilt als Halloween-Symbolfigur. In einen ausgehöhlten Kürbis wird eine brennende Kerze gestellt, die die dämonische Fratze schaurig schön zum Leuchten bringt.

Der Name "Jack-O'-Lantern" ergibt sich genau wie bei Halloween aus einer alten Legende: Ein Mann namens Jack wurde nämlich vor vielen Jahren angeblich dazu verdammt, nach seinem Tod durch die völlige Dunkelheit zu wandern. Als einzige Lichtquelle bekam er vom Teufel einen Funken, der sich in einem Kürbis befand.

Wie gesagt, eigentlich scheinen beide Feste, das Reformationsfest und das Halloweenfest, nichts miteinander gemein zu haben. Als Martin Luther am 31. Oktober seine 95 Thesen zur Finanzpraxis der Kirche an seine Kirchentür annagelte, das war im Jahre 1517, da war ihm sicher nicht klar, daß er damit eine Reformation der gesamten Kirche auslösen würde. Um Geister, Tod und Teufel ging es damals allerdings auch, denn die große Frage war, wie können wir Gott gnädig stimmen, was müssen wir Menschen tun oder lassen, damit wir nicht von bösen Mächten, bezwungen und gefangen gehalten werden? Brauchen wir, um uns zu retten, eine Kirche und einen Pfarrer?

Die gängige Antwort der Kirche war: "Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele gegen Himmel springt.". Das bedeutete, daß alle schlechten Taten vergessen und vergeben waren, wenn man einen Ablaßzettel von der Kirche kaufte. Und je nach Tat und schwere der Tat und entsprechender Höhe des eingezahlten Betrages, war man damit frei gesprochen und vom Fegefeuer erlöst.

Das können wir uns im kleinen vielleicht so vorstellen. Wer im Straßenverkehr eine Ordnungswidrigkeit oder gar eine schwere Straftat begeht, der bekommt in einer bösen Straßensünderkartei, in Flensburg Punkte angeschrieben, ist bald den Führerschein los oder wandert gar ins Gefängnis. Um sich hiervor zu schützen, kauft man sich einen Ablaßschein und von der Strafe wird abgelassen. Vorsorglich kann man auch schon vorher ein paar Scheine erwerben und wenn man dann falsch geparkt hat, bei Rot über die Kreuzung gebraust ist oder gerade einen Fußgänger überfahren hat, dann reicht man dem Polizisten ein Bündel Ablaßscheine durchs Autofenster und die Sache ist erledigt. Der Handel mit diesen Ablaßscheinen würde blühen, da könnte jede Stadtverwaltung mächtig Knete machen, mehr jedenfalls als mit diesen aufwendigen Knölchen. Das hätte andererseits natürlich schreckliche Konsequenzen für den Straßenverkehr, das kann man sich gut vorstellen.

Diese Form der Schuldbegleichung, der Sündenbefreiung - sagte man damals, das war schon fatal aber es war für die Kirche eine einträgliche Einnahmequelle, denn wer möchte schon im Fegefeuer schmoren oder seinen Führerschein verlieren. Es ging also um viel Geld, es ging um viel Angst der Menschen, es ging um das Leben und den Tod, es ging um die Zukunft und was mal sein wird, mit jedem einzelnen von uns. Die armen Menschen konnten sich natürlich solche Ablaßzettel nicht regelmäßig kaufen und so setzten sie dann mehr auf alt bewährte Methoden. Geister vertreiben mit viel Geknalle und Lärm, den Teufel mit schrecklichen Masken selbst erschrecken, Maskottchen und Rituale einsetzen, um den Tod fernzuhalten.

Karneval, Silvester und Halloween haben so bis heute überlebt und wenn man auch nicht mehr in dieser mittelalterlichen Welt denkt und fühlt, so ist doch der Spaß geblieben, das Feiern, das Fest, die Gemeinschaft mit anderen. Ein bißchen Grusel ist natürlich auch da. Man weiß ja nie so recht, vielleicht gibt es ja doch böse Dämonen, Untote, kleine und große Teufel, vielleicht ist der Himmel ja doch verbaut - für mich, für mich ganz persönlich.

LutherAn diesem Punkt, an diesem Zweifel hat Martin Luther angesetzt. In seiner ersten These schrieb er 1517:
Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht "Tut Buße" usw. (Matth. 4,17), hat er gewollt, daß das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.  Dieser kleine Satz, von Luther aus der Bibel zitiert, und die dann folgenden Interpretationen hatten es in sich und hatten Konsequenzen.

Das Erste: Wir würden heute nicht mehr Buße sagen. Es gibt zwar noch das Tätigkeitswort, wenn jemand sagt: "Das wirst du mir büßen.", aber  die Buße an sich ist uns doch fremd. Buße meint soviel wie: Umkehr, sich Besinnen, sich Verändern, ablassen von bösem Denken und Tun, etwas bereuen und wieder gut machen wollen. Und diese Umkehr fängt im Innern des Menschen an. Im Fühlen, im Wollen.Sie kann nicht von außen erzwungen werden und sie kann schon gar nicht mit Geld und Ablaßbriefen ersetzt werden, so daß sie sich erübrigt, diese Buße, dieses Nachdenken über mein Leben, dieses Insichgehen.

Um noch mal auf den Straßenverkehr zurückzukommen; Wer aus Versehen ein kleines Kind totfährt, wird in der Regel wegen fahrlässiger Tötung 2 Jahre eingesperrt. Wenn die Strafe abgesessen ist, ist für den Autofahrer der Prozeß der Schuldbewältigung aber noch lange nicht beendet. Viele quälen sich mit der inneren Buße herum. Die Frage nach dem Leben, daß man einem anderen genommen hat, stellt das eigene Dasein in eine andere Dimension. Es geht nicht mehr um die einzelne Tat, sondern welchen Sinn hat mein ganzes Leben, wenn ich tagtäglich mit Schuld leben muß? Darauf hatte Martin Luther hingewiesen, als er dieses Jesuswort wieder an den Anfang unseres Glaubens stellte. Das ganze Leben soll Umkehr und Besinnung sein, und nicht nur die einzelne Tat oder das Ergebnis einer einzelnen Tat, nach dem Motto " Hoppla, jetzt hab ich was falsch gemacht." Das reicht eben nicht.

Und das Zweite: Diese Buße, diese Umkehr, dieses Insichgehen, kann mir nicht von anderen abgenommen werden, nicht von anderen Menschen, nicht von Institutionen und nicht von der Kirche. Ich selbst, als einzelner stehe vor Gott. Allein mein Glauben, daß alles wieder gut wird, rettet mich vor dem Gefühl, daß Tod und Teufel je eine Macht sein können.

Also nicht den Miesepeter machen und sagen, es hat ja sowieso keinen Sinn, sondern einfach fest darauf setzen, daß sich das Gute doch durchsetzen wird, daß jeder kleine Funke von Liebe, auf andere Menschen überspringt und mehr bewirken wird, als der Haß uns nehmen kann. Und dieses Gefühl ist ganz individuell. Das geschieht im Herzen. Da muß man sich selbst umkrempeln.

Kirche und Staat sind somit raus aus dem Geschäft mit der Angst, mit der Schuld der armen Sünder. Und plötzlich klingelte das Geld nicht mehr im Kasten, plötzlich merkte alle Welt, daß die Finanzkrise der Kirche eigentlich eine Glaubenskrise wurde und die Reformation nahm ihren Lauf. Daß wir heute diesen Reformationstag als einen wichtigen Feiertag in unserer Kirche ansehen, hat also seine Berechtigung. Diese Reformation unseres Denkens und diese Reformation unseres Glaubens ist eigentlich nie abgeschlossen. Von der Reformation der Kirche soll heute mal gar nicht die Rede sein.

Liebe Gemeinde,  um das abschließend zu sagen: Immer wieder holen uns die eigenen Ängste ein. Wie kann ich leben als Mensch? Wie kann ich Hoffnung finden für meine Zukunft? Was wird sein, wenn nichts mehr ist? Wie komme ich raus, aus dem Gefängnis dieser meiner Angst?

Drei Möglichkeiten hängen mit diesem Tag zusammen: Noch einmal kurz zusammengefaßt:
1. Kaufe dich frei,
2. knalle dich frei, oder aber
3. glaube dich frei.

Kaufe dich frei, das war das Motto der Dienstleistungskirche im Mittelalter. Ich verlasse mich auf andere, auf die da oben, die haben die richtigen Mittel. Knalle dich frei, und erschrecke den Teufel mit Kürbismasken, das ist Halloween, daß macht Spaß, der Aufwand hält sich in Grenzen und schaden kann es ja nichts; oder aber glaube dich frei, kehre um und sieh das Gute in dieser Welt, strenge dich an, laß dich nicht von dem Gejammer der anderen unterkriegen, das war Reformation, das macht uns zu freien Christenmenschen auch heute, die weder Tod noch Teufel fürchten müssen und denen Gott eine feste Burg ist.

AMEN

In diesem Sinne laßt uns nun das Lied von Martin Luther singen "Eine feste Burg ist unser Gott" 363 1-3


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Schulanfang - "Ich möcht, daß einer mit mir geht"  Pfr. Zillmann

Liebe Gemeinde, wenn die Sommerferien zu Ende gegangen sind, wenn die Urlaubsreise schon fast nur noch Erinnerung ist und wenn der tagtägliche Trott uns wieder eingeholt hat, dann beginnt auch gleichzeitig für viele ein neuer Lebensabschnitt.
Die Kleinen sind zur Schule gekommen,  - in die erste Klasse und die letzten Tage waren aufregend und spannend.
Was wird diese Schule so alles bringen? Die Erwachsenen machen ja viel Wind darum und wer von den Schulanfänger ältere Geschwister hat, der hat ja schon immer etwas mitbekommen von dieser Schule.
Da war Freude und oft auch Langeweile oder gar Streß. Schule ist schön und Schule ist anstrengend. Schule ist das neue - auf das man sich freut; und auch das Unheimliche - vor dem man sich fürchtet, Schule kann ja auch Angst machen. Das haben die Schulanfänger alles in den letzten Tagen erfahren. Das war aufregend und spannend.
Und andere Kinder, die schon älter sind, haben vielleicht die Klasse, oder gar die Schule gewechselt. Sie haben dann sicher die gleichen Empfindungen, wie die Kleinen.
Und die, die schon die ganze lange Schulzeit überstanden haben, die vielleicht eine Lehre beginnen, ein Studium oder eine Arbeit aufnehmen, für alle sind diese Tage am Ende der Ferien wichtig. Etwas neues beginnt, man freut sich und man fürchtet sich auch.

In dem Lied, daß wir anschließend singen wollen, heißt es in der ersten Strophe

Str. 1 Ich möcht', daß einer mit mir geht,
        der's Leben kennt, der mich versteht,
        der mich zu allen Zeiten kann geleiten.
        Ich möcht', daß einer mit mir geht.

Ich denke, dieses Lied hat etwas mit unserem Schulanfang zu tun: „Ich möcht', daß einer mit mir geht, der's Leben kennt, der mich versteht.“

Ich erinnerte mich jedenfalls an meine eigene Einschulung, wie wichtig das mit den Freunden war. Auf der einen Seite hatte ich mich damals gefreut, daß ich nun nicht mehr zu den ganz kleinen gehört habe, ich war stolz ein großes Schulkind zu sein und die Schultüte machte das alles noch viel schmackhafter, aber auf der anderen Seite kam ich mir auf einmal auch ganz elend und verlassen vor.
Das erste mal ganz alleine in einer großen Schulklasse, mit vielen fremden Kindern und vorne der unbekannte Lehrer und die Eltern waren scheinbar weit weg, ganz weit weg. Irgendwie fühlte ich mich alleine gelassen. Alle waren fremd. Wer wird mit mir gehen? Wer wird neben mir sitzen. Das waren die spannenden Fragen.

Ein neuer Lebensabschnitt bringt uns immer mit neuen Menschen in Berührung - und andere Menschen, mit denen wir vielleicht vorher tagtäglich zusammen waren, sind nicht mehr so oft da, oder verlassen uns gar. Und manch einer kommt sich dann ganz alleine und einsam vor.
Solche Momente gibt es dann im Leben öfters. Nicht nur am Schulanfang. Sie wiederholen sich. Was wir als Kinder nur für wenige Augenblicke erfahren und ertragen mußten, den Schmerz der Trennung vom Gewohnten, haben wir als Erwachsene dann mit einer Entgültigkeit hinnehmen müssen, die nicht mehr mit ein paar Tränen abzuwischen waren.

Wir merken, und da sind jetzt die Älteren unter uns angesprochen, wir merken, daß jeder Lebensabschnitt mit neuen und anderen Personen gleichzeitig Verlust und Gewinn bedeutet. Je älter wir werden, desto mehr müssen wir einsehen, daß es zu unserem Leben dazugehört, Menschen zu verlieren.  Freunde oder Freundinnen kommen in eine andere Klasse oder in eine andere Schule und wir sehen sie nicht mehr. Die Kinder verlassen das Elternhaus, und kommen eben nur noch zu Besuch, als Gäste zu uns und andere Menschen verlassen uns für immer, weil der Tod sie uns weggenommen hat.
Und je älter wir werden, desto bewußter wird uns, daß auch immer wieder neue Menschen hinzukommen, mit denen wir leben müssen, mit denen wir auskommen müssen. Und gerade die Menschen sind es, die das Neue ausmachen, die das Neue wichtig machen. Die dann unser Leben beeinflussen.
Nicht das große neue Schulgebäude ist wichtig, sondern die Kinder, die da drinnen zusammen sind. Nicht nur eine neue Arbeit ist bestimmend, sondern auch gerade die Kollegen werden wichtig, wenn es darum geht, ob wir uns auf unserer Arbeit wohl fühlen. Und wenn wir umziehen, in einen neuen Stadtteil, in ein anderes Haus meinetwegen, dann steht die Frage, was ich für Nachbarn habe werde, oftmals ganz oben an.

Unsere Mitmenschen bestimmen unser Leben mit, entscheiden, ob wir uns wohl fühlen, oder ob wir leiden. Und von daher ist das Lied, nicht nur eine Beschreibung der Kinderwelt, sondern die Älteren unter uns können sich da genauso gut wiederfinden.

Ich möcht', daß einer mit mir geht,
der's Leben kennt, der mich versteht,
der mich zu allen Zeiten kann geleiten.

Das ist natürlich manchmal schwierig, aus unseren Erfahrungen wissen wir das. Mit anderen Menschen auszukommen, ist nicht immer leicht, weil andere Menschen eben immer anders sind. Aber die dritten Strophe des Liedes gibt uns zu diesem Wunsch, daß einer mit mir geht, durch die guten und schlechten und Neuen Zeiten auch gleichzeitig eine Antwort und eine Hoffnung:

Es heißt, daß einer mit mir geht.
Sie nennen ihn den Herren Christ,
er will durch Leid und Freuden mich begleiten.

Das ist natürlich ein frommer Wunsch und der macht nur Sinn, wenn man auch an Gott glauben kann, aber vielleicht sind ja gerade diese neuen Lebensabschnitte, gut dazu da, sein Vertrauen auf Gott zu setzten.

Liebe Gemeinde, es gehört zum Leben dazu, daß wir etwas neues anfangen und dabei gewinnen und daß wir auch manches verlieren. Und unsere Mitmenschen stehen dabei immer im Mittelpunkt, egal ob es meine Mitschüler in der ersten oder in der 7 Klasse sind. Egal ob die Mitmenschen Arbeitskollege oder Nachbar heißen.
Jeder Lebensabschnitt, auch der Schulanfang ist ein Stückchen Gewinn und Verlust von Menschen, von Freunden und Bekannten, Aber letztenendes würden wir uns selbst verlieren, wenn wir darüber traurig und bekümmert würden. Vor Angst im Bett weinen, wenn man klein ist, - mit dem Schicksal hadern und Gott verfluchen, wenn man groß ist.

In einem Kindergebetsbuch fand ich folgendes Gebet, daß ich zum Abschluß vorlesen möchte. Ein kleines Mädchen hat dieses Gebet geschrieben und sie hat auf Gott vertraut, der ihr ihre Furcht genommen hat.

und so sagt sie:

Lieber Gott, heute ist mein erster Schultag.
Ich bin gespannt.
Aber ich habe auch etwas Angst.
Ich will gut aufpassen und mitmachen.
Aber werde ich auch alles verstehen?

Welche Lehrer bekomme ich?
Welche Klassenkameraden?
Kann ich meinen Schulweg bald alleine gehen?

Gib mir Lehrer, die mich verstehen, bei denen das Lernen Spaß macht. Schenke allen Kindern einen guten Anfang.
- und sei immer bei uns -
(Das wünsch ich mir, lieber Gott)

Amen

Laß uns nun das Lied Nr. 209 singen. Ich möcht daß einer mit mir geht.
 

 Str.1   Ich möcht', daß einer mit mir geht,
        der's Leben kennt, der mich versteht,
        der mich zu allen Zeiten kann geleiten.
        Ich möcht', daß einer mit mir geht.

Str.2   Ich wart', daß einer mit mir geht,
        der auch im Schweren zu mir steht,
        der in den dunklen Stunden
        mir verbunden.
        Ich wart', daß einer mit mir geht.

Str.3   Es heißt, daß einer mit mir geht,
        der's Leben kennt, der mich versteht,
        der mich zu allen Zeiten
        kann geleiten.
        Es heißt, daß einer mit mir geht.

Str.4   Sie nennen ihn den Herren Christ,
        der durch den Tod gegangen ist;
        er will durch Leid und Freuden
        mich geleiten.
        Ich möcht', daß er auch mit mir geht.

        Text und Musik: Hanns Köbler 1964


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   Sie wissen nicht, was sie tun. (Karfreitag - Krieg)

Jesus am Kreuz - Lukasevangelium K 23
33 Als sie zu der Stelle kamen, die "Schädel" genannt wird, nagelten die Soldaten Jesus ans Kreuz, und mit ihm die beiden Verbrecher, den einen links von Jesus, den anderen rechts.
34 Jesus sagte: "Vater, vergib ihnen! Sie wissen nicht, was sie tun."
Dann losten die Soldaten untereinander seine Kleider aus.
35 Das Volk stand dabei und sah bei der Hinrichtung zu.
Die Ratsmitglieder verhöhnten Jesus: "Anderen hat er geholfen; jetzt soll er sich selbst helfen, wenn er wirklich der ist, den Gott uns zum Retter bestimmt hat!"
36 Auch die Soldaten machten sich lustig über ihn. Sie gingen zu ihm hin, reichten ihm Essig
37 und sagten: "Hilf dir selbst, wenn du wirklich der König der Juden bist!"
38 Über seinem Kopf hatten sie eine Aufschrift angebracht: "Dies ist der König der Juden."
39 Einer der Verbrecher, die mit ihm gekreuzigt worden waren, beschimpfte ihn: "Bist du denn nicht der versprochene Retter? Dann hilf dir selbst und uns!"
40 Aber der andere wies ihn zurecht und sagte: "Nimmst du Gott immer noch nicht ernst? Du bist doch genauso zum Tod verurteilt wie er, 41 aber du bist es mit Recht. Wir beide leiden hier die Strafe, die wir verdient haben. Aber der da hat nichts Unrechtes getan!"
42 Und zu Jesus sagte er: "Denk an mich, Jesus, wenn du deine Herrschaft antrittst!"
43 Jesus antwortete ihm: "Ich versichere dir, du wirst noch heute mit mir im Paradies sein."
44-45 Es war schon etwa zwölf Uhr mittags, da verfinsterte sich die Sonne, und es wurde dunkel im ganzen Land bis um drei Uhr. Dann riß der Vorhang vor dem Allerheiligsten im Tempel mitten durch,
46 und Jesus rief laut: "Vater, ich gebe mein Leben in deine Hände!" Mit diesen Worten starb er.

Liebe Gemeinde,

am Mittwoch, in der vorigen Woche (24.03.99) war ich um 9.00 Uhr bei Aldi einkaufen. Es ist der Tag der Sonderangebote. Eine dicke Menschtraube war versammelt. Ich war der achtzigste - in einer Reihe, die man nur vermuten konnte und hinter mir waren weitere zwanzig Drängler. In diesem Existenzkampf stand ich auf verlorenem Posten. Bereits am Gemüsestand war Stau und in weiter Ferne, da wo die begehrten Artikel im Hochhalten leerer Kartoons zu vermuten waren, hörte ich Schmerzensrufe von zertretenen Hühneraugen. Besen und Gartengeräte wirkten vom weiten wie Schwerter und Degen, wie hauen und stechen.
Insgesamt war die Stimmung aber gut. Lediglich eine Frau hatte Tränen in den Augen, nachdem sie, stehend in der vorderen Reihe, zwei Paar Plastikschuhe ergattert hatte und sich noch einmal kurz zur Kühltruhe umdrehte. Das war leichtsinnig, denn als sie wieder an ihrem Wagen stand, war dieser leer und die Schuhe weg.

"Mein Gott, was ist denn hier los!" rief eine andere, "Wir sind doch hier nicht in Albanien." "Welch ein Tag?" dachte ich, was für Erinnerungen kommen da hoch. Dieser Mittwoch, es war ja der erste Kriegstag nach 1945, - Krieg mit Serbien - lief gerade im Fernsehprogram. "Welch ein Tag?"

Da im Abendfernsehen, da war auch eine Menschmenge zu sehen. Lebensmittel wurden verkauft. Das Gedrängel war nicht ganz so groß wie bei Aldi, aber die Gesichter der Menschen, erzählten Geschichten, die man nur erahnen konnte. Eine alte serbische Frau, nachdem sie ein Brot in ihrem Beutel gesichert hatte, ging weg und bekreuzigte sich dreimal. Ihre Lippen bewegten sich, vielleicht war es das Vaterunser, der Dank fürs tägliche Brot, die Bitte um Schuldvergebung oder "Herr erlöse uns von allem Übel." Ich weiß es nicht.

Die Bomben auf Belgrad waren gefallen und dieser alten Frau sah man es an, daß sie wußte, was jetzt los war. Sie erinnerte sich an vergangene Zeiten, das stand ihr im Gesicht geschrieben, als sie in die Kamera blickte. Die Not, das Leid, das Meuchelmorden der Nationalisten, ihre Augen schienen zu sagen: "Links und Rechts ist hauen und stechen und ich stehe mitten drin, mein Gott, warum hast du mich verlassen."

Schauen Sie sich das Bild an, den Holzschnitt.

mein Gott - Es fällt mir sehr schwer, dieses Gesicht angemessen zu beschreiben. Sehe ich Zorn? Sehe ich Gram? Sehe ich Entsetzen? Genau weiß ich es nicht. Drücken die tiefen Falten im Gesicht den Schmerz aus, den der Körper erleidet? Oder sind die Falten Ausdruck des Schmerzes der Seele?

Ein wenig scheint sich der Körper noch festzuhalten, ja anzulehnen an den letzten Halt, eine Stange. Ecce homo, steht neben dem Gesicht geschrieben: Seht, welch ein Mensch! Der eine Mensch, der wie jeder Mensch geworden ist. In der Qual ist wohl niemand etwas besonderes. Das Gesicht und sein Ausdruck kommen mir sehr nahe. Kaum eine Flucht ist möglich. Vielleicht will ich gar nicht so genau hinschauen, wie ich soll. Ich will gar keine Qual sehen, nicht schon wieder. Und wenn ich sie doch sehen muß, will ich bei allem Grauen nicht auch noch die Ferne Gottes sehen.

mein Gott
Vielleicht ist die Ferne Gottes in diesem Gesicht abgebildet. In dem Schmerz, in den Falten, in den Dornen - vor allem aber in den Augen, die ebenso sehr die Nähe Gottes suchen, wie sie die Ferne Gottes schon erkannt zu haben glauben. Unverwandt schauen sie auf mich, suchen mich, meinen genau mich. Das will ich nicht; und wegschauen fällt mir genauso schwer. Sobald ich etwas anderes in meinen Blick nehmen will, holen diese schweren Augen mich ein. Ja, es sind schwere Augen. Die Ferne Gottes läßt sich in den Augen dieses einen Menschen ersehen. Augenblicklich erwartet man, daß dieses Gesicht vor lauter Augenschwere niedersinkt. Mein Gott, warum. Aber es sinkt nicht nieder. Wenn ich wieder hinsehe, ist das Gesicht auch wieder da, mir zugewandt. Sieht mich an. Und auch durch mich hindurch auf der Suche nach seinem und meinem Gott.

warum hast du mich verlassen
Welch ein Mensch, der hier ruft. Noch ruft er, ruft nach Gott und sieht mich an. Das ist kein Zufall. Er ruft nicht ins Irgendwo, er ruft und schaut mich dabei an.
Die Ferne Gottes, die Menschen erleben müssen, schreit geradezu nach der Nähe von Menschen. Die Nähe von Menschen mildert so die Gottesferne. Ich soll der Qual nicht ausweichen, die Menschen anderen Menschen bereiten. Ich soll nicht. Ich darf nicht. Sieh mich an, bittet der eine Mensch im Namen aller Menschen. Sieh die Qual auf Gottes Erde. Entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut. Je weniger Menschen ausweichen, desto näher wissen wir vielleicht Gott, spüren Gott.

Liebe Gemeinde,  um das abschließend zu sagen. Ich weiß nicht, ob der Krieg mit Serbien Sinn macht? Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Menschen gequält werden. und wer nichts tut, der macht sich gerade dabei schuldig. Er schiebt Gott in die Ferne, er vertreibt ihn aus seinen Gedanken.
Andererseits ist gleiches mit gleichem zu vergelten, auch um Gutes zu erreichen, problematisch. Die Spirale der Gewalt beginnt sich zu drehen und letztendlich geht es dann nicht mehr um flüchtende Albaner und drangsallierte Serben, sondern es kann der Punkt kommen, daß wir nicht um die Menschen im Kosovo klagen, sondern später nur noch um uns selbst.
Jesus drehte sich zu ihnen um, als er auf dem Weg zur Hinrichtung war und sagte: "Ihr Menschen! Klagt nicht um mich! Klagt um euch selbst und um eure Kinder! (Lk 23,28)
Wer soll klagen und weinen? Wer soll wem helfen und wer kann es. Dieses Streitgespräch vorm Kreuz ist bis in unsere Tage symbolisch.
Vielleicht bleibt zum Schluß dann nur eine Ausage stehen: Der Satz, den Jesus sagte, als er am Kreuz hing: "Vater, vergib ihnen! Sie wissen nicht, was sie tun." Lk 23,34
Amen


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   Was können mir Menschen tun? (Ps 56,12) 21.02.99  Pfrn. Young

Gottesdienst mit Taufe eines Konfirmanden

Liebe Gemeinde, lieber Christian, liebe Gäste!

"Eine feste Burg", das  ist für uns Heutige wohl vor allen Dingen ein  Ausflugsziel  im  Urlaub, eine  Sehenswürdigkeit  aus  vergangenen  Zeiten, die wir uns staunend ansehen und dabei vom Leben der Burgfräulein und Ritter  träumen.  Bei  den jüngeren unter uns kommen Burgen,  Schlösser und Verließe auch auf dem Bildschirm vor,   in  den Supernintendo- und Komputerspielen.  Da gilt  es, den richtigen Weg hindurch zu finden  und  die Gegner zu besiegen. Bei beiden, bei den wirklichen wie bei  den virtuellen Burgen erleben wir das  Gefühl,  daß die dicken Mauern Schutz bieten und  Sicherheit vor den Feinden von außen.

Nun sind ja die Zeiten längst vorbei, wo Angriffe von feindlichen Rotten und  gegnerischen  Heeren zu befürchten waren.  Oder etwa nicht? Wir leben in unserem Land seit einen  halben Jahrhundert in Frieden.  Krieg ist immer weit weg und  für die meisten von uns  unvorstellbar.  Nicht  nur Christian,  sondern auch seine Eltern sind  nach dem Krieg geboren, wissen  höchstens  noch  aus den Erinnerungen der Älteren  von  den  Kriegs- und Nachkriegszeiten. Fragen wir junge Menschen nach  dem  Begriff  'Feind',  dann kommt als Antwort auch gar  nicht: Kriegsgegner.  Dennoch  kennen  wir  alle,  junge wie alte, Feinde, die uns das Leben schwer machen. Menschen, vor denen wir uns fürchten,  Situationen, die wir am liebsten meiden würden,  eine ungewisse Zukunft,  Krankheit  und  Verluste.  Mancher  ist auch sich selbst zum Feind geworden, kommt mit sich und seinem Leben nicht mehr zurecht.

Es ist gut, wenn man sich darauf besinnt, was wirklich wichtig im Leben - ist.  Darüber  haben auch wir gesprochen,  Christian - und ich  konnte dir sofort zustimmen -  als du sagtest, daß Freunde ganz wichtig sind.  Freunde, die einem vertrauen und denen man sich auch selber anvertrauen kann. Ein Mensch ohne Freunde ist wie ein Baum  auf trockenem Land:  Er wächst zwar,  entwickelt seine Wurzeln, aber sie finden kein Wasser und vertrocknen allmählich. Der Baum verliert seine Widerstandskraft, und jedes Insekt kann ihm Schaden zufügen.  Langsam stirbt der ganze Baum ab. Freunde sind wie eine Schutzmauer, die einen gegen das Böse, gegen andere  Jugendliche  z.B. und gegen die eigene Angst schützen. Angst ist ein negatives Gefühl,  wir  fühlen uns schlecht können gar nicht mehr richtig überlegen, was zu tun ist. Das kennen wir aus der Begegnung mit Menschen,  aber z.B.  auch  vor  Wettkämpfen im Sport. Angst kann aber auch ein Gutes haben, denn sie warnt uns instinktiv vor Gefahren.

Freunde helfen gegen die Angst.  Einer ist da, auf den wir uns immer verlassen  können,  auch wenn wir von allen Menschen verlassen zu  sein scheinen. Christian hat für sich einen Taufspruch ausgesucht, der das ausdrückt: "Auf Gott hoffe ich und fürchte mich nicht, was können mir Menschen tun?" (Ps 56,12) Hier geht es also auch um die Angst, um das Sich fürchten,  und in dem ganzen 56.  Psalm  erzählt einer, wie er sich von Menschen  bedrängt  und verfolgt fühlt, und dennoch nicht an seiner Angst erstickt.

Zunächst ist der Spruch aber eine Frage: Was können mir Menschen tun? Und wie wir schon hörten, lautete die Antwort: Menschen können  dir  sehr viel tun, und davor hast du Angst. Wer aber Angst hat, ist unfrei. Der Psalmbeter hat für sich entdeckt, was Millionen Menschen vor und mit ihm auch wissen: gegen die Angst hilft das Vertrauen auf Gott.  Gottes Beistand macht frei. Diese Behauptung hat sich nicht einfach jemand ausgedacht; Menschen haben es immer wieder, zu allen Zeiten und in den  unterschiedlichsten Situationen erlebt: Gott steht  mir  bei,  Gott hilft mir, Gott geht mit mir, wo immer ich auch hingehe.

Wenn wir Christian heute taufen, dann bedeutet das, daß wir ihn von nun an für sein ganzes Leben in Gottes Obhut geben und daß Gott seine Zusage an ihm einlösen wird.  Es ist,  als ob ein Mensch mit seiner Taufe aus seinem alten Leben heraustritt und zu Gottes Kind wird. Wie bei einer richtigen Adoption erhält er auch einen neuen Namen.  Bei den katholischen Schwestern und Brüdern bekommen die Täuflinge übrigens wirklich einen Taufnamen. Jeder Getaufte aber darf sich fortan Christ nennen. Bei dir, Christian, lag das ja schon in dem Namen, den dir deine Eltern gegeben haben.  Heute aber wirst du Mitglied einer neuen,  viel größeren Familie, der Familie Christi.

Von dem,  dessen Namen du nun auch trägst, hast du im Konfirmandenunterricht  schon  gehört.  Du erinnerst dich an die  Geschichten,  wie  Jesus immer bei den Menschen war, die ihn brauchten.  Er heilte z.B.  einen Mann,  der viele  Jahre gelähmt war, vielleicht in seiner Angst unbeweglich geworden war, und machte ihn frei zu gehen.  Jesus sagte den Menschen das Wort der Hoffnung, wenn sie vor Hoffnungslosigkeit stumm und starr geworden waren.  Uns allen hat  er  versprochen: Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende von Zeit und Raum.

Das hat Jesus gesagt,  als er schon auferstanden war und sich für immer von seinen  Jüngerinnen und Jüngern verabschieden wollte,  damit sie seine Sache nun selbständig fortsetzen sollten.  Vorher aber,  im Garten  Gethsemane,  kurz  vor  seiner Festnahme, da gab es noch eine kleine Begebenheit, die  mir  ganz  wichtig  ist:  Als  sein  Ende unausweichlich näher kam, da hatte  auch  Jesus Angst und hat zu Gott  gebetet,  daß  er  das Bevorstehende doch abwenden möge.  Und dann sagte Jesus,  daß er Gottes Willen akzeptieren  würde: "Es geschehe, wie Du willst." Darin drückt sich für mich tiefstes Gottvertrauen  aus.   So,  wie Gott über mich bestimmt,  so soll es geschehen. Auch, wenn ich nicht einsehen kann, warum,- auch, wenn es mir so vorkommt,  als ob alles  schief läuft in meinem Leben,  Gott wird den Sinn darin kennen und auch ich werde ihn am Ende wissen.

"Auf Gott hoffe ich und fürchte mich nicht, was können mir Menschen tun?" So ein Taufspruch ist dazu da, daß er einen ein Leben lang begleitet, einen erinnert und tröstet.  Christian, du  hast schon eine Menge erlebt in deinem  Leben,  und ich bin sehr froh,  daß ich dich von Anfang an kenne.  Sicherlich wartet noch  viel  viel  mehr auf dich. Das meiste davon können wir heute noch gar nicht ahnen,  einiges ist abzusehen.  Was auch immer geschieht, vergiß nicht, was das wichtigste im Leben ist:  Freunde,  die einem vertrauen und auf die du dich verlassen kannst.  Wenn du  so willst,  ist Gott dein bester Freund, der immer bei dir ist, der dir hilft gegen die Angst und der dich frei macht.

Das Geschenk der Freiheit ist  aber  zugleich auch eine Gabe, die verpflichtet, denn  niemand hat sein leben von Gott bekommen,  um es nur für sich selbst zu genießen. Jede und jeder hat seinen Platz, an dem er oder sie nützlich sein und anderen helfen soll.  Manchmal muß man lange suchen, bis man diesen Platz gefunden hat.  Auch du,  Christian, wirst den deinen eines Tages finden.  Vielleicht geht es dann dir auch so, wie den beiden Mönchen in folgender kleinen Geschichte:

Zwei Mönche lasen in einem alten Buch,  es gäbe einen Ort am Ende der Welt, wo sich Himmel und Erde berühren.  Sie beschlossen  ihn  zu  suchen und nicht eher umzukehren, als bis sie ihn gefunden hatten. Lange durchwanderten sie die Welt,  erlebten unzählige  Entbehrungen  und  Versuchungen, die einen Menschen von seinem Ziel abbringen    können. Aber sie behielten nur ihr Ziel vor Augen. In dem alten Buch hatten sie nämlich gelesen, daß sie am Ende eine Tür finden würden.  Wenn  man an dieser Tür anklopfe, dann befinde man  sich bei Gott.

Schließlich waren sie am Ziel.  Voller Zaudern klopften sie an die Tür und sahen, wie sie sich öffnete.  Als sie eintraten, befanden  sie  sich zu Hause in ihrer  Klosterzelle.  Da  begriffen sie: Der Ort, an dem sich Himmel und Erde berühren, ist auf dieser Erde, an der Stelle, die  Gott uns zugewiesen hat.

Und noch eines:  Gott  ist nicht in der Ferne zu finden,  sondern ist ganz nahe,  dort, hinter meiner  eigenen  Tür,  hier, wo ich zu Hause bin. Wo ich voller Hoffnung anklopfe, wird Gott selbst mir die Tür öffnen,  wann immer ich auf Gott vertraue, wird mir nicht mehr angst sein. Amen.


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   Monatsspruch Februar Röm 5,5 (Hoffnung) 24.01.99 Pfr. Schulze

Hoffnung läßt nicht zuschanden werden!
Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist. (Römer 5,5) Monatsspruch Februar 1999

Liebe Gemeinde, Dietrich Bonhoeffer (= 1945) schreibt in seinen "Gedanken zum Tauftag" vom Mai 1944 folgendes: "Wir selbst sind wieder ganz auf die Anfänge des Verstehens zurückgeworfen. Was Versöhnung und Erlösung, was Wiedergeburt und Heiliger Geist, was Feindesliebe, Kreuz und Auferstehung, was Leben in Christus und Nachfolge heißt, das alles ist so schwer und so fern, daß wir es kaum mehr wagen, davon zu sprechen. In den überlieferten Worten ahnen wir etwas ganz Neues und Umwälzendes, ohne es schon fassen und aussprechen zu können. Das ist unsere eigene Schuld. .... Aber der Tag wird kommen, an dem wieder Menschen berufen werden, das Wort Gottes so auszusprechen, daß sich die Welt darunter verändert und erneuert." (Widerstand und Ergebung, 1961, 2. Aufl., S.167).

Unser Monatsspruch, das Schlußwort des Paulus in der Argumentationskette Römer 5, 1-5, besteht aus solchen großen Worten uralter biblischer Überlieferung. Stichworte sind: Hoffnung, Liebe Gottes und Heiliger Geist. Hoffnung - hoffen, das ist die in mancher Not und Bedrängnis durch aushaltende Geduld bewährte Hoffnung. Ohne solche Hoffnung auf Veränderung unserer Lage ist unser menschliches Leben ohne Inhalt und Ziel.

Ein Arbeitsloser ohne Hoffnung gegen alle Widerstände gibt sich selbst auf. Er hat das Gefühl, wertlos und ohne Bedeutung für seine Mitmenschen zu sein. Wer dagegen das nötige Selbstwertgefühl behält und in bedrängender Not nicht aufgibt, der wird getragen von bewährter Hoffnung. Der macht die gute Erfahrung: "Mit Harren und Hoffen hat' s mancher getroffen!"
Neuen Lebensmut durch lebendiges Hoffen aber wird uns geschenkt, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen

Nach Liebe, Zuwendung und Zärtlichkeit sehnt sich jeder Mensch. Wir brauchen Liebe ebenso wie die Blumen das Sonnenlicht, um wachsen und gedeihen zu können. Unser Herz wird weit und offen, darin wird es warm und hell, wenn Gottes Liebe darin wohnt und zu Hause ist. Gott aber sieht uns liebevoll an, weil wir um Jesu willen rechte Partner, also Kinder Gottes sind. Für uns steht die Tür zum Vaterhaus offen, so daß wir in gutem Frieden leben mit Gott und unseren Mitmenschen.
Das ist nicht nur frommes Geschwätz, sondern garantiert durch die Gabe des Heiligen Geistes. Der ist uns geschenkt worden in der Taufe. Gottes guter Geist ermuntert und bewegt uns. Er sorgt für frischen Wind in unserer Gemeinde und hilft uns, Gottes Wort heute so zu sagen, daß Menschen und ihre Lebenswelt sich mit neuer Hoffnung erfüllen und verändern.


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Ev.Kirche Am Seggeluchbecken
Pfarrer Peter Zillmann, 13435 Berlin-Wittenau, Finsterwalderstr. 68